Olga Voglauer im Nationalrat
ORF/Roland Winkler
ÖVP-U-Ausschuss-Plan

Grüne „erstaunt“ über Koalitionspartner

Auf ein unfertiges U-Ausschuss-Verlangen der ÖVP, das offenbar irrtümlich im E-Mail-Postfach von NEOS gelandet ist, haben die Grünen „erstaunt“ reagiert. Die ÖVP nimmt darin SPÖ, FPÖ und eben auch den eigenen Koalitionspartner, die Grünen, ins Visier. Die ÖVP bestätigte zwar die Echtheit des Entwurfs, betonte aber, dass „aktuell“ kein solcher U-Ausschuss geplant sei.

Sie sei erstaunt darüber, „worüber man sich alles Gedanken machen kann, anstatt sich um seriöse Arbeit zum Wohle der Österreicher:innen zu kümmern“, so Grünen-Generalsekretärin Olga Voglauer in einer Stellungnahme. Man gehe jedenfalls davon aus, „dass alle in der ÖVP nach einer – sicherlich turbulenten – Woche wieder Nervosität abbauen und ins Konstruktive zurückfinden.“

Die Bevölkerung erwarte sich von einer Regierungspartei zu Recht, dass sie ihre Energie in die Arbeit für das Land investiert. „Nebelgranaten, Taktierereien, das Anschütten politischer Mitbewerber:innen gehören da nicht dazu“, betonte Voglauer: „Diesen politischen Stil lehnen wir ab.“

Laute Kritik nur aus Tirol

Von der Parteispitze wie aus der grünen Ministerriege gab es auch am Dienstag keine Stellungnahmen. Lediglich in einzelnen Bundesländern wagte man sich mit Kritik vor, mit dem Tiroler Grünen-Chef und Klubobmann Gebi Mair als lautester Stimme.

„Die ÖVP ist auf dem falschen Dampfer“, kommentierte er gegenüber der APA das Auftauchen des U-Ausschuss-Entwurfs. Dabei handle es sich wohl um „Fantasierereien“ bzw. die „feuchten Träume von einigen Funktionären, die von der Parteispitze schon wieder zurückgepfiffen worden sind“. Mair ortete zudem ein Ablenkungsmanöver von der „Burger-Affäre“ des Kanzlers und vom nahenden Prozess gegen Ex-Bundeskanzler und Ex-ÖVP-Chef Sebastian Kurz.

„Sachfremde Motive“

Das mit 16. September datierte Papier verlangt die Einsetzung eines „Transparenz-Untersuchungsausschusses – Transparenz-UA“. Aufgeklärt werden soll, „ob öffentliche Gelder im Bereich der Vollziehung des Bundes aus sachfremden Motiven zweckwidrig verwendet wurden“.

Konkret untersucht werden soll demnach, ob Mitglieder der Bundesregierung und Staatssekretariate (sowie diesen unterstellte Mitarbeitende), die mit der SPÖ, der FPÖ oder den Grünen „verbunden“ sind, aus „sachfremden Motiven“ gehandelt haben – und zwar im Zusammenhang mit Inseratenschaltungen und Medienkooperationsvereinbarungen, Umfragen, Gutachten und Studien sowie der Beauftragung von Werbeagenturen. Betroffen wäre der Zeitraum „vom 11. Jänner 2007 bis zum XX. Oktober 2023“.

ÖVP bestätigte Dokument

Es sei versehentlich eine E-Mail innerhalb der Klubmitarbeiter an die falsche Adresse verschickt worden, bestätigte ÖVP-Klubobmann August Wöginger die Authentizität des Papiers, relativierte aber, dass es schon bisher immer wieder mediale Diskussionen und Gerüchte über einen neuen U-Ausschuss gegen die Volkspartei gegeben habe. „Das Dokument ist daher nichts Neues, sondern Teil der üblichen parlamentarischen Arbeit.“

Politologe Filzmaier zu ÖVP-U-Ausschuss-Plänen

Eine E-Mail an den falschen Empfänger sorgt für politische Turbulenzen, darin wird ein ÖVP-Plan für einen Untersuchungsausschuss zu SPÖ-, FPÖ- und Grünen-Ministerien öffentlich.

