Armenien wirft Aserbaidschan „ethnische Säuberung“ vor

Armenien hat Aserbaidschan vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag „ethnische Säuberung“ in der Kaukasus-Region Bergkarabach vorgeworfen.

„Vor weniger als neun Monaten stand ich auf diesem Podium und warnte, dass Aserbaidschan einen Plan zur ethnischen Säuberung Bergkarabachs von allen Armeniern auf den Weg bringt“, sagte der armenische Vertreter Jegische Kirakosjan heute in Den Haag. „Frau Präsidentin, es schmerzt mich sehr, sagen zu müssen, dass dies nun Wirklichkeit geworden ist.“

Die Anhörung folgte auf eine aserbaidschanische Militäroffensive, in der Baku in kürzester Zeit die Kontrolle über das überwiegend von ethnischen Armeniern bewohnte Bergkarabach übernahm.

Armenien fordert Abzug von Militär aus zivilen Einrichtungen

Vor Gericht ging es um einen Antrag Armeniens an den IGH, Aserbaidschan anzuweisen, „das gesamte Militär- und Strafverfolgungspersonal aus allen zivilen Einrichtungen in Bergkarabach“ abzuziehen.

Eriwan forderte die Richter überdies auf sicherzustellen, dass Baku keine „Maßnahmen ergreift, (…) die zur Vertreibung der verbliebenen ethnischen Armenier führen oder die sichere und rasche Rückkehr“ der Flüchtlinge verhindern.

Große Fluchtbewegung aus Bergkarabach

Baku hatte am 19. September eine Militäroffensive in Bergkarabach gestartet. Bereits einen Tag später kapitulierten die dortigen proarmenischen Kämpfer, später wurde die Auflösung der selbst ernannten „Republik Bergkarabach“ zum 1. Jänner 2024 verkündet.

Der aserbaidschanische Armee-Einsatz löste eine massenhafte Fluchtbewegung aus – eine große Mehrheit der geschätzt 120.000 Bewohner Bergkarabachs floh nach Armenien.

Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion stritten die ehemaligen Sowjetrepubliken Armenien und Aserbaidschan um die Region Bergkarabach. Diese gehört völkerrechtlich zu Aserbaidschan, es lebten dort bisher aber überwiegend ethnische Armenier.

Der Internationale Gerichtshof ist das zentrale Rechtsprechungsorgan der Vereinten Nationen und entscheidet über Streitigkeiten zwischen Ländern. Seine Urteile sind bindend. Allerdings stehen dem IGH keine wirklichen Instrumente zur Verfügung, um eine Einhaltung seiner Urteile durchzusetzen.