Kindergarten in Wien
ORF/Christian Öser
Kindergartenpersonal

Rufe nach ehrgeizigeren Ausbildungsplänen

In den Kindergärten mangelt es an Personal, bis 2030 werden Tausende zusätzliche Fachkräfte benötigt. In dem am Donnerstag von ÖVP-Bildungsminister Martin Polaschek angekündigten Ausbau von Ausbildungsplätzen sehen Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung wichtige Schritte. Laut WKO müssen weitere Maßnahmen folgen. Kritik kam vom Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB) und der younion-Kindergartengewerkschaft.

Um den Status quo halten zu können, werden bis 2030 an den heimischen Kindergärten 13.700 weitere Fachkräfte benötigt. Sollen die Kindergartenplätze ausgebaut und Rahmenbedingungen verbessert werden (Stichwort Kleingruppen), werden laut einer vom Ministerium beauftragten Studie bis dahin sogar bis zu 20.000 Fachkräfte benötigt. Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) hatte etwa Anfang September angekündigt, dass die Regierung 50.000 neue Kinderbetreuungsplätze bis 2030 schaffen möchte.

Polaschek räumte im Zuge der Pressekonferenz ein, dass der von der Regierung angekündigte Ausbau der Kindergartenplätze bei dem von ihm präsentierten „Maßnahmenbündel“ noch nicht berücksichtigt sei. Insgesamt 8.750 zusätzliche Fachkräfte sollen seinen Worten nach in den kommenden Jahren aber ausgebildet werden.

Bildungsminister Martin Polaschek
IMAGO/SEPA.Media/Martin Juen
ÖVP-Bildungsminister Martin Polaschek kündigt Ausbildungsoffensive an

Kindergartengewerkschaft beklagt „Nebelkerze“

Aus der Praxis kommt regelmäßig Kritik an zu großen Gruppen und schlechten Betreuungsschlüsseln, zuletzt hat das Personal der Kindergärten mehrmals für bessere Rahmenbedingungen demonstriert.

Besonders heftig fiel am Donnerstag die Kritik der Kindergartengewerkschaft younion aus: „Nach der PR-Blase von Bundeskanzler Karl Nehammer (Stichwort: ‚4,5 Milliarden Euro für Kindergärten bis 2030‘) hat nun Bildungsminister Martin Polaschek die nächste Nebelkerze gezündet“, heißt es in einer Aussendung. „Wer genau hingehört hat, der hat den Denk- und Rechenfehler sofort erkannt“, sagte Manfred Obermüller, stellvertretender Vorsitzender in der younion. Und weiter: „Diese sogenannte Ausbildungsoffensive bringt genau so viel Personal, wie bis 2030 verloren geht.“

Ausbau der Ausbildung für Elementarpädagogen

ÖVP-Bildungsminister Martin Polaschek hat einen Ausbau der Ausbildungsplätze für Elementarpädagoginnen und -pädagogen vorgestellt. Laut einer eigens in Auftrag gegebenen Studie würden bis 2023 rund 13.700 Elementarpädagogen fehlen, weshalb ein Ausbau in drei Ausbildungsbereichen geplant ist. Konkret soll es mehr Plätze in Kollegs, für Quereinsteiger und eine konkrete Weiterbildung für ausgebildete Assistenzkräfte geben.

„Da gehört schon viel Dreistigkeit dazu, so etwas als großen Erfolg verkaufen zu wollen – oder es ist völlige Ahnungslosigkeit. Der Minister hat ja nicht einmal einberechnet, dass sein eigener Bundeskanzler das Bildungsangebot noch ausbauen will“, kritisierte Judith Hintermeier, Bundesfrauenreferentin in der younion und selbst Pädagogin.

ÖGB fordert bessere Arbeitsbedingungen

Kritisch äußerte sich auch der ÖGB. Die über 8.700 weiteren Ausbildungsplätze bis 2030 seien „zwar ein Schritt in die richtige Richtung, reichen jedoch bei Weitem nicht aus, um das akute Problem des Fachkräftemangels in österreichischen Kindergärten zu lösen“, betonte Korinna Schumann, ÖGB-Vizepräsidentin und -Frauenvorsitzende.

Schumann sagte in der Aussendung auch, dass die Lösung des Fachkräftemangels nicht nur zusätzliche Ausbildungsplätze erfordert, sondern auch bessere Arbeitsbedingungen und Anreize, um qualifizierte Fachkräfte in diesem Bereich zu halten und neue zu gewinnen.

