Markus Söder, Parteivorsitzender CSU und Ministerpräsident Bayerns
Reuters/Michaela Rehle
Wahl in Bayern

CSU und Freie Wähler feilschen um Koalition

Nach der Landtagswahl in Bayern am Sonntag wollen CSU und Freie Wähler gemeinsam weiterregieren. CSU-Chef und Ministerpräsident Markus Söder sieht trotz des schwachen Ergebnisses einen klaren Regierungsauftrag für seine Partei. Die Freien Wähler konnten zulegen – für ein viertes Ministerium reicht es nach Ansicht der CSU aber nicht.

Die CSU kam nach dem vorläufigen Ergebnis auf 37 Prozent. Damit rutschte die Partei, die im Freistaat seit 65 Jahren den Regierungschef stellt, noch unter ihr desaströses Ergebnis von 2018 (37,2 Prozent). Damals war sie um mehr als zehn Punkte abgestürzt. „Es ging uns nie um einen Schönheitspreis, aber um einen klaren Regierungsauftrag“, kommentierte Söder das Ergebnis.

Die Freien Wähler mit Spitzenkandidat Hubert Aiwanger verbesserten sich deutlich auf 15,8 Prozent (2018: 11,6 Prozent). Die Grünen verloren nach ihrem Rekordergebnis von 2018 (17,6 Prozent) am stärksten und kamen auf 14,4 Prozent. Die AfD gewann mit 14,6 Prozent (10,2) am stärksten dazu. Die SPD erreichte dagegen nur magere 8,4 Prozent (9,7) – ihr schlechtestes Ergebnis bei einer Bayern-Wahl überhaupt. Die FDP verpasste mit 3,0 Prozent den Einzug ins Parlament (5,1). Die Wahlbeteiligung wurde mit 73,3 Prozent (72,4) angegeben.

ORF-Korrespondent Andreas Pfeiffer über die Bayern-Wahl

Bayern war aufgerufen, den Landtag und damit eine neue Landesregierung zu wählen. ORF-Korrespondent Andreas Pfeifer berichtete aus München über die ersten Ergebnisse der Landtagswahl in Bayern, die für CSU-Chef Markus Söder als „Schicksalswahl“ galt.

Koalition soll weitergeführt werden

Söder sah einen „klaren Regierungsauftrag“ für seine Partei. Nach der Wahl müsse gelten, was vor der Wahl versprochen worden sei, sagte Söder, warnte die Freien Wähler aber, jetzt zu große Forderungen aufzustellen. Die Gespräche über eine Fortsetzung der Koalition sollten „auf einem vernünftigen Boden der Tatsachen“ stattfinden.

Freie-Wähler-Chef Aiwanger sprach am Wahlabend von einem „Superergebnis“. Man wolle keine Unklarheiten aufkommen lassen, sondern innerhalb weniger Tage „klar Schiff“ machen und zeigen, dass man weiter gut zusammenarbeite. Der stellvertretende Ministerpräsident sagte im Bayerischen Rundfunk, er wolle Wirtschaftsminister bleiben. Zum ersten Mal überhaupt holte er auch ein Direktmandat für die Freien Wähler in Bayern.

CSU erteilt viertem Ministerium Absage

CSU-Generalsekretär Martin Huber erteilte Wünschen des Koalitionspartners nach einem vierten Ministerium allerdings bereits eine Absage. „Das Ergebnis gibt nicht den Anspruch her, seitens der Freien Wähler ein weiteres Ministerium zu fordern“, sagte er am Montag im Bayerischen Rundfunk. Der Anspruch sei durch das Ergebnis nicht ableitbar.

Hubert Aiwanger
APA/AFP/Christof Stache
Eine Affäre um ein antisemitisches Flugblatt konnte dem Chef der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, nichts anhaben

Schon vor der Wahl hatten die Freien Wähler ein viertes Ministerium ins Gespräch gebracht. Der Fraktionschef der Freien Wähler, Florian Streibl, hatte Montagfrüh dem BR gesagt, über das Landwirtschaftsministerium müsse noch einmal diskutiert werden. Das Ergebnis als zweitstärkste Kraft im bayrischen Landtag müsse sich auch in der Regierungsbildung widerspiegeln, sagte er. Daher würden die Freien Wähler auch ein weiteres Ministerium fordern.

