Einsatzkräfte am Unfallort
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21 Tote

Kamera auf Brücke filmte Busunglück in Mestre

Das Busunglück in Mestre nahe Venedig mit 21 Toten und 18 Verletzten ist offenbar von einer Verkehrskamera mitgefilmt worden, wie am Mittwoch bekanntwurde. Von den Aufnahmen erhofft man sich Aufklärung über den Unfallhergang. Vor allem der bei dem Unglück ebenfalls getötete Fahrer steht im Zentrum der Ermittlungen.

Um den Unfallhergang zu rekonstruieren, werten Ermittler die Bilder von Überwachungskameras aus. Aufschluss erhoffen sie sich vor allem von einer Überwachungskamera, die an der Unglücksstelle den Verkehr im Blick hat.

Der Geschäftsführer des Busunternehmens, Massimo Fiorese, wurde vom italienischen Sender RAI mit den Worten zitiert: „Was wir wissen, ist, dass es eine feste Kamera auf der Brücke gibt. Aus dem, was ich auf den Bildern gesehen habe, sieht man den Bus mit weniger als 50 km/h kommen. Man sieht die Bremslichter aufleuchten. Also hat er gebremst. Dann sieht man, wie das Fahrzeug sich an die Leitplanke lehnt, umkippt und herunterfällt.“ Auf dem Video soll jedoch die entscheidende Szene des Absturzes durch einen anderen Bus verdeckt sein – man sieht nur aus der Ferne, wie der Bus über die Leitplanke stürzt, heißt es indes aus anderen Quellen.

Außenministerium: Keine Österreicher unter Opfern

Laut Außenministerium sind keine Österreicher oder Österreicherinnen beteiligt. Zunächst hatten die Gesundheitsbehörden der Region Venetien gegenüber der APA von zwei verletzten Kindern aus der Alpenrepublik gesprochen. Bei diesen soll es sich nach neuesten Informationen um deutsche Staatsbürger handeln.

„Es gibt keine Informationen, dass Österreicher beteiligt sind“, sagte eine Sprecherin des Außenamts der APA. Das Generalkonsulat stehe in ständigem Austausch mit den lokalen Behörden.

Identifizierung der Toten könnte dauern

Wegen der verschiedenen Staatsangehörigkeiten der Todesopfer und der Verletzten gestaltete sich die Identifizierung schwierig. Die italienische Nachrichtenagentur ANSA berichtete am Abend unter Berufung auf die zuständige Präfektur, dass sich unter den Opfern neun ukrainische Staatsbürger, vier Rumänen, drei Deutsche, zwei Portugiesen, ein Kroate, ein Südafrikaner und ein Italiener befänden.

Rettungseinheiten berichteten davor, dass zu den Opfern mindestens fünf ukrainische Staatsbürger, ein Deutscher, ein Franzose und ein Kroate zählten. Ums Leben kamen demnach mindestens zwei Kinder und der Busfahrer. Die Toten befanden sich in einer Leichenhalle in Mestre. Die Verletzten lagen in verschiedenen Krankenhäusern der Region, darunter Padua und Treviso.

Wegen des Brandes wurde befürchtet, dass es längere Zeit dauern könnte, bis die Identität aller Todesopfer mit Sicherheit festgestellt ist. „Es ist schwierig, den Opfern eine Identität zu geben. Viele hatten keine Dokumente bei sich“, sagte der Staatsanwalt von Venedig, Bruno Cherchi, dem italienischen Fernsehsender RaiNews24 am Mittwoch. Es sei schwierig, Angehörigen Namen mit Sicherheit zu nennen. Er, Cherchi, habe daher die Gerichtsmedizin angewiesen, gegebenenfalls DNA-Tests durchzuführen, um die Identität sicher festzustellen. Die Staatsanwaltschaft wolle den Angehörigen so schnell wie möglich die Leichname übergeben.

Man habe unterdessen bereits begonnen, mit einigen verletzten Überlebenden zu sprechen, so Cherchi weiter. Von den Verletzten seien allerdings nur „drei oder vier“ in der Lage zu sprechen. Wie Cherchi berichtete, war der Fahrer eines anderen Busses der erste, der nach dem Sturz Erste Hilfe leistete und einen Feuerlöscher hinunterwarf. Die Verletzten sollen aus Deutschland, der Ukraine, Spanien, Frankreich und Kroatien kommen.

Fahrer im Fokus der Ermittlungen

Der ebenfalls getötete Fahrer des Busses, ein 40 Jahre alter Italiener aus norditalienischen Provinz Treviso, steht im Zentrum der Aufmerksamkeit. Weil unklar ist, warum der Bus kurz nach Einbruch der Dunkelheit gegen 19.45 Uhr so plötzlich von der Brücke stürzte, gilt ihm nun das besondere Interesse. Nach Auskunft von Kollegen war er ein zuverlässiger Mann mit vielen Jahren Berufserfahrung. Der Bus gehört einem Unternehmen namens La Linea Spa, gechartert wurde er von einem Campingplatz in Marghera. Der Unfall passierte nur rund drei Kilometer vor der Rückkehr zu dem Campingplatz, wie es hieß.

Zehn Meter in Tiefe gestürzt

Bei einem Busunglück im norditalienischen Mestre (Venedig) hat es Dienstagabend 21 Tote und mehrere Verletzte gegeben, fünf Menschen schweben in Lebensgefahr. Ein Bus kam von einer Brücke ab und stürzte etwa zehn Meter in die Tiefe auf die neben der Straße verlaufenden Bahngleise. Die Staatsanwaltschaft leitete Ermittlungen ein.

