Slawomir Mentzen (Ko-Vorsitzender der polnischen Partei Konfederacja)
IMAGO/ZUMA Wire/Krzysztof Zatycki
Polen-Wahl

Rechtsaußenpartei als gewichtiger Player

Polen wählt am Sonntag ein neues Parlament, Umfragen zufolge rücken die Oppositionsparteien immer näher an die rechtsnationalistische Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) heran, die seit 2015 an der Macht ist. Entscheidend könnte das Abschneiden der Anti-System-Partei Konfederacja werden, die noch weiter rechts als die PiS steht. Deren junges Aushängeschild Slawomir Mentzen setzt auf Polarisierung durch Social Media und ultralibertäre Gesinnung – weg mit Steuern und Ausländern sind die Hauptforderungen.

Zu Beginn des Jahres sah es noch so aus, als könnte der Wiedereinzug der Konfederacja Wolnosc i Niepodleglosc (Konföderation Freiheit und Unabhängigkeit) in den Sejm, das wichtigere Unterhaus des polnischen Parlaments, scheitern. Davon kann derzeit keine Rede mehr sein. Die Partei erreichte zuletzt stabile Umfragewerte um die zehn Prozent und wird mittlerweile als potenzieller Koalitionspartner der PiS gehandelt, die aller Voraussicht nach aus eigener Kraft keine Parlamentsmehrheit zustande bringen wird.

Konfederacja-Vertreter beteuerten im Wahlkampf zwar, nie mit der PiS zusammenzugehen, sagten aber gleichzeitig, über mögliche Koalitionen erst nach der Wahl sprechen zu wollen. Beträchtliche Differenzen gibt es etwa in der Sozialpolitik: Konfederacja hält der PiS vor, mit Geld um sich zu werfen. Seit 2016 gibt es Kindergeld in der Höhe von 500 Zloty (etwa 108 Euro) pro Kind. Vor der Wahl wurde der Betrag nun auf 800 Zloty erhöht. Auch Polens Pensionisten und Pensionistinnen mit geringen Altersbezügen durften sich im September über zusätzliche Sonderzahlungen freuen.

Jaroslaw Kaczynski
AP/Czarek Sokolowski
PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski prägt Polens Politik seit Jahren – am Sonntag entscheidet sich, wie lange noch

Weg mit Steuern und Sozialstaat

Die hohen Sozialtransfers, kritisiert die Konfederacja, würden an „unproduktive Personen“ gehen und das Wirtschaftswachstum Polens behindern. Mentzen und seine Parteifreunde wollen Steuern und Sozialleistungen wie eine staatliche Kranken- und Pensionsversicherung lieber ganz abschaffen.

„Nicht zuletzt aufgrund solcher ultralibertären Forderungen ist die Partei vor allem für junge Männer attraktiv, die alleinstehend und körperlich gesund sind, einen Job haben und für die das eigene Rentenalter in ferner Zukunft liegt. Diese Wählerklientel fühlt sich durch Steuern und Sozialabgaben in erster Linie belastet und versteht den Wohlfahrtstaat vor allem als Bevormundung“, hieß es in einem Blogbeitrag des Deutschen Polen-Instituts (DPI).

In der Altersgruppe der 18 bis 39 Jahre alten Männer auf dem Land oder in Kleinstädten schätzen Fachleute das Potenzial der Konfederacja auf mehr als 35 Prozent. Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal der Konfederacja neben dem ultraliberalen Programm in Wirtschaftsfragen ist das junge Alter ihres – ausschließlich männlichen – Führungspersonals. Mentzen ist 36, Krzysztof Bosak, Präsidentschaftskandidat der Partei vor drei Jahren und nunmehr deren Kovorsitzender, 41 Jahre alt.