Flugblattaffäre dominierte Wahlkampf

Der Wahlkampf war stark geprägt von der Affäre um ein bei Aiwanger zu Schulzeiten gefundenes antisemitisches und menschenverachtendes Flugblatt. Als Verfasser hatte sich Ende August sein Bruder bezichtigt. Nach einigen Tagen bat Aiwanger zwar um Entschuldigung und betonte, nie ein Judenhasser gewesen zu sein. Zugleich ging er aber zum Gegenangriff über und beklagte eine politische Kampagne gegen sich.

Trotz des Skandals hielt Söder an Aiwanger fest – um die „Verhältnismäßigkeit“ zu wahren und wohl auch wegen der angestrebten Neuauflage der Regierungskoalition. Ein ebenfalls mögliches schwarz-grünes Regierungsbündnis hatte Söder immer wieder kategorisch ausgeschlossen.

„Ampelparteien“ verlieren

Alle drei Parteien der Berliner „Ampelkoalition“ aus SPD, Grünen und FDP mussten Verluste hinnehmen im Vergleich zur Wahl vor fünf Jahren – analog zu den aktuell schlechten Umfragen auf Bundesebene. Söder hatte die Landesverbände Ende September als „euphorische ‚Ampel‘-Klatscher“ verspottet.

Grünen-Spitzenkandidatin Katharina Schulze sagte im Bayerischen Rundfunk, ihre Partei habe ihr „zweitbestes Ergebnis“ in der Geschichte Bayerns eingefahren. Das zeige, dass die Grünen „stabil in Bayern verankert“ seien. SPD-Spitzenkandidat Florian von Brunn zeigte sich enttäuscht über das Abschneiden seiner Partei. FDP-Spitzenkandidat und -Landeschef Martin Hagen ließ seine Zukunft an der Spitze der Landespartei vorerst offen.

Stimmberechtigt im flächenmäßig größten Bundesland waren rund 9,4 Millionen Menschen, darunter rund 554.000 Erstwählerinnen und Erstwähler. Die Wahlbeteiligung wird mit 72,4 bis 76 Prozent angegeben, 2018 waren es 72,4 Prozent. Neben der Landtagswahl fanden auch Bezirkswahlen statt, zudem zwei Landratswahlen, eine Oberbürgermeister- und 13 Bürgermeisterwahlen. Außerdem gab es in 18 Gemeinden Bürgerentscheide.

AfD: „Unsere Politik gibt uns recht“

Die AfD-Bundesvorsitzende Alice Weidel zeigte sich hocherfreut. „Unsere Politik gibt uns recht.“ Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, Bernd Baumann, sagte am Abend: „Der Wind ändert sich in Deutschland, der geht von links nach rechts.“

Das bemerke auch die CDU, die in der Migrationspolitik auf die härtere Linie der AfD einschwenke. „Aber der Wähler weiß, die CDU, die Merzens und die Söders, das sind Fähnchen im Wind, und die AfD ist der Wind.“ In Hessen, wo am Sonntag ebenfalls eine Landtagswahl stattfand, und in Bayern erzielte die AfD ihre bisher besten Ergebnisse in westdeutschen Flächenländern.

Für Söders bundespolitische Ambitionen, von ihm selbst regelmäßig zurückgewiesen, könnte das Wahlergebnis ein Dämpfer sein – zumindest wenn die CDU ihre Wahlen bis zur Kür des Unionskanzlerkandidaten im Herbst 2024 nicht ebenfalls in den Sand setzt. Zur Erinnerung: Früher holte die CSU regelmäßig absolute Mehrheiten. Am Sonntagabend sagte Söder im ZDF zur Kanzlerkandidatenfrage: „Mit einer so starken AfD braucht es auch einen sehr starken Ministerpräsidenten.“ Das bisher schlechteste Ergebnis holte die CSU mit 27,4 Prozent bei der Landtagswahl im Jahr 1950.