„Frag den Kanzler“: Nehammer auf Versöhnungskurs

Nach dem Publikwerden eines Videos mit kontroversen Aussagen hat Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) im Diskurs mit Hilfsorganisationen heute erneut auf die Eigenverantwortung der Menschen verwiesen.

Bei „Frag den Kanzler“ wurde in Wien vor allem über Armut diskutiert. Nehammer bezeichnete das Video als „manipulativ zusammengeschnitten“ und als Teil des Vorwahlkampfes. Gegenüber den Organisationen gab er sich versöhnlich und sprach Lob aus.

13 Organisationen – unter ihnen Caritas, Diakonie, Arbeiter-, Wirtschafts- und Landwirtschaftskammer sowie das AMS – hatte Nehammer zur Diskussion eingeladen. Mit Ausnahme von „Licht ins Dunkel“ entsandten alle Personen zum Gespräch.

„Hamburger“-Sager relativiert

Nehammer steht hinter seinen Aussagen, relativierte aber seinen „Hamburger“-Sager: Es sei nicht das beste Beispiel gewesen. Wichtig sei ihm jedenfalls festzuhalten, dass Eltern für ihre Kinder verantwortlich seien.

Er hob hervor, ein christlich-sozialer Politiker zu sein und als solcher für Eigenverantwortung einzustehen. Während sich manche Teilnehmer von Nehammers Aussagen in dem Video irritiert zeigten, meinte ein Wirtschaftskammer-Vertreter, man solle „die Kirche im Dorf lassen“.

Im Video hatte sich Nehammer auch über die hohe Teilzeitquote von Frauen beschwert. Er verwehrte sich allerdings dagegen, Menschen mit Betreuungspflichten dazu aufgerufen zu haben, mehr zu arbeiten, sei doch auch Betreuung eine Leistung. Er habe hingegen davon gesprochen, dass der Staat das Einkommen von Menschen, die ohne Betreuungspflichten weniger arbeiten, nicht ausgleichen könne.

Nehammer verweist auf Wichtigkeit von NGOs

In Österreich gebe es ein engmaschiges soziales Netz, dessen Lücken durch die Hilfsorganisationen geschlossen würden, so der Kanzler zur Wichtigkeit der Arbeit der NGOs. „Solche Treffen müssten viel öfter stattfinden“, sagte er – sowohl für Rückmeldungen als auch als Netzwerk für Informationen. Österreich tue viel gegen die Armut, individuelle Fälle von Armut werde es aber immer geben, sagte Nehammer.

Die Hilfsorganisationen sehen allerdings auch strukturelle Probleme. So seien in Wien etwa mehr als die Hälfte der Mindestsicherheitsbezieher nicht arbeitsfähig, so ein Vertreter der Sozialberatung Wien. Er regte bei der Sozialhilfe außerdem Mindestbeträge für Kinder an.

Der Dialog dürfe nicht enden, forderten Caritas und Samariterbund nach dem Treffen einen gemeinsamen Kampf gegen Armut. Die Caritas fordert den Unterausschuss zur Armutsbekämpfung, der im Regierungsübereinkommen vorgesehen ist, eine Reform der Sozialhilfe, eine Anhebung der Ausgleichszulage bei Pensionen und Maßnahmen gegen Kinderarmut.

Kritik von Opposition

Kritik kommt aus den Reihen der Opposition. FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz legte Nehammer in einer Pressemitteilung den Rücktritt nahe. Der Kanzler habe „mit seiner fatalen Politik Menschen in die Armut gestürzt“ und dann auch noch gedemütigt. Für SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Sandra Breiteneder ist die ÖVP nicht mehr christlich-sozial, ihr Programm sei hingegen „schwarz-blau“. Die Volkspartei lasse die Bevölkerung mit der Teuerung im Stich und kümmere sich stattdessen um die Superreichen, so Breitenender.