Polnischer Politiker Krzysztof Bosak
Reuters/Maciek Jazwiecki/Agencja Wyborcza.pl
Bosak ist erst Anfang 40, war aber bereits Präsidentschaftskandidat seiner Partei

Soziale Netzwerke als Popularitätsfaktor

Seit zwei Jahrzehnten wechseln sich die liberalkonservative Bürgerplattform (Platforma Obywatelska, PO) mit ihrem Spitzenmann Donald Tusk und die PiS, deren offizieller Vizeministerpräsident Jaroslaw Kaczynski de facto seit Jahren den Kurs der Regierung bestimmt, an der Macht in Warschau ab. „Diese beiden Männer sind älter als meine Eltern“, sagte Mentzen. „Es ist Zeit, sie in den Ruhestand zu schicken, damit sie aufhören, über das Leben junger Menschen zu bestimmen.“

Soziale Netzwerke bespielt die Konfederacja weit erfolgreicher als die etablierten Parteien, sie entwickelten sich zu deren zentralem Kommunikationskanal – teils aus der Not geboren, stehen doch die öffentlichen Medien zum Gutteil unter Kontrolle der Regierung. Vor allen Mentzen ist auf Social Media omnipräsent, auf TikTok hat er knapp 800.000 Follower, auf Facebook über 480.000 und mehr als 380.000 auf Twitter.

Unter dem Motto „Ein Bier mit Mentzen“ tourte der Unternehmer zudem im Wahlkampf durch das Land und hielt sein Publikum mit Bier aus der eigenen Brauerei und Angriffen auf das politische Establishment bei Laune. „Politiker sind die schlechtesten Menschen der Welt“, sagte er etwa dem „Spiegel“ zufolge im südpolnischen Bielsko-Biala.

Slawomir Mentzen, Ko-Vorsitzender der Rechtsaußen-Partei Konfederacja
Reuters/Cezary Aszkielowicz/Agencja Wyborcza.pl
Mentzen mit hauseigenem Bier auf Wählerfang

Rhetorik entschärft

2019 fasste Mentzen die fünf Ziele der Partei noch so zusammen: „Wir wollen keine Juden, Homosexuellen, Abtreibung, Steuern und auch keine Europäische Union!“ Davon versucht er sich mittlerweile zu distanzieren, die damaligen Äußerungen seien aus dem Kontext gerissen worden und entsprächen nicht seinen Ansichten.

Der Gesinnungswandel dürfte einerseits damit einhergehen, dass Mentzen mittlerweile zum Parteichef aufgestiegen ist und eine Regierungsbeteiligung immerhin denkbar erscheint. Zum anderen, schrieb der „Spiegel“, seien für die rechten Themen in der Konfederacja inzwischen eher andere zuständig, etwa Bosak. Bosak war über Jahre an der Organisation des „Unabhängigkeitsmarsches“ beteiligt, einem alljährlichen Aufmarsch der extremen Rechten am 11. November.

Tücken lauern

Zwar wird der Partei nun vielerorts die Rolle des Königsmachers zugeschrieben, der der PiS zu einer weiteren Amtszeit verhelfen könnte. Doch abseits von inhaltlichen Differenzen mit der Regierungspartei sehen Fachleute vor allem interne Sprengsätze auf die Konfederacja zukommen. So könnte die Aussicht auf politische Spitzenämter zu innerparteilichen Verteilungskämpfen führen, vor allem aber der Ruf einer Anti-Establishment-Partei verloren gehen – und damit wohl auch ein großer Teil der Wählerschaft.

So halten andere Politexperten und -expertinnen ein Szenario für wahrscheinlicher, in dem die Konfederacja eine PiS-geführte Minderheitsregierung punktuell unterstützt und ihr junges Führungspersonal auf ein weiteres Erstarken hofft, um in einigen Jahren ihr erklärtes strategisches Ziel erreichen zu können: die PiS als stärkste Kraft der politischen Rechten in Polen abzulösen. Jeder ist schließlich seines eigenen Glückes Schmied, propagiert die Konfederacja.