Ein Mann betritt eine AMS-Filiale
APA/Georg Hochmuth
Vor allem bei Bau und Industrie

Arbeitslosigkeit leicht gestiegen

Der seit April zu verzeichnende Negativtrend auf dem heimischen Arbeitsmarkt setzt sich fort. 320.760 Personen waren per Ende September arbeitslos gemeldet oder in Schulung, das waren 14.601 Personen oder 4,8 Prozent mehr als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres. Die Arbeitslosenquote erhöhte sich um 0,3 Prozentpunkte auf 5,9 Prozent. Die Arbeitslosigkeit stieg vor allem im Baubereich, im Gesundheits- und Sozialwesen und in der Industrie.

Das Arbeitslosenplus im September sei der bisher „höchste Anstieg heuer“, so AMS-Vorstand Johannes Kopf in einer Stellungnahme. Durch den starken Anstieg bei Arbeitslosen und AMS-Schulungsteilnehmern im Vergleich zum Vorjahresmonat am Bau (plus 8,6 Prozent) und in der Warenherstellung (plus 6,6 Prozent) treffe das Plus nicht nur Männer (plus 6,4 Prozent) stärker als Frauen (plus drei Prozent), sondern auch die Industrieländer Oberösterreich (plus 7,5 Prozent) und Steiermark (plus 6,2 Prozent) besonders, erklärte der AMS-Chef. Die Zahl der Beschäftigten lag im September mit 3.996.000 Personen um 35.000 über dem Vorjahreszeitraum.

Im Vergleich zum Vormonat August stieg die Zahl der Arbeitslosen und Schulungsteilnehmer im September aber nur um eine Person. „Diese Entwicklung zeugt einmal mehr davon, dass der österreichische Arbeitsmarkt weiterhin resilient ist und den aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen trotzt“, sagte ÖVP-Arbeits- und -Wirtschaftsminister Martin Kocher am Montag bei einer Pressekonferenz in Wien.

Grafik zur Arbeitslosigkeit in den Bundesländern
Grafik: APA/ORF; Quelle: AMS

„Überraschend stabil“

Die Lage auf dem Arbeitsmarkt sei „überraschend stabil“, viele Expertinnen und Experten hätten einen stärkeren Anstieg erwartet. Im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2019 war die Arbeitslosigkeit im September laut Arbeitsministerium auch um 13.704 Personen niedriger.

Unternehmen würden offenbar nur „sehr zögerlich“ Stellen abbauen, damit sie im nächsten Aufschwung genug Arbeitskräfte haben, so Arbeitsminister Kocher. Ziel vieler Unternehmen sei es, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möglichst „lange im Betrieb zu halten“, weil es aufgrund der demografischen Entwicklung „mehr Knappheit“ gebe.

Die Zahl der beim AMS registrierten offenen Stellen ging im September um über 17 Prozent auf rund 106.400 zurück, der breiter gefasste Stellenmonitor des ÖVP-Wirtschaftsbundes verzeichnete rund 216.200 offene Stellen in Österreich.

Grafik zur Entwicklung der Arbeitslosenquote
Grafik: APA/ORF; Quelle: AMS

Fast 33.000 neue Lehrlinge

Im September starten traditionell viele Jugendliche mit ihrer Lehrausbildung. Ende September begannen laut Ministerium 32.911 Personen in einem österreichischen Unternehmen eine Lehre, ein Anstieg von 1,8 Prozent im Vergleich zum September 2022. Es sei „eine sehr positive Nachricht“, dass die Unternehmen und die öffentliche Hand die Lehrlingsausbildung forcieren, so Kocher.

Arbeitslosenrate ändert sich nur „begrenzt“

Die Arbeitslosigkeit ist im September weiter gestiegen. 320.760 Personen waren per Ende September arbeitslos gemeldet oder in Schulung. Für die Wirtschaft ist diese Lage laut ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher „natürlich herausfordernd“, die Arbeitslosenrate würde sich aber im Vergleich zum Vorjahr nur begrenzt ändern.

„Die österreichische Lehrlingsausbildung ist ein Erfolgsmodell, für das unser Land weltweite Anerkennung genießt.“ Nach Angaben des AMS gab es Ende September knapp 11.000 sofort verfügbare Lehrstellen und rund 8.200 sofort verfügbare Lehrstellensuchende.

Steigende Zahlen bei Jungen

Auffällig ist, dass in mehreren Bundesländern die Arbeitslosigkeit bei unter 25-Jährigen, wenn auch auf geringem Gesamtniveau zunimmt. In Niederösterreich beträgt der Zuwachs 14,6 Prozent, in Oberösterreich 24,2 Prozent und in Wien 8,1 Prozent. Das AMS Oberösterreich liefert eine mögliche Erklärung: Um den Produktionsbereich personell zu stärken, sei zu beobachten, dass Betriebe Stellen in Verwaltungs- und Managementbereichen nicht nachbesetzen. Man beobachte „ein verzögertes Einstellverhalten im Bereich der jungen Schulabsolvent_innen mit höheren Abschlüssen“.

