KFOR-Soldaten und kosovarische Polizisten
Reuters/Fatos Bytyci
Konflikt mit Serbien

Kosovo warnt vor neuem Krieg

Im Zusammenhang mit den sich verschärfenden Spannungen im Kosovo warnt die kosovarische Außenministerin Donika Gervalla-Schwarz vor einem neuen Krieg auf dem Balkan. „Toleriert die internationale Gemeinschaft das Vorgehen Serbiens, wird es einen Krieg geben“, sagte sie am Montag im Deutschlandfunk. Serbien fordert weiter die Aufstockung der KFOR-Truppen und droht gleichzeitig mit einem Einmarsch ins Nachbarland.

Die kosovarische Außenministerin sagte, Serbien wolle Tatsachen schaffen, um den Kosovo dazu zu zwingen, in Brüssel über territoriale Fragen zu verhandeln. „Zum Glück ist der Versuch vor acht Tagen gescheitert, aber wir wissen nicht, was die Pläne für die Zukunft sind.“ Sie forderte deshalb die EU auf, den serbischen Status als Beitrittskandidat einzufrieren und Geldzahlungen zu stoppen. Das Vorgehen Serbiens erinnere an das von Russland vor dem Einmarsch in die Ukraine.

Die kosovarische Präsidentin Vjosa Osmani hatte am Donnerstag den nördlichen Nachbarn Serbien und dessen Präsidenten Aleksandar Vucic für die Gewalteskalation im Norden des Kosovo, der mehrheitlich von Serben bewohnt wird, mitverantwortlich gemacht. Serbien erhebe nach wie vor territoriale Ansprüche auf den Kosovo und versuche, ein „Krim-Modell“ zu verwirklichen, sagte sie mit Anspielung auf das russische Vorgehen in der Ukraine.

Angriff auf kosovarische Polizei

Vor etwa einer Woche hatten 30 bewaffnete und maskierte Männer in einem Dorf unweit der Grenze zu Serbien das Feuer auf kosovarische Polizisten eröffnet. Nach Polizeiangaben wurden bei den Schusswechseln ein Polizist und drei Angreifer getötet. Seit dem Zwischenfall hatte es Berichte über eine serbische Truppenkonzentration an der Grenze gegeben.

Die serbischen Paramilitärs sollen laut Angaben des Kosovo vom Montag zuvor auf serbischem Territorium trainiert haben. Der kosovarische Ministerpräsident Albin Kurti postete Drohnenaufnahmen, die diese Übungen zeigen sollen. Die Drohnenaufnahmen hätten die serbischen Aggressoren selber gemacht, und die Polizei des Kosovo habe diese zusammen mit Waffen sichergestellt, erläuterte Innenminister Xhelal Svecla nach Angaben der kosovarischen Zeitung „Koha Ditore“.

KFOR-Truppe soll aufgestockt werden

Die NATO plant wegen des Angriffs auf kosovarische Polizisten, ihre Präsenz in dem Westbalkan-Land zu erhöhen. Im Kosovo sind derzeit etwa 3.400 KFOR-Soldaten stationiert, davon mehrere hundert Bundesheerangehörige. Serbien forderte zuletzt wiederholt eine Aufstockung der KFOR-Truppe.

Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im deutschen Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), verwies darauf, dass die Zahl erhöht werden könnte. „Die personelle Obergrenze liegt laut (Bundestags-)Mandat ja bei 400 Soldatinnen und Soldaten“, sagte sie dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

Serbien: Truppen an Grenze reduziert

Serbien zog nach Angaben von Armeechef General Milan Mojsilovic einige in der Nähe der Grenze stationierte Truppen ab. „Serbien hatte 8.350 Soldaten in der Nähe der Grenze zum Kosovo stationiert und hat diese derzeit auf 4.500 reduziert“, sagte Mojsilovic am Montag in Belgrad. Er fügte hinzu, dass die Armeepräsenz in der „Bodensicherheitszone“, einem fünf Kilometer breiten Streifen innerhalb Serbiens entlang der Grenze zum Kosovo, „zur Normalität zurückgekehrt“ sei. Zuvor hatte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock die serbische Seite zum Truppenrückzug aufgefordert.

Der serbische Verteidigungsminister Milos Vucevic betonte am Montag, Serbien habe nichts gegen die KFOR-Truppen. Sollte Präsident Vucic die Armee anweisen, in den Kosovo einzurücken, „würde die Armee das auch tun – die Aufgabe würde effizient, professionell und erfolgreich durchgeführt werden“, so Vucevic. Mit dem Kosovo-Konflikt kann Vucic vom wachsenden innenpolitischen Druck durch die andauernde Protestbewegung ablenken. Im Dezember steht in Serbien eine Parlamentswahl an.

Folgestreit des Jugoslawien-Zerfalls

Der Kosovo hatte 2008 seine Unabhängigkeit von Serbien erklärt. Der Staat wird weder von der Regierung in Belgrad noch von der serbischen Minderheit im Kosovo anerkannt. Über 90 Prozent der Bevölkerung des Kosovo sind ethnische Albaner. Im Norden des Landes stellen allerdings die Serben die Mehrheit.

Beide Westbalkan-Länder streben in die EU. Diese hat deutlich gemacht, dass eine Aufnahme nur möglich ist, wenn beide Regierungen ihre Differenzen beilegen. Dazu hatten sich beide Staaten auch verpflichtet. Doch ein serbischer Einmarsch in den Kosovo dürfte die EU-Ambitionen des Landes zunichtemachen.