Der designierte Präsident der US-Kongresskammer, Jim Jordan
AP/J. Scott Applewhite
US-Repräsentantenhaus

Nächste Runde in Vorsitzchaos

Die republikanische Partei hat einen neuen Kandidaten für den Posten des Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses nominiert. Die Abgeordneten hätten sich für den konservativen Hardliner Jim Jordan entschieden, schrieb die republikanische Politikerin Elise Stefanik am Freitag in sozialen Netzwerken. Er habe die Abstimmung gegen den aus Georgia stammenden Austin Scott mit 124 zu 81 Stimmen für sich entschieden.

Der zuvor von der republikanischen Partei als neuer Vorsitzender nominierte Steve Scalise hatte am Donnerstagabend seine Bewerbung zurückgezogen, da er bei der Wahl im Repräsentantenhaus nicht mit den nötigen 217 Stimmen rechnen konnte. Die Republikaner stellen zwar 221 Abgeordnete, Dutzende von ihnen wollten Scalise aber nicht unterstützen. Scalise hatte sich am Mittwoch in einer internen Abstimmung der Republikaner nur knapp gegen Jordan durchgesetzt, der von Ex-Präsident Donald Trump unterstützt wird.

Steve Calise
Reuters/Kevin Lamarque
Steve Scalise hatte nur kurz die Aussicht auf den Posten als Vorsitzender

Jordan trat nun am Freitag erneut an und setzte sich bei einer Abstimmung hinter verschlossenen Türen gegen den wenig bekannten Abgeordneten Scott durch. Er will die Nachfolge seines Parteikollegen Kevin McCarthy antreten, der vergangene Woche im Zuge einer Revolte rechter Hardliner der eigenen Partei als erster Vorsitzender des Repräsentantenhauses der US-Geschichte gestürzt worden war.

Rotes Tuch für Demokraten

Allerdings gibt es bei moderaten Republikanern viele Vorbehalte gegen den für seinen aggressiven Politikstil bekannten Jordan. Den Demokraten von Präsident Joe Biden, die derzeit 212 Abgeordnete stellen, ist er ein rotes Tuch. Jordan gilt auch in der Haushaltspolitik als Hardliner, der sich für Ausgabenkürzungen und Steuersenkungen starkmacht. Der Abgeordnete, der seit 2007 im Repräsentantenhaus sitzt, stand lange Zeit am rechten Rand der Republikaner. Er wurde im Verlauf der Jahre aber zunehmend zu einer zentralen Figur der nach rechts gerückten Partei.

Jordan gehört zu den Antreibern eines Amtsenthebungsverfahrens gegen Präsident Biden wegen des Vorwurfs, in umstrittene Auslandsgeschäfte seines Sohnes Hunter Biden verwickelt zu sein. Seit Jahren ist der einstige Ringer, der gerne ohne Sakko auftritt, auch ein glühender Anhänger und Verteidiger von Trump. Er gehört zu den Gründern der einflussreichen rechten Parlamentariergruppe Freedom Caucus und ist ein gern gesehener Gast rechter Medien wie des Nachrichtensenders Fox News.

Vor Jahren geriet Jordan im Zuge eines Missbrauchsskandals an der Ohio State University in Bedrängnis. Er soll als damaliger Assistenztrainer des Ringerteams von sexuellem Missbrauch durch den Mannschaftsarzt gewusst haben. Jordan hat die Vorwürfe zurückgewiesen.

Kongress praktisch handlungsunfähig

Seit McCarthys Abgang ist das US-Repräsentantenhaus führungslos und der amerikanische Kongress praktisch handlungsunfähig. Alle Haushaltsgesetze müssen der Verfassung zufolge zunächst in der Kammer eingebracht werden.

Bis zur Wahl eines neuen Vorsitzenden (Sprecher, engl: Speaker) ruht die Arbeit in der Kammer. Entsprechend können die USA etwa keine zusätzliche Hilfe für Israel beschließen, weitere Gelder für die Ukraine bewilligen oder einen neuen Haushalt verabschieden.

Damoklesschwert Shutdown hängt über Kongress

Sollte das Repräsentantenhaus bis zum 17. November keine Einigung mit dem Senat über einen neuen Haushalt erzielen, kommt es zum Shutdown – dem Stillstand der Regierungstätigkeit –, den McCarthy mit einer Übergangsfinanzierung verhindert hatte. Hintergrund der Absetzung McCarthys war, dass die ultrarechten Republikaner sehr tiefgreifende Ausgabenkürzungen hatten durchsetzen wollen.

Das Kapitol in Washington D.C.
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Der Kongress steuert erneut Richtung Shutdown, den McCarthy erst kürzlich mit einer Übergangsfinanzierung verhindern konnte

US-Präsident Biden will dem Kongress in der kommenden Woche den Entwurf für einen Zusatzhaushalt vorlegen. Seine Sprecherin Karine Jean-Pierre gab am Donnerstag vor Journalisten zwar keine Einzelheiten bekannt. Dem Sender NBC News zufolge will der Demokrat jedoch die Abgeordneten um weitere Mittel zur Unterstützung von Israel, der Ukraine und Taiwan sowie zur Sicherung der Grenze zu Mexiko bitten.