FTX-Kronzeugin Caroline Ellison
Reuters/Cheney Orr
Bankman-Fried-Prozess

Ex-Freundin liefert Einblicke in Kryptocrash

Seit Anfang Oktober läuft der Betrugsprozess gegen den Gründer der insolventen Kryptowährungsplattform FTX, Sam Bankman-Fried. An drei Tagen war Caroline Ellison im Zeugenstand geladen, Geschäftsführerin von Bankman-Frieds Hedgefonds Alameda Research, der für die Milliardenverluste verantwortlich war. Als Kronzeugin belastete die 28-Jährige ihren Ex-Freund Bankman-Fried schwer, zeigte sich selbst reuig – und lieferte tiefe Einblicke in die Hintergründe des Crashs, der die Kryptoszene erschütterte.

Ellison sagte bei ihrer ersten Einvernahme am Dienstag vor einem Bundesgericht in New York, sie und Bankman-Fried hätten „rund 14 Milliarden Dollar“ (rund 13,3 Mrd. Euro) von Kunden der Kryptowährungsplattform FTX veruntreut. Bankman-Fried habe sie damals angewiesen, „diese Verbrechen zu begehen“.

Der einst als Kryptowunderkind gefeierte Unternehmer habe „das System errichtet“, über das Kundengelder von FTX in den Kryptoinvestmentfonds Alameda Research geflossen seien, sagte die frühere Chefin von Alameda und jetzige Kronzeugin der Anklage weiter. Das Geld sei „für Investitionen und zum Zurückzahlen von Schulden“ verwendet worden.

Mit Kundengeldern Verluste abgedeckt

Ellison schilderte den Geschworenen, wie sie auf Anweisung von Bankman-Fried, wie sie mehrmals sagte, wiederholt die Kundeneinlagen bei FTX anzapfen musste, um Probleme beim Hedgefonds und bei der Börse zu lösen. FTX-Einlagen wurden abgezogen, um neue Investitionen und politische Spenden zu bezahlen oder um hohe Verluste in der Alameda-Bilanz zu verbergen, sagte sie aus.

Ellison beschuldigte Bankman-Fried auch, er habe sie dazu gedrängt, Kreditgebern eine irreführende Alameda-Bilanz vorzulegen. Sie habe in ständiger Angst gelebt, dass die Wahrheit eines Tages herauskommen werde, gestand sie unter Tränen. „Im Juni 2022 befanden wir uns in einer schlimmen Situation, und ich war besorgt, dass alles zusammenbrechen würde, wenn jemand davon erfährt“, sagte sie.

Sie sagte aus, dass Bankman-Fried sie für das finanzielle Desaster verantwortlich gemacht habe: Es sei ihre Schuld, sie sei „größtenteils für die finanzielle Situation, in der sich Alameda“ befinde, verantwortlich, gab sie zu Protokoll.

FTX-Kronzeugin Caroline Ellison
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Ellison vor dem Gerichtsgebäude

„Erleichterung, nicht mehr lügen zu müssen“

Der Absturz kam im November 2022, als FTX einen Ansturm von Kundenabhebungen nicht mehr bewältigen konnte. Rettungsversuche anderer Kryptobörsen scheiterten und offenbarten immer offensichtlicher die Machenschaften. Das Unternehmen ging schließlich in Konkurs, und Staatsanwälte und Aufsichtsbehörden begannen zu ermitteln. Durch die FTX-Pleite sei ihr ein Stein vom Herzen gefallen. „Ich fühlte eine Erleichterung, dass ich nicht mehr lügen musste.“

On-Off-Beziehung im Luxuspenthouse

Ellison lieferte als Ex-Freundin aber auch tiefe Einblicke in Bankman-Frieds Denken: Ellison, eine Absolventin der Stanford University mit Hauptfach Mathematik, lernte Bankman-Fried als Praktikantin bei der Investmentfirma Jane Street kennen. Sie stieß zu Alameda Research, und kurz danach hätten sie eine geheime, intime Beziehung gehabt.

