Kevin McCarthy
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Historisches Votum

McCarthy von eigenen Leuten abgesetzt

Das US-Repräsentantenhaus hat in einer namentlichen Abstimmung für die Absetzung des Vorsitzenden, Kevin McCarthy, gestimmt. Es ist das erste Mal in der US-Geschichte, dass der „Speaker“ per Votum der Abgeordneten des Amtes enthoben wird. Es ist umso bizarrer, als der Antrag und die entscheidenden Stimmen aus McCarthys eigener Fraktion der Republikaner kamen.

Damit hatte die Revolte der rechtsradikalen und trumptreuen Fraktion der Republikaner Erfolg. 216 Abgeordnete stimmten für die Amtsenthebung, 210 dagegen. Die Demokraten, soweit anwesend, stimmten geschlossen mit acht revoltierenden Republikanern gegen McCarthy.

Der radikale republikanische Abgeordnete Matt Gaetz hatte den Aufstand gegen seinen Parteikollegen McCarthy angeführt. Er brachte am Montagabend einen Antrag auf dessen Entfernung aus dem Amt ins Parlament ein. Unterstützer McCarthys versuchten am Dienstag zunächst, den Antrag mit einem Gegenantrag abzuschmettern und eine Abstimmung über eine mögliche Absetzung des Vorsitzenden zu verhindern. Die nötige Mehrheit dafür kam aber nicht zustande.

Noch nie dagewesen

Das US-Repräsentantenhaus stand zum ersten Mal seit mehr als hundert Jahren vor einer Abstimmung über eine mögliche Absetzung seines Vorsitzenden. Es war das erste derartige Votum im Plenum der Kammer seit 1910. Ein Antrag auf Absetzung des Vorsitzenden ist extrem rar im US-Repräsentantenhaus. In der Geschichte der Kongresskammer wurden bisher nur dreimal solche Anträge vorgebracht. Und nur einmal kam es bisher zu einer Abstimmung im Plenum der Kammer darüber. Noch nie zuvor aber hatte ein Vorsitzender sein Amt auf diesem Weg verloren.

Bumerang kommt zurück

Die Absetzung McCarthys war von diesem zu einem nicht geringen Anteil selbstverschuldet. Er hatte bereits bei der Wahl zum „Speaker“ mit einer Revolte des Rechtsaußen-Flügels seiner Fraktion zu kämpfen, allen voran Gaetz. Es waren historisch bisher einmalige 15 Wahlgänge nötig, damit McCarthy schließlich gewählt wurde. Er versprach Gaetz und anderen dafür im Gegenzug ein erleichtertes Prozedere, um die Absetzung des Vorsitzenden zu beantragen. Dieses Zugeständnis kam nun als Bumerang zu McCarthy zurück.

Gaetz wirft McCarthy unter anderem vor, er mache gemeinsame Sache mit dem demokratischen Präsidenten Joe Biden, statt für die republikanische Fraktion zu arbeiten. Anlass ist der Haushaltsstreit in den USA. Der Hardliner Gaetz stört sich unter anderem daran, dass McCarthy am Wochenende mit den Stimmen von Demokraten einen drohenden Stillstand der Regierung im letzten Moment abgewendet hatte. Er wirft seinem Parteikollegen aber auch Verstöße gegen Absprachen vor. Gaetz sagte in der Debatte, McCarthy sei nicht zu trauen.

Kongresskammer vorerst lahmgelegt

Die Kongresskammer dürfte jetzt vorerst lahmgelegt werden durch die Wahl eines oder einer neuen Vorsitzenden. Bis die Personalie geklärt ist, liegt jede restliche gesetzgeberische Arbeit auf Eis. Das parlamentarische Chaos fällt mitten in eine Zeit, in der der Kongress unter anderem einen Bundeshaushalt verabschieden muss, da der Übergangshaushalt Mitte November ausläuft. Ist bis zu der Frist kein neues Budget verabschiedet, steuern die USA einmal mehr auf einen vorübergehenden Stillstand der Regierungsgeschäfte zu, einen „Shutdown“.

Das US-Parlament hat außerdem über neue Hilfen für die Ukraine zu entscheiden. In dem am Wochenende verabschiedeten Übergangshaushalt sind keine weiteren Hilfen für das von Russland angegriffene Land vorgesehen. Das heißt nicht, dass die USA die Ukraine ab sofort nicht mehr unterstützen. Allerdings geht das bisher genehmigte Geld zur Neige, neue Mittel müssen her. Die parteiinternen Kämpfe bei den US-Republikanern haben daher auch internationale Auswirkungen.