Das Dokument sei „eine von vielen Überlegungen, die laufend angestellt werden“, für den Fall, dass Oppositionsparteien einen weiteren U-Ausschuss planen, „damit Einseitigkeiten in der parlamentarischen Aufklärungsarbeit vermieden werden“. Aufgrund der aktuellen SORA-Affäre der SPÖ seien Aktualisierungen überlegt worden. „Es entspricht dem Wesen der Politik, dass im Hintergrund viele Varianten vorbereitet, laufend adaptiert und ergänzt werden“, so Wöginger.

NEOS: „Frontalangriff auf Koalitionspartner“

Einen „fix fertigen“ Antrag für einen U-Ausschuss an einen Klubdirektor zu schicken, sei nicht bloß eine Überlegung, reagierte NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger auf die Aussage Wögingers. Die NEOS-Vorsitzende sieht mit dem Antrag das parlamentarische Instrument des Untersuchungsausschusses missbraucht.

NEOS: „Frontalangriff auf den Koalitionspartner“

Die ÖVP hat geplant, einen „Transparenz-U-Ausschuss“ einzusetzen, der gegen SPÖ, FPÖ und den Koalitionspartner, die Grünen, gerichtet sein sollte. Das geht aus einer Mail hervor, die versehentlich an NEOS geschickt wurde.

Dieser solle dazu dienen, Vorgänge in der Verwaltung zu kontrollieren und Fragen der politischen Verantwortung zu klären und nicht dazu, den politischen Gegner mit Schlamm zu bewerfen. Überhaupt beklagte sie bei der Pressekonferenz, dass das Niveau in der österreichischen Innenpolitik einen neuen „Tiefpunkt“ erreicht habe – es gehe nur noch darum, den politischen Gegner zum Feindbild zu erklären.

Der Antrag sei ein „Frontalangriff auf den eigenen Koalitionspartner“, auch ortete Meinl-Reisinger einen „Bruch der Koalition“. NEOS fordere nun Neuwahlen. Bezüglich der SPÖ wird in dem Antrag auf das im Zuge der ÖVP-Inseratenaffäre bekannt gewordene „Beinschab-Österreich-Tool“ im Finanzministerium hingewiesen. Die involvierte Meinungsforscherin Sabine Beinschab hat im Zuge ihrer Einvernahme auf frühere Absprachen auch mit der SPÖ hingewiesen, was die ÖVP auch im gegen sie gerichteten Korruptions-Untersuchungsausschuss immer wieder hervorgestrichen hatte.

Hafenecker: Koalition am Ende

Gegen die FPÖ wird in dem Papier thematisiert, dass in der Zeit der schwarz-blauen Koalition Gelder an Zeitschriften wie „Wochenblick“, „alles roger?“, „Zur Zeit“, „unzensuriert“ und „Info Direkt“ geflossen sein sollen. Auch die Rolle von FPÖ-Parteiobmann Herbert Kickl und der Werbeagentur Ideen.schmiede wurde einmal mehr hervorgehoben. Betreffend der Grünen wird v. a. die kommunikative Begleitung des Projekts „Klimarat“ des Umweltministeriums ins Treffen geführt und u. a. Zahlungen an die Lockl & Keck GmbH erwähnt.

Für FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker ist der Entwurf der Beweis dafür, dass die Koalition am Ende ist, wie er in einer Aussendung konstatierte. Der Plan, einen Untersuchungsausschuss unter anderem gegen den eigenen Koalitionspartner einzusetzen, ist für den Freiheitlichen außerdem ein „Ablenkungsmanöver“, zumal FPÖ und SPÖ mit der Vorbereitung eines Ausschusses zur kika/Leiner-Pleite sehr weit seien.

„Während ganz Österreich unter dem Regierungsversagen in den Bereichen Teuerung, Gesundheits- und Klimapolitik leidet, fällt der ÖVP als Kanzlerpartei offensichtlich nichts Besseres ein, als Dreck zu schleudern“, reagierte auch SPÖ-Klubobmann Philip Kucher – und zwar „nicht nur gegen den politischen Gegner, sondern auch gegen den eigenen Koalitionspartner“. Auch er sieht die Regierung „völlig am Ende“. Eine Neuwahl sei der einzige Weg.