Nach einer Trennung im Sommer 2021 nahmen sie wenige Monate später die Beziehung wieder auf, diesmal offiziell. Ellison und Bankman-Fried wohnten gemeinsam mit mehreren anderen aus dem Führungszirkel der Firma in einem 40-Millionen-Dollar-Penthouse auf den Bahamas. Im Frühjahr 2022 hätten sie sich endgültig getrennt, so Ellison vor Gericht.

Ellison beschrieb Bankman-Fried als jemanden, der nach seinen eigenen Gesetzen lebe. Er sehe sich als „Utilitaristen“, der danach strebe, das größtmögliche Gute für die größte Anzahl von Menschen zu tun. „Er war nicht der Meinung, dass Regeln wie ‚Du sollst nicht lügen‘ oder ‚Du sollst nicht stehlen‘ in diesen Rahmen passen.“

Träume vom Weißen Haus

Sie beschrieb ihn als „sehr ehrgeizig“ und mit der Vorstellung, eines Tages große Unternehmen zu leiten und sein Geld einflussreich einzusetzen, insbesondere in der Politik. Er habe sogar geglaubt, eine „fünfprozentige Chance“ zu haben, eines Tages US-Präsident zu werden, gab Ellison zu Protokoll.

Ex-FTX CEO Sam Bankman-Fried
Reuters/Eduardo Munoz
Bankman-Fried sitzt seit August in Haft

Ein Teil des Geldes sei in politische Spenden geflossen, darunter 35 Millionen Dollar, die über einen politischen Mitarbeiter an republikanische Kandidaten geflossen seien, und weitere zehn Millionen Dollar, die Bankman-Fried an Präsident Joe Biden weitergeleitet habe – Geld, von dem Bankman-Fried glaubte, es verschaffe ihm ein gewisses Maß an Einfluss und Anerkennung.

Schlampige Haare und billiges Auto fürs Image

Er pflegte Beziehungen zu Reportern und unterhielt eine Twitter-Präsenz als Teil seiner Bemühungen, sich als „sehr kluger, selbstbewusster, etwas exzentrischer Gründer“ zu präsentieren, sagte Ellison aus. Er gab sich wenig Mühe mit seinem Aussehen, sagte Ellison, kleidete sich schlampig und schnitt sich selten die Haare. „Er sagte, er habe geglaubt, sein Haar sei wertvoll gewesen“, weil er damit unkonventionell wirke. Es habe zwar luxuriöse Firmenautos gegeben, doch: „Er sagte, es sei besser für sein Image, einen Toyota Corolla zu fahren.“

Verteidiger scheiterte beim Kreuzverhör

Am dritten Tag ihrer Zeugenaussage versuchte der Anwalt Bankman-Frieds im Kreuzverhör die Glaubwürdigkeit Ellisons infrage zu stellen und sie als enttäuschte Ex-Freundin darzustellen, die als Kronzeugin mit Strafmilderung rechnen kann, wenn sie ihren Ex-Partner belaste. Das scheint ihm laut Berichten von US-Medien aber nicht gelungen zu sein. Widersprüche in den Aussagen Elissons konnte er nicht zutage fördern. Der Richter hingegen sei beim Kreuzverhör „verwirrt und ungeduldig“ geworden, schrieb die Nachrichtenagentur AP.

Für Bankman-Fried, der auf nicht schuldig plädiert, scheint es jedenfalls eng zu werden. Neben Elisson belastete ihn auch FTX-Mitbegründer Gary Wand vor Gericht. Als dritter ehemaliger Vertrauter von Bankman-Fried soll im Laufe des Verfahrens auch Nishad Singh aussagen. Die drei hatten angekündigt, mit der Staatsanwaltschaft zusammenarbeiten zu wollen. Das Verfahren ist auf sechs Wochen angesetzt. Bei einer Verurteilung drohen Bankman-Fried bis zu 115 Jahre Gefängnis.