Israels Premier Benjamin Netanjahu
Reuters/ ABIR SULTAN
Netanjahu zu Angriffen aus Gaza

„Bürger Israels, wir sind im Krieg“

Die radikalislamische Hamas hat dem israelischen Militär zufolge am Samstag vom Gazastreifen aus Israel aus der Luft, am Boden und vom Meer aus angegriffen. Israels Armee erklärte daher der Hamas die Kriegsbereitschaft. „Bürger Israels, wir sind im Krieg“, so Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in einer Videobotschaft aus dem Militärhauptquartier in Tel Aviv. Nach ersten Angaben gibt es mehrere Todesopfer.

Die israelische Armee nannte ihre Verteidigungsaktion „Iron Swords“ (Eiserne Schwerter). Die Kriegsbereitschaft ermöglicht es der Armee beispielsweisem Reservisten zu mobilisieren. Der israelische Verteidigungsminister Joav Galant sagte: „Die Hamas hat heute Morgen einen schweren Fehler begangen und einen Krieg gegen den Staat Israel begonnen.“

Die israelische Luftwaffe führt nach Angaben eines Sprechers nun Luftschläge in Gaza aus. Ein Zeuge berichtet von Explosionen im Gazastreifen und in Gaza-Stadt. Galant rief die Bürger und Bürgerinnen dazu auf, den Anweisungen der Behörden Folge zu leisten und sagte: „Israel wird diesen Krieg gewinnen.“ Dem schloss sich Netanjahu in seiner Videobotschaft an. „Unser Feind wird einen Preis bezahlen, wie er ihn noch niemals kennengelernt hat“, sagte er.

Raketen werden aus Gaza abgefeuert
Reuters/Mohammed Salem
Hunderte Raketen sollen vom Gazastreifen aus abgefeuert worden sein

Unterdessen wurde bekannt, dass bei Kämpfen mit bewaffneten Angreifern aus dem Gazastreifen der Präsident des Regionalrats der israelischen Grenzorte nordöstlich des Palästinensergebietes getötet worden sei. Ofir Liebstein sei „bei einem Schusswechsel mit Terroristen“ umgekommen, teilte der Regionalrat von Shaar Negev mit.

Hamas will „Verbrechen“ Israels ein Ende setzen

Die Hamas erklärte in der Früh den Beginn einer „Militäroperation“ gegen Israel. Die Hamas habe beschlossen, israelischen „Verbrechen“ ein Ende zu setzen, sagte der Militärchef Mohammed Deif. Einem Sprecher des israelischen Militärs zufolge schossen die Palästinenser mindestens 2.200 Raketen auf Israel. Es gebe momentan Kämpfe mit israelischen Soldaten an verschiedenen Orten im Umkreis des Gazastreifens.

Dazu zählten zwei Militärbasen, der Eres-Übergang zum Gazastreifen sowie mehrere Ortschaften. Es gebe Opfer auf israelischer Seite, man könne aber noch keine Zahlen nennen. Palästinensische Kämpfer halten einem Bericht des TV-Senders Reshet 13 zufolge in der südisraelischen Stadt Ofakim israelische Geiseln fest. Dafür gab es aber noch keine offizielle Bestätigung.

Genauer Vorgang der Angriffe noch unklar

Wie genau die militanten Palästinenser trotz strenger Grenzkontrollen nach Israel vordringen konnten, blieb unklar. Armeesprecher Richard Hecht sagte, es seien unter anderem Gleitflieger eingesetzt worden. Die Zahl der Angreifer konnte er nicht benennen: „Es waren nicht ein oder zwei.“ Wie ein Journalist der Nachrichtenagentur aus dem von der Hamas kontrollierten Gebiet berichtete, wurden die Raketen von verschiedenen Orten im Gazastreifen aus gestartet. Die militante Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad ist nach eigenen Angaben an dem Hamas-Angriff beteiligt.

Raketenangriff auf Israel

Die radikalislamische Hamas hat heute Israel angegriffen. Aus dem Gazastreifen wurden in den frühen Morgenstunden Hunderte Raketen abgefeuert.

Einem Medienbericht des Nachrichtensenders N12 News zufolge wurden bei den Angriffen mindestens 22 Israelis getötet. Der Sender berief sich auf den nationalen Rettungsdienst. In verschiedenen Städten Israels heulten die Warnsirenen, wie die Armee mitteilte – auch in Tel Aviv und Jerusalem.

Solidaritätsbekundungen an Israel

„Es ist Terrorismus in seiner verabscheuungswürdigsten Form. Israel hat das Recht, sich gegen solche abscheulichen Angriffe zu verteidigen“, schrieb unterdessen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf Twitter (X). EU-Ratspräsident Charles Michel verurteilte die Angriffe auf Israel ebenfalls scharf. Die „wahllosen Angriffe“ gegen Israel und seine Bevölkerung hätten unschuldigen Bürgern Terror und Gewalt angetan, schrieb er auf X. „Meine Gedanken sind bei allen Opfern.“ Die EU sei in diesem schrecklichen Moment solidarisch mit dem israelischen Volk.

