Tagung von internationalen Völkerrechtsexperten in Wien

Eine internationale Konferenz hat gestern und heute in Wien Völkerrechtsexperten und -expertinnen aus aller Welt versammelt. Thema der Konferenz waren die Kompetenzen des Internationalen Strafgerichtshofes (IStGH) in Den Haag und die Ahndung von Kriegsverbrechen, nicht zuletzt mit Blick auf den Ukraine-Krieg.

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) hatte in seinen Eröffnungsworten auf Ermittlungsergebnisse der UNO-Untersuchungskommission für die Ukraine, die in Wien tätig ist, hingewiesen. Die Kommission war per Resolution des UNO-Menschenrechtsrates eingerichtet worden. Sie befasst sich mit „allen mutmaßlichen Menschenrechtsverletzungen und Verletzungen des humanitären Völkerrechts und damit verbundenen Verbrechen im Kontext der Aggression Russlands gegen die Ukraine“.

„Die Untersuchungskommission (…) hat bestätigt, dass die russischen Truppen Kriegsverbrechen und schwere Verletzungen des humanitären Völkerrechts begangen haben“, hielt Schallenberg fest. „Die Straftäter müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Es darf keine Straflosigkeit geben, auch nicht, was das Verbrechen der Aggression betrifft.“

IStGH nicht für alle Tatbestände zuständig

Der IStGH ist für drei der vier großen Tatbestände des Völkerstrafrechts zuständig: Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, etwa wenn absichtlich zivile Ziele angegriffen werden, sowie Völkermord, wenn mit Absicht Bevölkerungsgruppen ganz oder teilweise vernichtet werden.

Der Tatbestand der Aggression, der nach Ansicht westlicher Völkerrechtsexperten im Falle des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine klar vorliegt, ist nur für 45 der 123 IStGH-Vertragsstaaten, die ein Zusatzprotokoll zu dem Thema ratifiziert haben, dabei. Der IStGH kann einen Angriffskrieg außerdem nur dann verfolgen, wenn sowohl der angreifende als auch der angegriffene Staat IStGH-Mitglieder sind und beide das Zusatzprotokoll ratifiziert haben.

Lücke soll geschlossen werden

Russland boykottiert den IStGH gänzlich. Die Ukraine ist kein IStGH-Vertragsstaat, sie hat lediglich 2014 die Möglichkeit ergriffen, eine Erklärung abzugeben, die dem IStGH Zuständigkeit für das ukrainische Territorium einräumt.

Diese Erklärung erlaubt die laufenden Ermittlungen bei der Wiener Untersuchungskommission und am IStGH zu Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Ermittlungen zum Tatbestand der Aggression sind dagegen bisher ausgeklammert.

Diese Lücke soll nun geschlossen werden. So will es jedenfalls eine Kerngruppe aus Österreich, der Schweiz, Liechtenstein und Slowenien. An einer Podiumsdiskussion genau zu diesem Thema zum Abschluss der Konferenz nehmen heute auch Justizministerin Alma Zadic (Grüne) und der ukrainische Botschafter in Wien, Wassyl Chymynez, teil.