Eine Wahlkabine mit dem Polnischen Wappen
Reuters/Aleksandra Szmigiel
Erste Prognose

PiS voran, doch Opposition hat Mehrheit

Bei der Parlamentswahl in Polen wird die rechtsnationalistische Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) laut Prognosen stärkste Kraft, verfehlt aber die absolute Mehrheit. Und es deutet sich eine Abwahl zugunsten der Opposition an: Das proeuropäische Dreiparteienbündnis um Ex-Regierungschef Donald Tusk kommt laut Prognosen auf eine Mehrheit im Parlament. Tusk erklärte sich rasch zum Wahlsieger – und sieht die PiS-Regierung „von der Macht entfernt“.

Zwar kam die PiS in einer Ipsos-Nachwahlbefragung auf 36,8 Prozent der Stimmen, doch liegt Tusks liberale Bürgerkoalition (KO), die 31,6 Prozent erreichte, zusammen mit zwei kleineren Oppositionsparteien laut Prognose vor dem rechten Lager um die PiS. Die Bürgerkoalition käme laut Prognosen auf 163 Mandate.

Sie könnte mit dem christlich-konservativen Dritten Weg (13 Prozent, 55 Mandate) und dem Linksbündnis Lewica (8,6 Prozent, 30 Mandate) eine Koalition bilden. Das Dreierbündnis käme auf insgesamt 248 Abgeordnete und hätte eine Mehrheit im Parlament, während die PiS und die Rechtsaußenpartei Konfederacja zusammen auf 212 Sitze kommen.

Konfederacja wird wohl kein Königsmacher

Denn als Koalitionspartner kommt für die PiS nur die Konfederacja infrage. Doch die Anti-System-Partei brachte es laut Prognosen auf nur etwas über sechs Prozent, blieb unter ihren Erwartungen und kommt damit als Mehrheitsbeschafferin nicht infrage. Sie hatte im Wahlkampf versucht, den wachsenden Unmut von Polen über die Ukraine-Politik auszuschlachten. Zudem hatte die Konfederacja im Wahlkampf immer wieder betont, sie wolle kein Bündnis mit der PiS.

Tusk: „Demokratie hat gewonnen“

Oppositionsführer Donald Tusk sah sich am Abend hingegen schon als Sieger: „Ich habe mich noch nie so sehr über den zweiten Platz gefreut. Polen hat gewonnen, die Demokratie hat gewonnen, das ist das Ende der PiS-Regierung“, sagte er. „Wir haben sie (die PiS) von der Macht entfernt“, so Tusk.

PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski sagte in einer ersten Reaktion, es sei „noch nicht klar“, ob seine Partei eine weitere Legislaturperiode regieren könne. Es gelte, den Verlauf des Wahlabends abzuwarten. Er gab an, immer noch „Hoffnung“ zu haben, dass seine Partei die nächste Regierung bilden könne.

Morawiecki hofft auf „Chance“

Auch Ministerpräsident Mateusz Morawiecki wollte die Flinte am Wahlabend noch nicht ins Korn werfen. Sollte Präsident Andrzej Duda ihm die „Chance“ dazu geben, „werden wir versuchen, eine stabile Regierung zu bilden“, sagte Morawiecki.

Politikexperte Stanislaw Mocek von der privaten Hochschule Collegium Civitas in Warschau sagte, die bisherige Opposition habe nun die Chance auf einen Machtwechsel. „Ich denke, dass dies das Ende der PiS-Regierung ist“, sagte er. Die Abstimmung galt als Richtungswahl über den künftigen Kurs gegenüber der EU, der Ukraine und dem Nachbarland Deutschland.

Ende des Machtkampfs mit Brüssel?

Tusk war bereits von 2007 bis 2014 polnischer Regierungschef, ehe er EU-Ratspräsident wurde. Unter der Nachfolgeregierung der PiS hat sich das Verhältnis zwischen Polen und der EU signifikant verschlechtert. Kritiker und Kritikerinnen werfen der PiS vor, seit der Amtsübernahme 2015 die Unabhängigkeit von Gerichten und Medien untergraben zu haben.

Deswegen hat die EU für Polen bestimmte Mittel im Umfang von rund 110 Milliarden Euro eingefroren. Tusk hat eine Normalisierung des Verhältnisses zu Brüssel angekündigt und will auch das von der PiS verschärfte Abtreibungsrecht liberalisieren.

Die PiS-Regierung mit ihrem Ministerpräsidenten Morawiecki führt seit Jahren einen Machtkampf mit Brüssel, vor allem wegen ihrer Justizreform, die von Kritikern als Angriff auf Rechtsstaatlichkeit und Demokratie verurteilt wird. Der Wahlkampf der PiS war auch stark von antideutschen Tönen geprägt. Die Regierungspartei warf Tusk vor, er handelte im Interesse Deutschlands, der EU und Russlands.

Hohe Wahlbeteiligung

Bei der Wahl zeichnete sich auch eine Beteiligung in Rekordhöhe ab. Sie dürfte über 70 Prozent liegen, wobei der Zulauf in urbanen Zentren und unter den Auslandspolen ungewöhnlich hoch war. Wie die polnische Wahlbehörde mitteilte, war die Beteiligung wahrscheinlich die höchste bei einer Wahl seit dem Ende des Kommunismus im Jahr 1989.

Die Prognose zeigte auch, dass die Polen dem manipulativen Viererreferendum der PiS-Regierung die Rote Karte zeigten. Die Beteiligung an der Volksabstimmung, bei der unter anderem eine Suggestivfrage über die Aufnahme von Migranten durch Polen „beantwortet“ werden sollte, scheiterte klar am Beteiligungsquorum von 50 Prozent und war damit ungültig. Nur rund 40 Prozent der Stimmberechtigten machten bei dieser Farce mit.