Treffen zwischen EU-Außenministern, dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell  und Vertretern des ukrainischen Verteidigungsministeriums
APA/AFP/Ukranian Ministry Of Defence
„Historisches Treffen“

EU-Außenminister zu Besuch in Kiew

Zur Unterstützung der Ukraine sind die Außenminister der EU-Staaten am Montag zu einem historischen Treffen nach Kiew gereist. Es sei das erste Mal, dass es ein solches Treffen der Vertreter der EU-Staaten außerhalb der EU gebe, teilte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell mit.

Seit Russland im Februar 2022 in das Nachbarland einmarschiert ist, ist noch nie eine so große Gruppe ranghoher ausländischer Politikerinnen und Politiker nach Kiew gekommen. Borrell hatte das Treffen vor knapp zwei Wochen angekündigt, aus Sicherheitsgründen aber kein genaues Datum genannt. Auf Twitter (X) schrieb Borrell am Montag von einem „historischen Treffen“ in einem „künftigen Mitgliedsland der EU“.

Als ein Thema des EU-Treffens nannte Borrell seinen Vorschlag, der Ukraine längerfristige Finanzierungszusagen für Militärhilfe zu machen und mit EU-Geld auch die Lieferung moderner Kampfjets und Raketen zu unterstützen. So will er von 2024 bis Ende 2027 jährlich fünf Milliarden Euro mobilisieren. Eine Entscheidung sei in Kiew aber nicht zu erwarten, sagte der Spanier am Sonntag. Es gehe bei solchen informellen Ministertreffen um politische Diskussionen.

Gespräche über Beitrittsperspektive

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba sagte, Botschaft des Treffens sei, dass sich die Europäische Union in die Ukraine ausweite, und dafür sei man sehr dankbar. Das „historische Ereignis“ finde zwar außerhalb der derzeitigen EU-Grenzen, aber innerhalb der künftigen EU-Grenzen statt.

„Es geht um die Stabilität“

Die Ukraine versucht über Gespräche mit den beiden großen US-Parteien, eine Fortsetzung der amerikanischen Hilfe für den Abwehrkrieg gegen die Ukraine zu sichern, auch wenn das im US-Kongress beschlossene Übergangsbudget keine zusätzliche Militärhilfe für die Ukraine vorsieht. „Es geht um die Stabilität“, so der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba am Rande eines Treffens mit den Außenministern der EU-Staaten in Kiew.

Bei dem Treffen der EU-Außenminister dürfte es denn auch um die EU-Beitrittsperspektive für die Ukraine gehen. Das Land ist seit Juni 2022 offiziell Beitrittskandidat. Über die Aufnahme von Verhandlungen müssen die 27 EU-Staaten allerdings noch einstimmig entscheiden. Ein positives Votum soll es dann geben, wenn die Ukraine bestimmte Voraussetzungen erfüllt hat. Dazu zählt eine stärkere Bekämpfung der Korruption.

Drei Minister entschuldigt

Noch vor dem Treffen gedachten die Außenminister an der „Mauer der Erinnerung“ der ukrainischen Kriegsopfer. Das Denkmal war errichtet worden, nachdem Russland im Jahr 2014 die Schwarzmeer-Halbinsel Krim von der Ukraine annektiert hatte und im östlichen Donbass prorussische Separatisten mit Unterstützung Moskaus einen Kampf zur Loslösung von der Ukraine begonnen hatten. Die Eröffnung des informellen Ratstreffens nahm der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj vor.

Zumindest drei der 27 Außenminister fehlten am Montag in Kiew allerdings. Der lettische Außenminister Edgars Rinkevics lässt sich wegen einer Covid-Erkrankung entschuldigen. Der ungarische Außenminister Peter Szijjarto sagte ab. Ungarn hat durchaus Vorbehalte gegen die Russland-Ukraine-Politik der EU. Der polnische Chefdiplomat Zbigniew Rau ist dem Vernehmen nach ebenfalls an Covid erkrankt. Die Unterstützung für die Ukraine in ihrer bisherigen Form war zuletzt im polnischen Wahlkampf von der regierenden national-konservativen PiS-Partei infrage gestellt worden.

