Helme und Arbeitshandschuhe auf Metallkabelrollen
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Lohnverhandlungen

Gespräche zu Metaller-KV unterbrochen

Die Verhandlungen über den Kollektivvertrag (KV) der Metalltechnischen Industrie – traditionell eine Art Stimmungstest für die anderen Branchen – bleiben hart. Am Montag fand die zweite Runde statt, im Vorfeld stand die Forderung von plus 11,6 Prozent bei Löhnen und Gehältern im Raum, die Arbeitgeberseite bot am Montag eine steuer- und abgabenfreie Lohn- und Gehaltserhöhung von 2,5 Prozent und eine Einmalzahlung von 1.050 Euro an. Die Gespräche wurden schließlich unterbrochen.

Die Gewerkschaft hatte sich nach Runde eins „gespannt auf das Gegenangebot“ gezeigt, war am Ende aber nicht zufrieden. Schließlich seien die KV-Verhandlungen unterbrochen worden, es seien Betriebsrätekonferenzen geplant, hieß es Montagnachmittag.

Die Gewerkschaft kritisierte das neue Angebot des Fachverbandes der Metalltechnischen Industrie (FMTI). „Die Arbeitgeberseite will sich tatsächlich aus der Verantwortung stehlen“, denn das Angebot liege deutlich unter der relevanten Inflationsrate von 9,6 Prozent. „Auch die zusätzlich angebotene Einmalzahlung in Höhe von 1.050 Euro kann den massiven Reallohnverlust niemals ausgleichen.“ Laut Arbeitgeberseite bringt das Angebot „unter Berücksichtigung steuerlicher Erleichterungen ‚einen Netto-Kaufkraftzuwachs von durchschnittlich sieben Prozent für die Beschäftigten der Branche‘“, hieß es in einer Aussendung.

Das KV-Angebot basiere auf dem durchschnittlichen Wachstum der Industrie der letzten Jahre (nominelle Bruttowertschöpfung), hieß es in einer Aussendung des FMTI nach Verhandlungsende. Die Gewerkschaften zeigten sich im Moment „leider unflexibel“. Die nun geplanten gewerkschaftlichen Maßnahmen seien „zu akzeptieren, sie ändern aber nichts an der wirtschaftlichen Realität“.

Konjunkturprognosen lasten auf Verhandlungen

Eine nicht unbedeutende Rolle bei den Gesprächen spielen die mittelfristigen Aussichten für die österreichische Wirtschaft bzw. die Warnung vor einer „milden Rezession“, also leicht rückläufigen Konjunkturentwicklung, von der Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) und Institut für Höhere Studien (IHS) für 2023 ausgehen. Im Jahr darauf soll es laut deren Einschätzung wieder leicht mit der Wirtschaft bergauf gehen. Erwartet wird für 2023 jedenfalls ein Rückgang des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 0,8 bzw. 0,4 Prozent.

Industrie sieht in Prognosen „Alarmsignal“

„Die aktuellen Wirtschaftsprognosen von WIFO und IHS sind ein Alarmsignal und eine Bestätigung für die geforderte Zurückhaltung bei den KV-Verhandlungen“, hatte Arbeitgebervertreter Christian Knill, am Sonntag in einer Presseaussendung festgehalten.

Die Produktivität in der Industrie liege bei minus 2,7 Prozent. „Das ist der schlechteste Wert seit Jahren und bedeutet übersetzt: Es gibt nichts mehr zu verteilen“, erklärte Knill, Kovorstand und Gesellschafter der gleichnamigen Unternehmensgruppe, und Obmann des FMTI.

Forderungen weit auseinander

Die Gewerkschaften GPA und PRO-GE auf Arbeitnehmerseite hatten stets betont, dass die Kaufkraft erhalten werden müsse und sie nun die Versäumnisse im Kampf gegen die hohe Inflation ausgleichen müssten. Außerdem gefordert: Verbesserungen bei Freizeit und Lehrlingen. Der Präsident der Industriellenvereinigung (IV) und Bruder Christian Knills (und mit ihm Gesellschafter des Familienunternehmens), Georg Knill, hatte Ende September für einen moderaten Gehaltsabschluss plädiert.