Die Staatsanwaltschaft leitete noch in der Nacht Ermittlungen ein. Spekuliert wird, dass der Fahrer durch einen Schwächeanfall die Kontrolle über den Bus verloren haben könnte – oder auch, dass er eingeschlafen ist. Auch der italienische Verkehrsminister Matteo Salvini von der Lega sprach im Fernsehsender Rete4 von der Vermutung, dass der Unfall womöglich auf ein plötzliches Unwohlsein oder einen Krankheitszustand des Fahrers zurückzuführen sein könnte.

Keine Bremsspuren entdeckt

Derzeit sei die Hauptvermutung, dass der Busfahrer während der Fahrt gesundheitliche Probleme bekommen habe, so auch der Regierungschef der Region Venetien, Luca Zaia. Nach ersten Angaben wurden auf der Straße keine Bremsspuren entdeckt, was eben als Hinweis auf einen Schwächeanfall oder Ähnliches des Fahrers gedeutet wurde. Auch der Zustand der etwa 70 Jahre alten Brücke soll überprüft werden. Doch auch andere Möglichkeiten werden allerdings nicht ausgeschlossen, wie es ohne genauere Angaben hieß.

Der Vorsitzende eines Verbands von Verkehrsunfallopfern, Domenico Musicco, sagte, es handele sich um „eine Tragödie mit Ankündigung“. Die betroffene Straße hätte eigentlich modernisiert werden müssen, um einen Busabsturz auszuschließen. Die Straße sei nur durch „ein einfaches Geländer“ gesichert gewesen, betonte der Betreiber des Unfallfahrzeugs, Massimo Fiorese, gegenüber der italienischen Nachrichtenagentur ANSA. Vor fünf Jahren war im norditalienischen Genua eine marode Autobahnbrücke eingestürzt, damals starben 43 Menschen.

„Batterien fingen nach Aufprall Feuer“

Der Unfall ereignete sich auf der Überführung der Auffahrt, die von Mestre nach Marghera und zur Autobahn A4 Venedig – Triest führt. Der Bus durchbrach aus noch ungeklärten Gründen das Geländer, stürzte ab und geriet auf die Stromleitungen und dann auf die Gleise des Bahnhofs von Mestre, wo er in Brand geriet. Der Bus wurde nach mehreren Stunden mit einem Kran der Feuerwehr entfernt.

Einsatzkräfte der Feuerwehr an der Unfallstelle
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Einsatzkräfte nach dem Löschen des Busses am Unfallort

Einige der Opfer, die geborgen wurden, sollen verbrannt sein. Dutzende Feuerwehrleute waren im Einsatz, um die Flammen zu löschen. Die Verletzten wurden in Krankenhäuser in Mestre, Padua und Treviso eingeliefert. „Die Batterien des Busses fingen unmittelbar nach dem Aufprall Feuer. Wir mussten auf die Abkühlung der Batterien warten, um das Fahrzeug entfernen zu können“, berichtete ein Feuerwehrmann.

Sicherheits und Rettungskräfte an der Unfallstelle
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Zahlreiche Einsatzkräfte befanden sich am späten Abend am Unfallort

Arbeiter schildert Rettung

Zwei junge Arbeiter der Reederei Fincantieri, die das Unglück beobachtet hatten, liefen zum Bus und versuchten, die Menschen zu retten, die in dem Fahrzeug eingeklemmt waren. Der 27-jährige Boubacar Toure, der aus Gambia stammt und in Mestre arbeitet, schilderte in einer Videoaufnahme, wie er ein kleines Mädchen, fünf Personen und einen Hund aus dem Fahrzeug befreite.

„Eine schreckliche Tragödie hat unsere Gemeinschaft getroffen. Ich habe sofort einen Trauertag zum Gedenken an die vielen Opfer angeordnet, die in dem verunglückten Bus waren. Wir haben eine apokalyptische Szene erlebt, es gibt keine Worte“, schrieb Brugnaro auf Facebook.

Meloni und Tajani kondolieren

Der Patriarch von Venedig, Francesco Moraglia, erreichte den Unglücksort in Begleitung von Bürgermeister Brugnaro. Moraglia sprach ein Gebet und segnete anschließend die Leichen, die mit weißen Tüchern bedeckt waren. Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und Vizepremier Antonio Tajani drückten den Familien ihr Beileid aus. Staatschef Sergio Mattarella telefonierte mit Brugnaro und kondolierte den Familien der Opfer. Auch EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen trauerte um die Opfer.

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), der am Mittwoch im Rahmen eines Arbeitsbesuchs in Rom von Mattarella im Präsidialpalast Quirinal empfangen wurde, kondolierte den Familien der Todesopfer. Er bezeichnete das schwere Busunglück als Tragödie und wünschte den Verletzten eine baldige Genesung.

Zehntausende Tagesbesucher täglich in Venedig

Der bisher schwerste Unfall dieser Art in Italien hatte sich am 28. Juli 2013 ereignet. Ein Reisebus mit rund 50 Passagieren und Passagierinnen, die alle aus der Provinz Neapel stammten und sich auf der Rückreise von einem dreitägigen Ausflug befanden, war in der Nähe von Avellino, rund 50 Kilometer östlich von Neapel, von einem 30 Meter hohen Viadukt gestürzt. 38 Menschen waren auf der Stelle tot, zwei starben an den Folgen ihrer Verletzungen.

Venedig ist eine der meistbesuchten Städte der Welt. Zu Spitzenzeiten übernachten in der Lagunenstadt 100.000 Touristen pro Nacht, dazu kommen Zehntausende Tagesbesucher.