Auszählung des australischen Referendums über mehr Mitspracherechte der indigenen Bevölkerung
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Indigenenrechte

Australier lehnen historisches Votum ab

In Australien ist ein historisches Referendum über mehr Mitspracherechte der indigenen Bevölkerung gescheitert. Premier Anthony Albanese gestand die Niederlage am Samstagabend (Ortszeit) ein und sagte in einer emotionalen Rede, das Ergebnis müsse respektiert werden. Beim Referendum ging es darum, ob indigene Völker künftig ein in der Verfassung verankertes Mitspracherecht im Parlament bekommen sollten.

Eine deutliche Mehrheit der 18 Millionen Wahlberechtigten (darunter 530.000 Indigene) sprach sich am Samstag beim „Voice to Parliament“-Referendum gegen das Vorhaben aus. Auch alle sechs Bundesstaaten stimmten vorläufigen Ergebnissen zufolge dagegen.

Für eine Verfassungsänderung wäre eine „doppelte“ Mehrheit nötig gewesen: Nicht nur auf nationaler Ebene müssen laut Wahlkommission mehr Ja- als Nein-Stimmen erzielt werden – auch eine Mehrheit der sechs Bundesstaaten und Territorien muss sich dafür aussprechen, also mindestens vier.

„Trauriger Tag für Australien“

Albanese sagte am Samstag, dass er weiter für eine Versöhnung mit den Ureinwohnern und ein Ende der Kluft in der australischen Gesellschaft arbeiten werde. Die Ministerin für indigene Australier, Linda Burney, sprach unter Tränen von einem „traurigen Tag für Australien“.

Votum über Anerkennung für Indigene gescheitert

In Australien ist ein historisches Referendum über mehr Mitspracherechte der indigenen Bevölkerung gescheitert. Laut der Wahlkommission hatten sich mehr als 17 Millionen Menschen für das Referendum angemeldet – so viele wie noch nie bei einer Volksabstimmung.

Im Erfolgsfall hätte künftig ein von indigenen Australiern gewähltes Gremium das Parlament in Fragen beraten, die die Indigenen direkt betreffen. Laut der Wahlkommission hatten sich mehr als 17 Millionen Menschen für das Referendum angemeldet – so viele wie noch nie bei einer Volksabstimmung. In Umfragen hatte sich abgezeichnet, dass das Vorhaben keine Mehrheit finden wird.

Premier richtete emotionalen Appell an Wähler

Premierminister Albanese hatte vor dem Referendum einen emotionalen Appell an die Wähler gerichtet und sie aufgefordert, einen Fehler der Geschichte zu korrigieren. „Ausgerechnet in dieser Woche, in der es so viel Hass in der Welt gibt, ist das eine Gelegenheit für die Australier, Liebenswürdigkeit zu zeigen“, sagte er. Bei der Abstimmung gehe es um Respekt für die Ureinwohner. Es gehe darum, „wie wir uns als Nation sehen, aber es geht auch darum, wie die Welt uns sieht“, sagte Albanese.

Australiens Premierminister Anthony Albanese
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Australiens Premierminister Anthony Albanese galt als Befürworter der „Voice“-Kampagne

Premier Albanese hatte das „Voice“- Referendum nach seinem Wahlsieg vor einem Jahr vorangetrieben. Nach dem Abgeordnetenhaus, das die Volksbefragung schon Ende Mai abgesegnet hatte, stimmte Mitte Juni auch der Senat in Canberra mit großer Mehrheit dafür.

Die Gegnerinnen und Gegner der Reform, zu denen auch die konservative Opposition zählt, warnten hingegen vor besonderen Privilegien für die Ureinwohnerinnen und Ureinwohner. Oppositionsführer Peter Dutton von der Liberal Party beklagte, dass die Verfassungsänderung zu einer Spaltung der Nation führen und die Gesellschaft „rerassifizieren“ würde. Gegner kritisieren außerdem, dass „The Voice“ nicht nur Regierungsprozesse untergraben, sondern auch Gerichte mit Einwänden überfordern dürfte.

Leben am Rande der Gesellschaft

Von den annähernd 26 Millionen Australierinnen und Australiern sind fast eine Million Aborigines und Torres-Strait-Insulaner – so der Name der indigenen Bevölkerung der gleichnamigen Inseln. Sie werden von großen Teilen der weißen Mehrheit nach wie vor ausgegrenzt und leben am Rande der Gesellschaft: Ihre Suizidraten sind beinahe doppelt so hoch wie jene nicht indigener Australier. Und obwohl ihr Bevölkerungsanteil niedriger als vier Prozent ist, machen sie fast ein Drittel der Häftlinge in Australiens Gefängnissen aus.

Indigene auf Fahrrädern in Aurukun (Queensland)
IMAGO/AAP/Jono Searle
Von den annähernd 26 Millionen Australierinnen und Australiern sind fast eine Million Aborigines und Torres-Strait-Insulaner

Die Ureinwohnerinnen und Ureinwohner werden in der 1901 verabschiedeten Verfassung des Landes gar nicht erwähnt – obwohl sie das Land schon seit Zehntausenden Jahren besiedeln. Erst 1967 wurden ihnen überhaupt Bürgerrechte eingeräumt. Gewalt und Rassismus prägten lange Zeit die Geschichte der Indigenen Australiens.

Nach der Ankunft der First Fleet (dt.: ersten Flotte) in Sydney Cove 1788 und der darauffolgenden Kolonisierung wurden viele Jahrzehnte lang Aborigines-Kinder ihren Eltern entrissen. Sie mussten in Heimen bzw. bei weißen Familien aufwachsen. Die Betroffenen werden in Australien als „gestohlene Generation“ bezeichnet. Für das Leid der Ureinwohnerinnen und Ureinwohner gab es erst 2008 eine offizielle Entschuldigung durch den damaligen Premier Kevin Rudd.