SPÖ und FPÖ vermissen Regierungsmaßnahmen

SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch nannte „die Kombination aus steigender Arbeitslosigkeit, immer noch viel zu hoher Teuerung und sinkender Wirtschaftsleistung besorgniserregend“. Er forderte „wirksame Maßnahmen gegen die Teuerung“, eine Ausbildungsoffensive und eine Valorisierung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe. Die Regierung würde den Weckruf aber nicht hören.

In eine ähnliche Kerbe schlug FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch: Die Regierung habe der „besorgniserregenden Entwicklung“ nichts entgegenhalten. Sie vermisst vor allem Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel, stattdessen öffne die Regierung „den österreichischen Arbeitsmarkt weiter für Billigarbeitskräfte“.

Wirtschaft und Industrie loben Unternehmen

Umgehend zu Wort meldeten sich Wirtschaft und Industrie sowie die Gewerkschaft: „Erstaunlich moderat“ sieht der Generalsekretär der Wirtschaftskammer, Karlheinz Kopf, den Anstieg „angesichts der massiven Konjunktureintrübung“. Er forderte, die Unternehmen „im Zuge der Lohnverhandlungen nicht zu überfordern“. Zudem pochte er auf eine Aufstockung des Budgets für Kurzarbeit.

Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), sieht den geringen Anstieg als Verdienst der Betriebe, die „Verantwortung“ zeigten und den Beschäftigtenstand hielten. Er verwies auf die geringe Arbeitsmobilität in Österreich mit einer hohen Diskrepanz an freien Stellen und arbeitssuchenden Menschen zwischen Wien und den Bundesländern.

ÖGB und AK sorgen sie um AMS

Gewerkschaftsbund (ÖGB) und Arbeiterkammer (AK) konzentrierten sich in ihren Reaktionen auf das AMS: Der Bedarf an Fachkräften werde auch in den kommenden Jahren nicht nachlassen und „kann nur gestillt werden, wenn auch ausreichend konkrete Weiterbildungs- und Umschulungsmaßnahmen angeboten werden“, sagte Ingrid Reischl, ÖGB-Bundesgeschäftsführerin. Mit den geplanten Einsparungen beim AMS werde das aber nicht gelingen, so Reischl

Auch AK-Präsidentin Renate Anderl sprach sich für einen Stopp des Personalabbaus beim AMS aus. Zudem appellierte sie an die Bundesregierung, im Zuge der Budgetverhandlungen die nötigen Ressourcen für ein personell gut ausgestattetes Arbeitsmarktservice bereitzustellen. Außerdem forderte sie die Anhebung des Arbeitslosengelds auf 70 Prozent und eine Anpassung an die Inflation.

Rate in EU gesunken

Im Euro-Raum und auch in der gesamten EU sank die Arbeitslosigkeit im August weiter leicht: Laut am Montag veröffentlichten Eurostat-Daten lag die Arbeitslosenrate im Euro-Raum bei 6,4 Prozent gegenüber 6,7 Prozent im August 2022. Die Arbeitslosigkeit in der EU lag im August 2023 bei 5,9 Prozent gegenüber 6,1 Prozent ein Jahr davor. Für Österreich meldete das EU-Statistikamt 5,3 Prozent im August, den gleichen Wert wie im August 2022.

Auch verglichen mit den Werten des Vormonats Juli sank die Arbeitslosigkeit in EU und Euro-Raum: Im Juli war der Wert im Euro-Raum bei 6,5 Prozent und in der Gesamt-EU bei 6,0 Prozent gelegen. Für Österreich hatte das EU-Statistikamt 5,6 Prozent gemeldet.

2,7 Millionen Junge arbeitslos

Im August 2023 waren in der EU 2,7 Millionen Personen unter 25 Jahre arbeitslos, davon 2,2 Millionen im Euro-Raum. Damit lag die Jugendarbeitslosigkeit in der EU bei 14,0 Prozent (gegenüber 14,9 Prozent im August 2022) und im Euro-Raum bei 13,8 Prozent (gegenüber 15,0 Prozent). Trotz eines deutlichen Rückgangs von 31,8 auf 26,8 Prozent verzeichnete Spanien im August 2023 wieder den höchsten Wert. In Österreich waren im August nach EU-Berechnung 11,4 Prozent der unter 25-Jährigen ohne Arbeit gegenüber 10,9 Prozent im August 2022. Der niedrigste Wert wurde mit 5,7 Prozent in Deutschland gemessen.

Die von Eurostat veröffentlichten Werte basieren auf der Standarddefinition der Arbeitslosigkeit der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Diese definiert Arbeitslose als Personen, die in den letzten vier Wochen aktiv nach Arbeit gesucht haben und innerhalb der beiden nächsten Wochen eine Arbeit beginnen können. Der Wert weicht von der in Österreich üblichen Berechnung ab.