Mitglieder der „Operation Dudula“ demonstrieren vor einem Krankenhaus im Atteridgeville Township, westlich von Südafrikas Hauptstadt Pretoria
APA/AFP/Phill Magakoe
Südafrika

Bürgerwehr drängt auf Politparkett

„Operation Dudula“ heißt jene Bürgerwehr, die sich seit gut zwei Jahren in Südafrika ausbreitet. Die Gruppe ist berüchtigt dafür, Geschäfte von Migrantinnen und Migranten zu überfallen. Mit einem angeblich weniger militanten, dafür aber stramm migrationsfeindlichen Kurs drängt die Gruppierung nun aufs Politparkett. Im kommenden Jahr wird gewählt.

„Dudula“ ist isiZulu und bedeutet so viel wie „vertreiben“. Der Name ist Programm: Migrantinnen und Migranten ohne Aufenthaltstitel aus dem Land zu vertreiben ist das Kernanliegen der 2021 im Johannesburger Township Soweto gegründeten Gruppierung. In ihnen sehen Anhängerinnen und Anhänger der Bürgerwehr die Schuldigen für die Drogenkriminalität und die hohe Arbeitslosigkeit im Land. Jeder dritte Südafrikaner bzw. jede dritte Südafrikanerin ist aktuellen Daten zufolge ohne Arbeitsplatz.

„Wir müssen hier realistisch sein, dass die meisten Probleme, die wir haben, durch den Zustrom von Ausländern verursacht werden“, behauptete Zandile Dabula, die im Juni zur Präsidentin von „Operation Dudula“ gewählt wurde, erst kürzlich im BBC-Interview. Ausländische Staatsbürger würden an einem 20-Jahres-Plan zur Übernahme Südafrikas arbeiten, spekuliert sie – räumt auf Nachfrage aber ein, dass das ein Gerücht sei, das sie allerdings für wahr halte.

Mitglieder der „Operation Dudula“ demonstrieren in Südafrikas Hauptstadt Pretoria
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Mitglieder der „Operation Dudula“ demonstrieren in Südafrikas Hauptstadt Pretoria

„Operation Dudula“ als politische Partei registriert

Mit den klar fremdenfeindlichen Parolen will „Operation Dudula“ an die Schalthebel der Macht. Die Bürgerwehr registrierte sich vor Kurzem als politische Partei. Geplant ist, bei den Parlamentswahlen im kommenden Jahr um Sitze zu kämpfen. In sieben der neun südafrikanischen Provinzen will die Gruppierung Präsenz zeigen. Konkret will „Operation Dudula“ in 1.500 der 4.468 Wahlbezirke des Landes Kandidaten aufstellen.

Dass Anhänger der Gruppe das Recht in ihre eigene Hand nehmen, bescherte der Bewegung bisher zunehmend Sympathien. Unter anderem forderten diese Inhaber von Geschäften zum Vorzeigen der Arbeitsgenehmigungen ihrer Mitarbeiter auf, vertrieben ausländische Kleinhändler von ihren Arbeitsplätzen, hielten Migranten laut Ärzte ohne Grenzen vom Betreten von Spitälern ab und organisierten Proteste vor Botschaften. Die dpa berichtete im Frühling 2022, dass Lkw-Fahrer aus Nachbarstaaten nach brutalen Attacken auf südafrikanischen Routen zum Selbstschutz in Konvois fuhren.

Zwischen Hassparolen und Imagepolitur

Die Gewalt richtet sich vor allem gegen Menschen aus anderen afrikanischen Ländern. Bei der ersten nationalen Versammlung der Gruppierung im Mai in Johannesburg hätten Anhänger der Gruppe – die vielfach militärisch anmutende Kleidung tragen – laut BBC gesungen: „Verbrennt den Ausländer. Wir werden zur Tankstelle gehen, Benzin kaufen und den Ausländer verbrennen.“ Von Zivilrechtsgruppen wurde die Bewegung wegen rechtswidriger Räumungen und unzulässiger Staatsbürgerschaftskontrollen geklagt.

Vor den Wahlen 2024 will die Gruppe allerdings einen Imagewandel vollziehen, wie der „Guardian“ berichtet. „Wir möchten Operation Dudula entmilitarisieren“, sagte der Sprecher Isaac Lesole der Zeitung. „Jetzt, wo wir eine neue Haltung eingenommen haben, müssen wir garantieren, dass wir noch viel erreichen können, ohne dass Menschen militant sind und Dinge töten oder treten. Als politische Partei gelten für uns andere Regeln“, sagte er. An der fremdenfeindlichen Ideologie hält die Bewegung fest. Wie ihr weiteres Programm ausgestaltet sein soll, ist unklar.