Menschen vor brennenden Gebäuden nach einem Raketenangriff
Reuters/Amir Cohen
Einige Ziele wurden in Israel getroffen

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) schrieb auf der Plattform: „Ich verurteile den Terrorangriff der Hamas auf Israel und unschuldige Zivilisten (…) auf das Schärfste. Israel hat das Recht, sich gegen solch heimtückische und massive Attacken zu verteidigen. Raketen auf wehrlose Zivilisten abzufeuern ist brutaler Terror und niemals ein Mittel zur Lösung politischer Probleme. Die Sicherheit Israels ist für Österreich nicht verhandelbar. Unsere Gedanken gelten den Opfern und ihren Familien.“

„Das Vereinigte Königreich wird immer Israels Recht auf Selbstverteidigung unterstützen“, so der britische Außenminister James Cleverly. „Gewalt und Raketen gegen Unschuldige müssen sofort aufhören“, schrieb Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock auf X. „Israel hat unsere volle Solidarität und das völkerrechtlich verbriefte Recht, sich gegen Terror zu verteidigen.“ Auch Frankreich stellte sich auf die Seite Israels.

Auch Ukraine spricht von „Terror“

Die Ukraine sprach ebenfalls von „Terror“. „Die Ukraine verurteilt aufs Schärfste die andauernden Terroranschläge gegen Israel, einschließlich der Raketenangriffe auf die Zivilbevölkerung in Jerusalem und Tel Aviv“, teilte das Außenministerium in Kiew auf X mit. Die Ukraine unterstütze Israel in seinem Recht, sich und sein Volk zu verteidigen, heißt es in der Erklärung weiter.

Russland steht nach eigenen Angaben wegen der Eskalation im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern in Kontakt mit beiden Seiten und auch mit arabischen Ländern. „Es versteht sich von selbst, dass wir immer zur Zurückhaltung aufrufen“, zitierte die Nachrichtenagentur Interfax Vizeaußenminister Michail Bogdanow.

Ägypten warnt vor Eskalation

Ägypten warnte unterdessen vor den Konsequenzen einer Eskalation der Lage. Gefordert sei „maximale Zurückhaltung“, erklärte das Außenministerium der staatlichen Nachrichtenagentur zufolge. Die libanesische terroristische Hisbollah-Miliz bezeichnete den Hamas-Angriff als eine „entschlossene Antwort auf Israels anhaltende Besatzung und eine Botschaft an diejenigen, die eine Normalisierung mit Israel anstreben“.

Sie verfolge die Lage im Gazastreifen genau und stehe in „direktem Kontakt mit der Führung des palästinensischen Widerstands“. Mehrere arabische Staaten hatten zuletzt eine Normalisierung der Beziehungen zu Israel eingeleitet. Die Hisbollah hat selbst mehrere Kriege mit Israel geführt.

Jom-Kippur-Krieg vor 50 Jahren

Israel feiert gerade das jüdische Fest Simchat Tora (Freude der Tora). Am 6. Oktober 1973, also am Freitag vor 50 Jahren, begann außerdem der Jom-Kippur-Krieg. Der Krieg startete mit einem Überraschungsangriff Ägyptens und Syriens am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur auf Sinai und die Golanhöhen, die sechs Jahre zuvor von Israel im Zuge des Sechstagekrieges erobert worden waren. Der Jom-Kippur-Krieg dauerte bis 25. Oktober 1973.

Die Lage besonders im besetzten Westjordanland hatte sich zuletzt wieder zugespitzt. Seit Donnerstag waren dort vier Palästinenser bei eigenen Anschlägen oder Konfrontationen mit der Armee getötet worden. Die Sicherheitslage in Israel und dem Westjordanland ist seit Langem angespannt. Seit Jahresbeginn wurden 27 Israelis, eine Ukrainerin und ein Italiener bei Anschlägen getötet. Im selben Zeitraum kamen mehr als 200 Palästinenser bei israelischen Militäreinsätzen, Konfrontationen oder nach eigenen Anschlägen ums Leben.

Palästinenser fordern eigenen, unabhängigen Staat

Israel hatte 1967 das Westjordanland und Ostjerusalem erobert. Die Palästinenser beanspruchen diese Gebiete für einen unabhängigen Staat Palästina mit dem arabisch geprägten Ostteil Jerusalems als Hauptstadt. An der Gaza-Grenze war es im vergangenen Monat mehrfach zu gewaltsamen Protesten gekommen. Dabei wurden auch Sprengsätze auf Soldaten geworfen, mehrere Palästinenser wurden durch Schüsse verletzt. Die israelische Luftwaffe griff angesichts der Vorfälle mehrmals Posten der im Gazastreifen herrschenden militanten Palästinenserorganisation Hamas an.

Im Gazastreifen leben mehr als zwei Millionen Menschen nach UNO-Angaben unter sehr schlechten Bedingungen. Die von EU, USA und Israel als Terrororganisation eingestufte Hamas hatte 2007 gewaltsam die alleinige Macht an sich gerissen. Israel verschärfte daraufhin eine Blockade des Küstengebiets, die von Ägypten mitgetragen wird.