Ein österreichischer Polizist kontrolliert an der Grenze Einreisende aus der Slowakei
AP/Theresa Wey
Flucht und Migration

Österreich kontrolliert Grenze zu Slowakei

Angesichts steigender Ankunftszahlen von Flüchtlingen, Migrantinnen und Migranten hat Österreich Grenzkontrollen zur Slowakei angekündigt. Auch Polen und Tschechien wollen die Grenzen zur Slowakei kontrollieren. Es kommen vor allem Syrerinnen und Syrer über diese Route. Deutschland wirft Russland und Belarus vor, die Menschen einzufliegen und nach Europa zu schicken, um die EU zu destabilisieren. SPÖ, FPÖ und NEOS kritisierten die Maßnahme – aber aus gegensätzlichen Blickwinkeln.

Die Kontrollen sind seit Mitternacht in Kraft und dauern zunächst zehn Tage, erklärte das Innenministerium am Dienstag. Ziel sei es, Ausweichrouten von Schleppern über Österreich zu verhindern. Wenige Stunden zuvor hatten Polen und Tschechien ebenfalls zu Mitternacht beginnende und zunächst auf zehn Tage begrenzte Kontrollen angekündigt.

Alle vier Länder sind Teil des Schengen-Raums. Zwischen den Mitgliedsstaaten sind eigentlich alle Formen von Grenzkontrollen aufgehoben. Seit der Flüchtlingskrise 2015 gibt es aber immer wieder – zeitlich befristete – Kontrollen innerhalb des Schengen-Raums, mit dem Ziel, Schlepperei und illegale Migration zu unterbinden. Zu Slowenien und Ungarn hat Österreich schon lange Kontrollen. Kritikerinnen und Kritiker sehen darin eine Einschränkung der Reisefreiheit.

„Ändern Routen“

„Wir tun das, weil wir wissen – aus bisherigen Erfahrungen – dass nach solchen Kontrollen die Schlepper sehr rasch reagieren und Routen ändern“, so Innenminister Gerhard Karner (ÖVP). In den letzten Monaten habe man sinkende Asylantrags- und Aufgriffszahlen beobachtet, weil man intensiv kontrolliert habe – „zu Ungarn und auch zu Slowenien“. Die Erweiterung dieser Kontrolle zur Slowakei soll das Entstehen einer „Kontrolllücke“ verhindern. Karner betonte außerdem, dass es die Zusammenarbeit mit sicheren Drittstaaten, Herkunftsländern und Transitländern brauche.

Im Fokus stehe die „Bekämpfung der brutalen und menschenverachtenden Schleppermafia“. Das tschechische Innenministerium erklärte, die Kontrollen würden „in Abstimmung mit den Nachbarstaaten“ erfolgen.

Grenzkontrollen zu Slowakei eingeführt

Österreich führt Grenzkontrollen zur Slowakei ein. Das verkündete Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) bei einem kurzfristig einberufenen Pressestatement. Österreich folgte damit Tschechien und Polen, die heute ebenfalls Kontrollen entlang ihrer Grenzen zur Slowakei angekündigt hatten.

Kritik von unterschiedlichen Seiten

SPÖ-Sicherheitssprecher Reinhold Einwallner glaubt, dass mit dem aktuellen System immer wieder Grenzkontrollen nötig sein werden. Anstatt sich für europäische Lösungen einzusetzen, blockiere der Innenminister auf europäischer Ebene, so Einwallner.

NEOS verwahrte sich gegen die Einschränkung der Reisefreiheit. Vizeklubchef Nikolaus Scherak mahnte europäische Lösungen ein – etwa „Rückführungsabkommen, schnellere Verfahren an den Außengrenzen und die Umsetzung einer Residenzpflicht für Asylwerberinnen und Asylwerber“. Der FPÖ ist die neue Maßnahme hingegen nicht scharf genug. „Seine (Karners, Anm.) Grenzkontrollen sind nämlich nichts anderes als ein ‚Welcome-Service‘ für illegale Einwanderer“, forderte Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer in einer Aussendung einen „Asylstopp“.

Zahlen deutlich gestiegen

Zuletzt war die Zahl der in der Slowakei ankommenden Menschen deutlich gestiegen. Insgesamt sind der slowakischen Polizei zufolge in diesem Jahr bis Ende August bereits mehr als 24.500 über Ungarn und Serbien ankommende Migrantinnen und Migranten festgestellt worden – im gesamten vergangenen Jahr waren es nur 10.900. Mit Blick auf die vergangenen Wochen schrieb das Innenministerium am Dienstag sogar von einer Zunahme von 900 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Berlin verstärkte Kontrollen bereits

Am Freitag hatte Deutschland bereits ein verstärktes gemeinsames Vorgehen mit Tschechien und Polen gegen Schleuser vereinbart, unter anderem mit gemeinsamen Polizeistreifen. Am Mittwoch hatte das deutsche Innenministerium auch zusätzliche Kontrollen direkt an der Grenze zu Polen und Tschechien angekündigt. Diese sollen anders als die bisher praktizierte Schleierfahndung auch „auf der Grenzlinie“ erfolgen. Auf stationäre und dauerhafte Grenzkontrollen werde aber verzichtet.

Grafik zeigt die Kontrollen an Österreichs Grenzen
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Slowakei für „europäische Lösung“

Der scheidende slowakische Regierungschef Ludovit Odor reagierte mit Unverständnis und kündigte an, sein Land werde auf die Schritte der drei Nachbarstaaten Österreich, Polen und Tschechien reagieren. Odor sprach sich für eine „europäische Lösung“ an den Außengrenzen der EU aus. Wenn ein Mitgliedsstaat den Schutz seiner Binnengrenze stärke, löse das einen „Dominoeffekt“ aus. „Das kostet uns alle Geld, und es ist völlig unklar, ob es etwas nützt“, erklärte Odor.

Der Sieger der slowakischen Parlamentswahl vom Wochenende, Robert Fico, hatte allerding seinerseits für den Fall einer Regierung unter seiner Führung im Wahlkampf sofortige Grenzkontrollen zu Ungarn angekündigt – und den Einsatz von „Gewalt“ zur Lösung des Migrationsproblems in Aussicht gestellt.

Nach Angaben des Chefs der slowakischen Polizei, Stefan Hamran, stammt die Mehrheit der in die Slowakei kommenden Menschen aus Syrien. Sie können nicht festgehalten oder abgeschoben werden, da in ihrem Land weiter Bürgerkrieg herrscht. Die meisten von ihnen wollen in westeuropäische Länder gelangen.

Vorwürfe in Richtung Russland

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich machte zuletzt Russland und Belarus für den starken Anstieg der Zahl der Asylanträge in Deutschland mitverantwortlich. „Wir erleben eine Folge hybrider Kriegsführung von Seiten Russlands, bei der gezielt Flüchtlinge unmittelbar aus Syrien und anderen Krisengebieten eingeflogen und durchgeschleust werden, mit dem Ziel, Europa zu destabilisieren“, sagte Mützenich der „Augsburger Allgemeinen“ (Montag-Ausgabe).

Der starke Anstieg der Einreisen von Asylsuchenden über die Grenzen von Polen und Tschechien nach Deutschland spreche dafür, dass viele Geflüchteten bewusst von Russland über Belarus über Umwege in die EU eingeschleust würden. „Natürlich flüchten diese Menschen vor Krieg und Unterdrückung, aber Russland nutzt diese Situation schamlos aus“, sagte Mützenich.