Zerstörung nach Luftschlag in Gaza
AP/Hassan Eslaiah
Palästinenser-Hilfen

EU-Beschluss mit Widersprüchen

Bei der Frage, wie man nach dem Hamas-Angriff auf Israel mit den Hilfszahlungen an die Palästinensischen Behörden weiter verfahren will, macht die EU nicht die beste Figur. Zunächst war EU-Kommissar Oliver Varhelyi mit der Nachricht eines Auszahlungsstopps vorgeprescht, der danach revidiert wurde. Nach einer EU-Außenministerkonferenz heißt es jetzt, nur zwei, drei Länder würden sich für ein Einfrieren der Gelder aussprechen – es werde zwar geprüft, aber das dürfe zu keiner Verzögerung der Zahlungen führen.

Das sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Dienstag nach einem Gespräch mit den EU-Außenministerinnen und -ministern in Maskat im Oman. Die Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten sei für die Fortführung der Zahlung der Entwicklungsgelder. Welche Länder sich für einen Zahlungsstopp ausgesprochen hatten, sagte Borrell nicht.

Die Sichtweise Borrells wird nicht von allen geteilt: Aus diplomatischen Kreisen hieß es gegenüber der APA, dass mehr Länder für ein Einfrieren seien. Zudem würden die Zahlungen an die palästinensischen Behörden nur in großen Abständen erfolgen, wodurch ein Einfrieren während der Überprüfung womöglich zu keiner realen Verzögerung führe. Einigkeit habe laut derselben Quelle zudem dabei geherrscht, dass die humanitäre Hilfe für die palästinensische Bevölkerung weitergeführt werden solle.

Borrell: Mehrheit gegen Zahlungsstopp

Eine überwältigende Mehrheit der EU-Staaten lehnt nach Angaben von EU-Chefdiplomat Josep Borrell ein vorläufiges Einfrieren von Zahlungen an die Palästinensische Autonomiebehörde ab.

Heikle Abwägungen

Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) betonte vor dem Dringlichkeitstreffen der EU-Außenministerinnen und -minister zur Lage im Nahen Osten, dass Österreich seine Zahlungen für Entwicklungshilfe an die Palästinenser „eingefroren“ habe und einer Überprüfung unterziehen werde. Schallenberg bezeichnete es in einem Telefongespräch mit Journalistinnen und Journalisten als „notwendig“ und „legitim“, zu evaluieren, was mit österreichischen Steuergeldern geschehe.

Diese dürften keine Strukturen unterstützen, die die Hamas förderten. Humanitäre Hilfsgelder seien derzeit nicht in der Pipeline. Österreich wolle nicht „sinnvolle Projekte“ einstellen, was zu einer weiteren Radikalisierung führen könnte.

Borrell plädiert für Differenzierung

EU-Chefdiplomat Borrell geht wiederum nicht davon aus, dass die Prüfung ergeben werde, dass EU-Gelder in der Vergangenheit direkt oder indirekt bei der radikal-islamistischen Hamas gelandet sind. Sollte aber genau das bei der Prüfung zum Vorschein kommen, müsse jemand die politische Verantwortung dafür tragen, so Borrell, der aber auch hier vage blieb, wen er damit meint.

EU-Chefdiplomat Josep Borrell im Oman
APA/AFP
Borrell beim Treffen im Oman

Man verurteile die terroristische Attacke der Hamas und jegliche Angriffe auf Zivilistinnen und Zivilisten, so Borrell. Man müsse aber zwischen der Hamas, den Palästinensern und den Palästinensischen Behörden (im Westjordanland) unterscheiden. „Jetzt die Hilfe für die Palästinensischen Behörden zu kappen, wäre ein großer Fehler und ein großes Geschenk an die Hamas“, meinte der EU-Chefdiplomat weiter.

Kritik übte Borrell auch an Israel. Das Land habe das Recht, sich selbst zu verteidigen, müsse das aber im Einklang mit dem internationalen Recht tun. Die Blockade der Wasser- und Lebensmittelversorgung im Gazastreifen sei aber ein Verstoß gegen internationales Recht.

Vorschneller Kommissar zurückgepfiffen

Um die EU-Entwicklungshilfezahlungen für die Palästinenserinnen und Palästinenser hatte es vor dem Ministertreffen erhebliche Aufregung gegeben. Der zuständige EU-Kommissar Varhelyi hatte zunächst am Montag mitgeteilt, alle Zahlungen würden angesichts des Hamas-Angriffs auf Israel sofort ausgesetzt. Ein Sprecher der Behörde hatte das auch zuerst bestätigt.

In einer am Montagabend verbreiteten Pressemitteilung der Brüsseler Behörde hieß es aber dann, da momentan keine Zahlungen vorgesehen seien, werde es vorerst auch nicht zu einer Zahlungsaussetzung kommen. Zuvor hatten nach Angaben aus EU-Kreisen mehrere Hauptstädte gefordert, die Ankündigung zurückzunehmen. Vor allem Frankreich und Spanien hatten sich irritiert gezeigt.

Gelder aufgeschlüsselt

Unterdessen schlüsselte eine Sprecherin der EU-Kommission am Dienstagabend die EU-Gelder für Palästina auf: 681 Millionen seien es in den Jahren 2021 bis 2023 bisher gewesen. Der Großteil davon ging an die Palästinenserbehörde, der Rest an das UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge, UNWRA. Für 2023 sind weitere zehn Mio. für das UNWRA geplant, weitere 168 Mio. dann für die Palästinenserbehörde und „andere Projekte“.

Zerstörung nach Luftschlag in Gaza
AP/Hatem Ali
Gaza braucht dringend Aufbauhilfen – fraglich ist aber, ob sie dort ankommen, wo sie sollen

Kurzfristig einberufenes Krisentreffen

Die EU-Außenminister berieten am Nachmittag in einer Dringlichkeitssitzung über die Lage im Nahen Osten. Das Treffen fand zum Teil als Videokonferenz statt. Mehrere EU-Minister, darunter auch Schallenberg, befanden sich am Dienstag bereits in Maskat, um in Omans Hauptstadt am Ministertreffen der EU mit dem Golf-Kooperationsrat teilzunehmen. Borrell hatte das Krisentreffen einberufen, um die Situation in Israel und in der Region zu besprechen. Am Dienstag lud Borrell auch Israels Außenminister Eli Cohen und seinen palästinensischen Amtskollegen Ridschad al-Maliki ein. Beide nahmen aber nicht am Treffen teil.

Gruppenbild der EU-Außenminister im Oman
APA/AFP
Die EU-Minister trafen sich in Maskat eigentlich mit dem Golf-Kooperationsrat

Schallenberg betonte im Vorfeld, dass die Teilnehmenden am EU-Golf-Kooperationsrat einen „massiven Flächenbrand“ fürchteten. Viele würden den Angriff „nicht als Zufall“ sehen: „Wir hatten gerade viele positive Entwicklungen in der Region“, betonte Schallenberg. Die Hamas wolle keine Normalisierung. Es bestünde die Besorgnis, dass Länder der Region wie Libyen, Jordanien, Ägypten und der Irak in den Konflikt hineingezogen werden könnten.