Hamas Kämpfer auf der Ladefläche eines Pickup
IMAGO/Majdi Fathi
Hamas

Terrororganisation und Gaza-Alleinherrscher

Nach dem beispiellosen Überraschungsangriff aus dem Gazastreifen hat Israels Regierung das Land auf einen „langen Krieg“ gegen die dahinterstehende Hamas eingestellt. Erklärtes Ziel der 1987 als Ableger der sunnitischen Muslimbruderschaft entstandenen und als Gegenpol zur Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) gegründeten radikalislamischen Bewegung ist die Vernichtung Israels. Vom Westen etwa wegen zahlloser Anschläge als Terrororganisation geführt, hat die Hamas 2007 im Gazastreifen die Macht übernommen und diese seitdem nicht mehr aus der Hand gegeben.

So wie die hinter dem Angriff vom 7. Oktober stehenden Al-Kassam-Brigaden besteht die Hamas aus diversen militärischen Gruppierungen – ganz nach dem Vorbild der während der ägyptischen Besatzung im Gazastreifen tonangebenden Muslimbruderschaft tritt die Hamas auch als Hilfsorganisation auf und unterhält im Gazastreifen ein breites Netz an Schulen und sozialen Einrichtungen.

Mit ein Grund, dass die Hamas, hinter deren Namen zum einen das arabische Wort für „Eifer“ und „Kampfgeist“, zum anderen die Abkürzung für „Harakat al-mukawama al-islamijja“ (Islamische Widerstandsbewegung) steht, gleich beim ersten Antritt als politische Partei zur stimmenstärksten Partei gewählt wurde. Die für den Nahostkonflikt denkwürdige palästinensische Parlamentswahl vom 25. Jänner 2006 war der letzte im Gazastreifen abgehaltene Urnengang.

Palästinensische Hamas-Anhänger feiern im Gazastreifen den Wahlsieg im Jahr 2006
Reuters/Ahmed Jadallah
2006 wurde im Gazastreifen zum letzten Mal gewählt – gewonnen hat die Hamas

Die Hamas stellte sich seitdem nicht nur gegen weitere Wahlen. Hinter der bis heute anhaltenden Alleinherrschaft im Gazastreifen steht vielmehr auch der im Juni 2007 mit Waffengewalt ausgetragene Konflikt mit der Fatah-Bewegung des palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas, der sich in Folge in das Westjordanland zurückgezogen hat.

Folgenschwere Machtübernahme

Israel reagierte auf die Hamas-Machtübernahme mit einer Blockade des rund 40 Kilometer breiten und mit rund zwei Millionen Menschen dicht bevölkerten Küstenstreifens. Anlass dafür war zunächst die Entführung des israelischen Soldaten Gilad Schalit. Die 2006 angeordnete Luft-, Land- und Seeblockade des Gazastreifens wurde in Folge des Hamas-Fatah-Konflikt 2007 dann noch einmal verstärkt.

Gleich mehrmals führte Israel Krieg gegen die Hamas. Bis zum 7. Oktober war der Gaza-Krieg im Sommer 2014 mit rund 2.000 Toten auf Seite der Palästinenser und 74 toten Israelis der folgenschwerste. Die Hamas widersetzte sich gleichzeitig „allen Bemühungen, sie dazu zu bewegen, frühere palästinensische Abkommen mit Israel zu unterzeichnen, die Legitimität Israels anzuerkennen und der Gewalt abzuschwören“, wie etwa die BBC in diesem Zusammenhang festhält.

Geht es nach der „New York Times“ („NYT“), hätten die Palästinenser die Hamas vor allem in ihren ersten Jahren „als diejenige Gruppe begrüßt, die am ehesten bereit war, sich Israel zu widersetzen, und die von einigen als weniger korrupt und besser organisiert angesehen wurde als die Palästinensische Behörde.“ Mit der Verschlechterung der humanitären Lage habe der Zeitung zufolge aber auch die Unzufriedenheit mit der Hamas zugenommen.

Experte: Israel kann Hamas nur schwer zerstören

Dennoch sei das von Israel ausgegebene Ziel, die Hamas komplett zu zerstören, weiter nur sehr schwer zu erreichen, wie der Terrorismusforscher Peter Neumann vom King’s College in London zuletzt sagte.

Dazu sei die Organisation neben ihren terroristischen Aktivitäten nach wie vor zu stark in der Zivilgesellschaft des Gazastreifens verankert. „Man muss ja berücksichtigen, dass die Hamas eben nicht nur eine militärische oder eine terroristische Organisation ist, sondern ab den späten 1980ern, wo sie entstanden ist, eine umfassende soziale Bewegung aufgebaut hat, die über Schulen, Kindergärten und Krankenhäuser verfügt.“

Katar, Iran, Russland

Neumann verweist schließlich auch auf die Rolle des Iran als einen der wichtigsten Unterstützer der Hamas. Neben finanzieller Unterstützung habe der Iran der Hamas jahrzehntelang auch Waffen, Technologie und Ausbildung zur Verfügung gestellt, schreibt dazu die „NYT“, auch mit Verweis auf das nun zum Einsatz gekommene „Arsenal an hoch entwickelten Raketen“.

Hamas Symbol auf einer Wand in Gaza-Stadt
IMAGO/Le Pictorium/Michael Bunel
Hamas-Anführer Ismail Hanija (2. v. l.) zusammen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und den Machthabern von Katar auf einem Transparent in Gaza-Stadt

Die Zeitung verweist schließlich auf den seit 2017 als Leiter des politischen Büros der Hamas auftretenden, „allerdings nicht im verarmten, isolierten Gaza, sondern in der Türkei und Katar“ lebenden Ismail Hanija. Dieser war zwischen März 2006 und Juni 2007 kurzzeitig auch Ministerpräsident der Palästinensischen Autonomiegebiete und pflegt Berichten zufolge etwa „rege Beziehungen“ zum syrischen Regime. Erst im April wurde Hanija von Saudi-Arabien und im Juni vom Iran empfangen. Im September des Vorjahres war Hanija zusammen mit einer hochrangigen Delegation schließlich auch bei Russlands Außenminister Sergej Lawrow in Moskau zu Gast.