Handy mit den Icons der Apps von X (Twitter) und Bluesky
ORF/Dominique Hammer
Ein Twitter wie damals

Bluesky umwirbt frustrierte Nutzer

Die Achterbahnfahrt von Twitter (X) unter Elon Musk hat viele Nutzerinnen und Nutzer veranlasst, sich nach Alternativen umzuschauen. Zuerst war vor allem Mastodon, später dann Threads der Instagram-Mutter Meta im Gespräch. Nun bringt sich der nächste Konkurrent in Stellung. Bluesky schaut aus und verhält sich wie Twitter, die App bringt selbst das vertraute Blau zurück aufs Handy. Auch Twitter-Gründer Jack Dorsey mischt mit. Doch unter der vertrauten Oberfläche gibt es zahlreiche gravierende Unterschiede.

Für langjährige Twitter-Nutzerinnen und -Nutzer waren die letzten Monate in dem sozialen Netzwerk alles andere als einfach: Erst wurde die App von Musk in X umbenannt, dann kam der Abschied vom fröhlichen Blauton – daneben wurde auch noch das Abomodell forciert, viele Funktionen waren plötzlich nur noch für User mit dem zu bezahlenden blauen Haken verfügbar. Als Musk zuletzt ankündigte, Twitter allgemein kostenpflichtig machen zu wollen, war das für einige ein Weckruf, dass es Zeit wird, auf eine andere Plattform zu übersiedeln.

Doch das ist – vor allem in Europa – gar nicht so einfach. Mastodon wirkt auf viele abschreckend und spricht vor allem Technikinteressierte an. Das wesentlich leichter zu verstehende und benutzerfreundlicher gestaltete Threads von Meta ist in der EU aus Datenschutzbedenken gar nicht erst verfügbar. Doch jetzt finden sich viele österreichische Userinnen und User auf Bluesky zusammen.

Zugang nur mittels Einladung

Der Dienst ist seit Anfang des Jahres online und bisher nur über einen Einladungscode zugänglich, ähnlich wie bei der kurzlebigen App Clubhouse. Diese Codes waren bis zuletzt ein rares Gut – doch mittlerweile sind deutlich mehr im Umlauf, nicht zuletzt, weil Bluesky wohl offenbar bemerkt hat, dass der Wille zum Wechsel in diesem Augenblick besonders stark ist.

Der Startscreen von Bluesky
ORF/Dominique Hammer
Der Zugang zur Bluesky-App funktioniert momentan nur mittels Einladung

Und Bluesky hat dabei ganz offenbar verstanden, was die genervten Umsteigerinnen und Umsteiger wollen: Twitter, am besten so wie früher. Anders als bei Mastodon ist die Anmeldung so simpel wie bei jeder anderen Website. Wer sich einloggt, findet eine Oberfläche wie bisher vor: Das Dreispaltendesign erinnert genauso an das Original wie der blaue Farbton. Wer Twitter verwenden kann, kann Bluesky verwenden.

Aus Twitter heraus entstanden

Das liegt wohl auch daran, dass Bluesky praktisch so etwas wie ein Twitter-Spin-off ist: Das soziale Netzwerk hat ausgerechnet Twitter-Gründer Dorsey ins Leben gerufen – und sogar 2019 in einem Tweet angekündigt. Eigentlich hätte Bluesky praktisch die Zukunft von Twitter sein sollen, doch noch davor kam es zu einer Abspaltung, und die neue App wurde schließlich zur Konkurrenz des von Dorsey gegründeten Twitter.

Twitter Gründer Jack Dorsey
IMAGO/ZUMA Wire/Us House Tv Via Cnp
Ausgerechnet Twitter-Gründer Jack Dorsey, hier im Jahr 2021, rief Bluesky ins Leben

Abgesehen von den optischen Ähnlichkeiten hat Bluesky letztlich aber viel mehr mit Mastodon als mit Twitter gemein. Denn auch Bluesky ist dezentral – und damit E-Mails sehr ähnlich. Wie bei E-Mails ist es eigentlich vorgesehen, sich bei verschiedenen Anbietern registrieren und dann untereinander kommunizieren zu können. Anders als bei Mastodon ist das aber erst in Zukunft geplant – und so bleibt einem ohnehin nichts anderes übrig, als sich direkt zu registrieren, was eben recht einfach ist.

Konfigurierbarer Algorithmus im Sinne der EU

Darüber hinaus ist Bluesky bisher werbefrei. Und es ist wohl eine der wenigen Apps, bei denen der Algorithmus, der auswählt, welche Posts gezeigt werden, auch angepasst werden kann. Die EU fordert eine solche Flexibilität bei Algorithmen schon länger, in der Praxis bedeutet das aber bestenfalls, dass man zwischen zeitlich geordneter und vorgegebener Sortierung wählen kann.

Millionenmarke überschritten

Nur kurz nach Musks Ankündigung, seine Plattform künftig kostenpflichtig zu machen, meldete Bluesky, dass man nun eine Million Userinnen und User hat. Das ist freilich immer noch nur ein Bruchteil von Twitters mehreren hundert Millionen Nutzern. Ein Blick auf Bluesky verrät auch, dass bisher kaum Politikerinnen und Politiker, Superstars, Chefredakteure und andere Berühmtheiten dort diskutieren. Umgekehrt gibt es aber auch weniger Trolle und kaum Spam.

Das empfinden viele offenbar als recht befreiend – und es entspricht von der Stimmung her momentan wirklich am ehesten Twitter am Anfang der 2010er Jahre. Ob man damit Millionen Userinnen und User ansprechen kann, bleibt fraglich – und gerade diese Gemütlichkeit, die an soziale Netzwerke von früher erinnert, ist wohl vergänglich: Sind erst einmal die Userzahlen so hoch wie bei der Konkurrenz, wird vom gemütlichen Beisammensein nicht mehr viel übrig bleiben. Ob der optisch vielleicht beste Twitter-Klon überhaupt genug Fahrt aufnimmt, um solche Zahlen zu erreichen, ist aber ohnehin fraglich.