Mythos Massenmigration

Die xenophobe Rhetorik seitens Politikern, öffentlichen Persönlichkeiten und Bürgerwehren habe den Mythos, wonach das Land von Immigranten überlaufen werden, befeuert, heißt es bei BBC. In Zahlen spiegelt sich das aber nicht wider: Knapp 60 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner zählt Südafrika (Stand 2021). Die Zahl der Migranten im Land beziffert das Institut für Sicherheitsstudien (ISS) mit 3,95 Millionen. Das seien 6,5 Prozent der Bevölkerung, heißt es im Bericht weiter. Umfasst seien ISS zufolge alle Immigranten, unabhängig von deren rechtlichem Status.

Eine Mehrheit der Bevölkerung würde ausländische Staatsbürger als Bedrohung ansehen, warnten Fachleute unter Verweis auf Daten des South African Social Attitudes Survey von 2021. Die Fremdenfeindlichkeit habe demnach seit Beginn der Coronavirus-Pandemie zugenommen.

Ausschreitungen als Ursprung

„Operation Dudula“ formierte sich in Reaktion auf Ausschreitungen, die im Juni 2021 in den Provinzen KwaZulu-Natal und Gauteng ausgebrochen waren. In Abwesenheit der Polizei hatten sich Bürgerwehren formiert, die lokale Geschäfte vor Dieben und Überfällen schützten. Das Township Soweto, in welchem die Bürgerwehr ihren Ursprung hat, stand einst an der Spitze des Widerstands gegen die Apartheid und war die Heimat von Nelson Mandela, dem ersten demokratisch gewählten Präsidenten Südafrikas.

ISS-Forscherin Lizette Lancaster sagte zum „Guardian“, dass das „chronische Versagen“ des südafrikanischen Staates – konkret florierende Korruption, hohe Arbeitslosigkeit und Gewalt – den geeigneten Nährboden für den Erfolg der Gruppierung schuf.

„Die Menschen sind verzweifelt, die Menschen leiden, und folglich wenden sie sich an die Schwächsten und das einfachste Ziel, nämlich Migranten, insbesondere illegale Migranten und diejenigen, die keine Dokumente haben“, sagte Dale McKinley von der Anti-Rassismus-Gruppe Kopanang Africa Against Xenophobia (KAAX) zu al-Jazeera. Tatsächlich würden Migranten aber keine Belastung darstellen, sondern einen erheblichen Beitrag zur Wirtschaft leisten, so Nomzamo Zondo vom Institut für sozioökonomische Rechte (SERI).

Dass „Operation Dudula“ bei den Wahlen 2024 Mehrheiten gewinnt, wird zwar nicht erwartet. „Der zersplitterte Charakter der südafrikanischen Politik bedeutet, dass kleine Parteien die Bildung von Koalitionsregierungen beeinflussen können – und im Gegenzug große Zugeständnisse fordern“, heißt es in der Zeitung aber weiter.

ANC hadert mit fremdenfeindlichem Kurs

Etablierte Parteien wie die regierende African National Congress (ANC) tun sich im Umgang mit der aufstrebenden Bewegung jedenfalls schwer. Präsident Cyril Ramaphosa bezeichnete „Operation Dudula“ im April als „bürgerwehrähnliche Kraft“, die „illegale Handlungen“ gegen Ausländer ergreife. Die Unterstützung für ANC schwindet unter der Bevölkerung allerdings seit Jahren – Umfragen zufolge könnte die Partei erstmals überhaupt unter die 50-Prozent-Marke fallen.

Doch abgesehen von Ramaphosas Kritik lassen sich ausländerfeindliche Parolen auch beim ANC finden: ANC-Sprecher Pule Mabe gab im Vorjahr im Interview mit „Mail&Guardian“ an, dass „Operation Dudula“ die Ansichten des ANC bestätige. Ausländer, so seine Worte, würden ins Land kommen, um Drogen zu verkaufen und illegale Geschäfte zu führen. Auch die linksradikale Partei Kämpfer für wirtschaftliche Freiheit (Economic Freedom Fighters, EFF) warb angesichts der Stimmung im Land dafür, mehr Südafrikaner in Lokalen anzustellen. „Letztlich wird Dudula nicht die einzige Partei sein, die rechts oder einwanderungsfeindlich ist“, sagte Amir Sheikh, Sprecher des African Diaspora Forum.