Volksanwalt: Opfer von „Taubstummenanstalten“ entschädigen

Viele gehörlose Kinder haben in „Taubstummenanstalten“ in Österreich während ihres Aufenthalts zwischen 1945 und 1999 Gewalt erlebt. Mädchen und Buben seien dort geschlagen und misshandelt worden. Auch das Kommunizieren in Gebärdensprache sei verhindert worden, hieß es von Volksanwalt Bernhard Achitz (SPÖ) heute. Während viele der Opfer über ihr Bundesland finanzielle Entschädigungen erhalten, bekämen Betroffene aus Bundeseinrichtungen nichts.

Menschen, die in solchen vom Bund geführten Internaten waren, können wie andere Heimopfer auch über die Volksanwaltschaft eine monatliche Heimopferrente beziehen. Die meisten Bundesländer zahlen nach Angaben von Achitz unabhängig davon auch eine pauschale Entschädigung aus, die bis zu 30.000 Euro ausmachen kann.

Langes Warten auf Entschädigung

Wer zwischen 1945 und 1999 in Heimen, Pflegeeinrichtungen oder Krankenanstalten Opfer von Gewalt geworden ist, hat einen Anspruch auf eine monatliche Rente von ca. 370 Euro pro Monat. Im ehemaligen Bundestaubstummeninternat Wien-Speising sollen gehörlose Schülerinnen und Schüler jahrzehntelang misshandelt worden sein. Weil aber der Bund als Träger – im Gegensatz zu den Ländern – seit Einführung der Heimopferrente keine Schadenersatzzahlungen geleistet hat, bekommen sie die Heimopferrente nicht automatisch. Im Studio kritisiert Volksanwalt Bernhard Achitz, dass nicht alle Betroffenen gleich behandelt werden.

Ehemalige Bewohnerinnen und Bewohner von Einrichtungen des Bundes erhielten aber keine Entschädigung, kritisierte Achitz in der ORF-Sendung „Bürgeranwalt“. Er forderte Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) auf, dass auch die Republik wieder Entschädigungen zahlen solle.

Achitz: Frist zu knapp bemessen

Vor allem gehörlose Kinder aus Wien, Niederösterreich und dem Burgenland waren in den vom Bund geführten „Taubstummenanstalten“ in Wien-Speising und Kaltenleutgeben in Niederösterreich untergebracht.

Opfer von Gewalttaten in diesen Heimen hätten bis Ende 2019 einen Antrag stellen müssen: „Es ist dringend notwendig, dass der Bund wieder Entschädigungen auszahlt, denn viele Betroffene haben erst nach 2019 von der Möglichkeit erfahren. Oder sie haben davon gewusst, waren aber aus Angst vor Retraumatisierung erst später in der Lage, sich ihren Qualen noch einmal zu stellen und einen Antrag abzugeben“, so Achitz.

Unabhängig von Entschädigungen des Heimträgers bzw. dessen Rechtsnachfolgers können sich Opfer an die Volksanwaltschaft wenden und eine Heimopferrente beantragen. Diese beträgt 367,50 Euro monatlich, wird vom Staat gezahlt und von der Volksanwaltschaft organisiert.