WKO: Lob mit Aber

Bei der WKO war von einem „wichtigen Lückenschluss für den Ausbau der frühkindlichen Bildung“ die Rede. Nach Wirtschaftskammer-Berechnungen sind bis zum Jahr 2030 allerdings zusätzlich rund 26.800 Betreuerinnen und Betreuer erforderlich, um die elementare Bildung und Betreuung in Österreich qualitativ und quantitativ auszubauen.

„Um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen, muss an vielen Stellschrauben gleichzeitig gedreht werden. Wir brauchen ein ganzes Bündel an Ausbildungsmöglichkeiten für alle interessierten Zielgruppen“, sagte Melina Schneider, Leiterin der Bildungspolitik in der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) in einer Aussendung. So sollten laut Schneider etwa die Angebote für Erwachsene zügig ausgebaut werden – auch berufsbegleitend für Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger sowie für Personen ohne Matura.

Die Industriellenvereinigung äußerte sich per Aussendung positiv zu den Plänen. Angesichts der Regierungspläne zur Kinderbetreuung brauche es „ausreichend qualifizierte Elementarpädagoginnen und Elementarpädagogen. Dafür ist eine Ausbildungsoffensive unerlässlich. Die heute vorgestellten Maßnahmen und die Erleichterung des Quereinstiegs sind dafür erste wichtige Schritte“, so IV-Generalsekretär Christoph Neumayer. Die IV forderte die Ausweitung der Öffnungszeiten und die Festlegung einheitlicher Qualitätskriterien.

Elementarpädagogik: Viele Absolventen gehen anderen Weg

Regulär werden Kindergartenpädagoginnen und -pädagogen an den Bundesbildungsanstalten für Elementarpädagogik (BAfEP) ausgebildet, vor allem an den fünfjährigen Langformen mit Maturaabschluss. Aus diesen gehen derzeit allerdings nur 55 Prozent der Absolventinnen und Absolventen nach der Matura tatsächlich in den Kindergarten. An den BAfEPs gibt es außerdem noch Kollegs für Erwachsene, wegen der deutlich höheren Übertrittsraten aus diesem Ausbildungsbereich wurden hier bereits in den vergangenen Jahren die Plätze ausgebaut.

Auf diese Schiene will das Ministerium auch weiterhin setzen. Bis 2030 soll es über die Kollegs 6.300 zusätzliche Absolventinnen und Absolventen geben. Darüber hinaus wurden verschiedene Angebote für Quereinsteiger geschaffen, die das Ministerium neuerdings über sein Quereinsteigerportal „Klasse Job“ offensiv bewirbt. Dazu kommt noch das Programm „Elementar+“, über das sich Assistenzkräfte zu gruppenführenden Pädagoginnen und Pädagogen weiterbilden lassen können. Insgesamt sollen über diese Angebote bis 2030 für das Berufsfeld 8.750 weitere Fachkräfte ausgebildet werden.

Elementarpädagogen fehlen

Bis 2030 werden in den Kindergärten 13.700 zusätzliche Fachkräfte benötigt. Die angekündigten Ausbaupläne der Regierung sind hier noch nicht eingerechnet, in der Praxis gibt es schon jetzt zu wenig Personal. Das Bildungsministerium hat deshalb eine Ausbildungsoffensive gestartet, um den zusätzlichen Bedarf zu decken. Die Zahlen würden zeigen, dass die Bemühungen greifen, betonte ÖVP-Ressortchef Martin Polaschek vor Journalisten.

Dazu kommen noch jene 7.000 Absolventinnen und Absolventen der BAfEP-Langformen, die realistischerweise nach dem Abschluss im Kindergarten arbeiten. Mittelfristig soll der Anteil an Absolventen, die ins Feld gehen, auf 75 Prozent gesteigert werden, was noch zusätzliches Personal brächte. Damit das Fachpersonal im Feld bleibt, müssten freilich auch die Arbeitsbedingungen in den Kindergärten passen, so Polaschek.

Für diese sind – mit Ausnahme der Ausbildung des Personals – zwar die Länder zuständig. Man sei aber in engem Austausch und arbeite im Rahmen des EU-Programms „Instrument für technische Unterstützung (TSI)“ auch gemeinsam mit Bundesländern, Sozialpartnern und anderen wichtigen Akteuren daran, die Rahmenbedingungen bundesweit zu verbessern.