Schallenberg sieht „starkes Signal der Solidarität“

Für den aus Wien angereisten Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) geht es bei dem Treffen um ein „starkes Signal der Solidarität“ mit der Ukraine. Laut Schallenberg ist es abgesehen von Räten während der jährlichen UNO-Generalversammlung im Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York das erste Mal, dass ein Außenministerrat nicht in der EU, sondern in einem Drittstaat stattfindet.

Für Schallenberg ist es an der Zeit, die Unterstützung für die Ukraine in eine „langfristige Zusammenarbeit“ umzuwandeln, insbesondere zur Stärkung der ukrainischen Justiz und der Korruptionsbekämpfung. „Korruption ist Gift für jede Investition in den Wiederaufbau der Ukraine“, sagte der ÖVP-Politiker mit Blick auf die milliardenschwere Finanzhilfe aus Europa für Kiew und die Investitionen von rund 600 österreichischen Unternehmen, die in der Ukraine präsent sind.

„Sicherheitsgarantien“ auf Agenda

Die Außenminister werden sich laut Schallenberg in Kiew auch über „Sicherheitsgarantien“ für die Ukraine unterhalten. Dabei gehe es „mitnichten um eine Beistandspflicht“, sondern umd den weitgefassten „Bereich der Resilienz“. Diese „Sicherheitsgarantien“ Dritter würden vor allem schlagend, wenn es eines Tages zu Waffenstillstands- oder Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine kommen sollte. Diese sollten nach Ansicht des Außenministers so bald wie möglich starten.

Hinsichtlich der Aufarbeitung von Kriegsverbrechen im Krieg kündigte Schallenberg an, dem ermittelnden Internationalen Strafgerichtshof (IStGH bzw. ICC) weitere 100.000 Euro zur Verfügung zu stellen. Damit belaufe sich die Unterstützung Österreichs dafür auf insgesamt 400.000 Euro. Dabei gehe es nicht nur um die Untersuchung russischer Kriegsverbrechen, sondern auch um mögliche Kriegsverbrechen durch die Ukraine, betonte der Außenminister.

Scharfe Kritik an dem Kiewer Treffen kam am Montag von der FPÖ. Deren Europasprecherin Petra Steger nannte die Zusammenkunft in einer Aussendung eine „historische Dummheit“. Zudem äußerte die freiheitliche Nationalratsabgeordnete Bedenken, dass Österreich als neutrales Land „an dieser Sondersitzung in der Ukraine teilnimmt“.

US-Haushalt vorerst ohne Ukraine-Hilfe

Dem Außenministertreffen in Kiew kommt auch deshalb besondere Bedeutung zu, als sich die Finanzierung der US-Hilfen wegen eines Haushaltsstreits in Washington in der Schwebe befindet. Eine Handvoll republikanischer Hardliner im Kongress, die dem ehemaligen Präsidenten Donald Trump besonders nahestehen, sperrt sich gegen jegliche weitere Militärhilfe für die Ukraine. In einem am Sonntag im US-Kongress verabschiedeten Übergangshaushalt finden sich keine neuen Ukraine-Hilfen.

„Werden uns nicht zurückziehen“

Nach der Einigung auf einen Übergangshaushalt ohne zusätzliche Militärhilfe für die Ukraine hat US-Präsident Joe Biden Kiew die anhaltende Unterstützung Washingtons zugesichert. Bei seiner Rede ermahnte er zudem die Republikaner, sich an „ihr Wort zu halten“, und rief dazu auf, nach Ablauf des nun vereinbarten Übergangshaushalts eine erneute Haushaltskrise zu verhindern.

US-Präsident Joe Biden sicherte am Sonntag Kiew dennoch die anhaltende Unterstützung Washingtons zu. „Ich möchte unseren Verbündeten, dem amerikanischen Volk und den Menschen in der Ukraine versichern, dass sie auf unsere Unterstützung zählen können. Wir werden uns nicht zurückziehen“, sagte Biden gestern in einer im Weißen Haus gehaltenen Ansprache.

Die ukrainische Regierung äußerte sich ihrerseits zuversichtlich mit Blick auf die Unterstützung durch die USA. Kiew arbeite „aktiv“ mit seinen US-Partnern daran, dass der nächste US-Haushalt „neue Finanzmittel zur Unterstützung der Ukraine“ enthalte, erklärte der Sprecher des ukrainischen Außenministeriums, Oleh Nikolenko.