Bundesverwaltungsgericht
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Kritik an BVwG-Vize

Neues Schlaglicht in Causa Postenbesetzung

In Sachen Chefsessel der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) und des Bundesverwaltungsgerichtshofs (BVwG) sorgt ein von der asylkoordination verfasstes Dossier für neuen Gesprächsstoff. In dem am Montag dem Justizministerium übermittelten Dokument werden dem derzeitigen BVwG-Vizepräsidenten und -Interimschef Michael Sachs „grobe Fehlleistungen“ zur Last gelegt.

Wie das Ö1-Morgenjournal am Montag erinnerte, ist Sachs der Favorit der ÖVP für die BWB-Leitung, was von den Grünen bisher abgelehnt wird, weswegen auch der BVwG-Chefsessel weiter unbesetzt sei. Auch für diesen Posten hatte sich Sachs zunächst beworben, er kam aber nicht in die engere Wahl, hieß es im Ö1-Morgenjournal, „auch, weil die Qualität seiner Entscheidungen als Richter offenbar ausbaufähig ist, wie mehrere Urteile der Höchstgerichte zeigen“.

Inhalt des auch ORF.at vorliegenden „Dossiers W159“ sind unter anderem gleich mehrere vom Höchstgericht aufgehobene Entscheidungen. Sachs soll laut asylkoordination in den Jahren 2020 und 2021 für mehrere „Fehlleistungen“ verantwortlich gewesen sein, die zu Amtshaftungsansprüchen führten. Sachs wollte das den Ö1-Angaben zufolge nicht kommentieren.

„Schwere strukturelle, handwerkliche Mängel“

„Dossier W195“ zeige „schwere strukturelle, handwerkliche Mängel und Sorglosigkeit in dessen Entscheidungen auf“, teilte die asylkoordination am Montag mit. Es geht um 30 Erkenntnisse der von Sachs verantworteten Gerichtsabteilung W195, die von den Höchstgerichten wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben wurden.

In mindestens neun Fällen habe die Republik aufgrund grober Fehlleistungen des aktuellen BVwG-Interimspräsidenten Entschädigungen zahlen müssen. „Michael Sachs muss sich den Vorwurf der Rechtsverweigerung und der Missachtung der höchstgerichtlichen Rechtsprechung gefallen lassen“, so Lukas Gahleitner-Gertz, Sprecher der asylkoordination.

Disziplinarrechtliche Schritte gefordert

Allein in fünf Verfahren in zwei Jahren hätten die Höchstgerichte sogar jeweils zweimal Erkenntnisse von Richter Sachs aufheben müssen. „Obwohl die Rechtslage klar war, hat Sachs wiederholt vollkommen unvertretbare Rechtsansichten eingenommen und grob fahrlässig gehandelt“, so Gahleitner-Gertz.

Pikant ist laut asylkoordination, dass die Dienstaufsicht über BVwG-Richter immer der Präsident ausübt, diese Funktion wegen der Besetzungsblockade der Regierung aber nun Sachs selbst innehat. Die asylkoordination kündigte daher an, ihr Dossier dem Justizministerium zu übermitteln, dem die Dienstaufsicht über den Präsidenten zukommt.

1.910 Revisionen

Wie neben Ö1 auch die „Presse“ zuletzt berichtet hatte, soll die Republik zumindest in einem Fall einer Aufhebung Regress für die Amtshaftungsansprüche gefordert haben. Sachs sehe das als seine Privatsache, wie ein Sprecher dazu laut APA sagte. Betont wurde lediglich, dass von den 1.910 das BVwG betreffenden Revisionen der Jahre 2020 und 2021 rund 70 Prozent ab- oder zurückgewiesen worden seien.

Die Abteilung W195 sei etwa mit Asylverfahren bezüglich Bangladesch befasst, bei denen das Innenministerium als erste Instanz Schnellverfahren durchführe. Die Neigung zu Revisionen sei hier mutmaßlich höher.

„Schon sehr selten“

Die frühere Präsidentin des Obersten Gerichtshofs (OGH) und Ex-NEOS-Abgeordnete Irmgard Griss wertete die Vorwürfe im Ö1-Morgenjournal als durchaus weitreichend. „An den Gerichten, an denen ich war, ist es zu dieser Zeit nie vorgekommen, dass gegen einen Richter oder eine Richterin Regressansprüche erhoben worden wären.“

Ähnlich Verwaltungsrechtler Peter Bußjäger von der Universität Innsbruck: „Vor allem, wenn sozusagen im zweiten Rechtsgang die Vorgaben der übergeordneten Instanz noch immer nicht erfüllt sind. Das ist dann schon selten.“

Sachs ist promovierter Jurist. Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre war er in den ÖVP-geführten Kabinetten von Robert Graf und Wolfgang Schüssel tätig, später war er auch Kabinettschef im Wirtschaftsministerium. Von 2002 bis Ende 2013 war er Vorsitzender im Bundesvergabeamt, 2014 wechselte er als Vizepräsident ins BVwG.