Wirecard: Ex-AR-Chef spricht in Prozess von „Spionagethriller“

Der letzte Wirecard-Aufsichtsratschef ist nach seinem Amtsantritt von den Zuständen bei dem Zahlungsdienstleister überrascht worden. „Wer ist schon davon ausgegangen, sich in einer Art Spionagethriller wiederzufinden, wenn er im Aufsichtsrat eines DAX-Unternehmens sitzt“, sagte der frühere Aufsichtsratsvorsitzende Thomas Eichelmann heute als Zeuge im Wirecard-Betrugsprozess vor dem Landgericht München.

Der frühere Finanzchef der Deutschen Börse gehörte dem Kontrollgremium in den letzten zwölf Monaten vor der Pleite des Münchner Unternehmens im Jahr 2020 an.

Eichelmann berichtete von mitunter chaotischen Abläufen in den höchsten Gremien. So habe der Vorstand einmal eine Firmenübernahme ohne detaillierte Unterlagen vom Aufsichtsrat absegnen lassen wollen. „Das war wie bei einem Shoppingkanal“, sagte Eichelmann. „Wenn ich jetzt nicht zuschlage, dann gibt’s keine Waschmaschine mehr zu dem Preis.“ Er habe Entscheidungen auf dieser Grundlage abgelehnt.

Ebenso habe er nach seinem Amtsantritt unterbinden wollen, dass Finanzberichte „erst fünf Minuten vor Redaktionsschluss“ zur Billigung beim Aufsichtsrat eingereicht würden.

Zunächst keine Vorwürfe gegen Braun

Bisher beschuldigte Eichelmann in seiner zweitägigen Einvernahme den wegen mutmaßlichen Milliardenbetrugs vor Gericht stehenden Ex-Vorstandschef Markus Braun keiner Straftaten. Der Aufsichtsrat habe sich über Braun geärgert, als er in einer im April 2020 geforderten Ad-hoc-Meldung keine Mängel genannt habe. Für eine Abberufung habe es nach Meinung der Rechtsanwältin aber nicht gereicht.

Das Aus für Braun kam zwei Monate später – wenige Tage, bevor der Konzern Insolvenz anmeldete. „Herr Dr. Braun hatte wenige Minuten zu überlegen, ob ich ihn rausnehme oder ob er freiwillig zurücktritt“, sagte Eichelmann. Braun entschied sich für „freiwillig“.