Grafik zu Metallerabschlüssen seit 2017
Grafik: APA/ORF; Quelle: Statistik Austria

Gegenteilige Sichtweisen

„Wir sind mit einer rasch voranschreitenden Eintrübung der Konjunkturaussichten konfrontiert, und zwar nicht nur in der Industrie, sondern auch in der Gesamtwirtschaft“, hieß es vor wenigen Tagen von der IV, die sich durch die WIFO-/IHS-Prognosen in ihrer Einschätzung bestätigt sah. „Wir befinden uns in einer außergewöhnlichen Situation, die Mischung aus internationalen und nationalen Einflussfaktoren drückt auf die Stimmung in der Wirtschaft“, so IV-Generalsekretär Christoph Neumayer in einer Aussendung.

Genau umgekehrt sahen es die Gewerkschaften: „Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können sich mit ihrem Lohn und Gehalt um zehn Prozent weniger leisten. Durch die Teuerung arbeiten sie mittlerweile zwei Tage pro Monat gratis. Darum ist es wichtig, dass die bereits aufgelaufene Inflation im Nachhinein durch Kollektivvertragsverhandlungen abgegolten wird“, erklären die beiden gewerkschaftlichen Chefverhandler für die Metallindustrie, Reinhold Binder (PRO-GE) und Karl Dürtscher (GPA) laut Website der PRO-GE.

Das Angebot vom Montag in Runde zwei der Gespräche nannte Binder „respektlos“, es bedeute einen „massiven dauerhaften Reallohnverlust“. Die Gewerkschaften wollen nun von 12. bis 16. Oktober die Betriebsräte der gesamten Metallindustrie in sieben regionalen Konferenzen über die Verhandlungen informieren und die Einberufung von Betriebsversammlungen vorschlagen.

Handel als größte Arbeitnehmergruppe

Eskalationsstufe sind bei Stillstand der Verhandlungen in der Regel Betriebsrätekonferenzen und dann Betriebsversammlungen, Streiks in Österreich eher unüblich. Die Streikstatistik in der Metallindustrie weist zwei größere Arbeitsniederlegungen in der jüngeren Vergangenheit aus: 2011 kam es zu Streiks in rund 200 Betrieben mit 100.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie 2018 in über 240 Betrieben mit mehr als 70.000 Beschäftigten.

Ebenfalls im Herbst steigt die größte Arbeitnehmergruppe in KV-Verhandlungen ein, der Handel. Hier liegt der Mindestlohn für einen Vollzeitjob bei brutto 1.945 Euro pro Monat. Zum Vergleich: Bei den Reinigungsdiensten sind es 1.833 Euro, in der Metallindustrie werden 2.236 Euro brutto als Einstiegsgehalt ausgezahlt. Bei den Pensionistinnen und Pensionisten liegt die Ausgleichszulage (Mindestpension) bei 1.110 Euro (14-mal pro Jahr)

Reale Einkommen seit Vorjahr gesunken

Laut dem Tariflohntracker des WIFO sanken die Reallöhne ab März 2022, da die Lohnsteigerungen geringer waren als die Preissteigerungen. „Aufgrund der Lohnverhandlungen im November steigen die Reallöhne wieder an, können aber die Preissteigerungen nicht aufholen.“

Da seit November 2022 die „Preise bei gleichbleibenden Löhnen weiter gestiegen“ seien, „hat sich auch der Reallohn weiter negativ entwickelt“, berichteten die Wirtschaftsforscher. Laut letzter Schnellschätzung der Statistik Austria lag die Inflationsrate im September bei 6,1 Prozent nach einem Hoch von elf Prozent im Oktober des Vorjahres.