Einsatzfahrzeug der Polizei auf einer Straße in Brüssel
APA/AFP/Belga/Nicolas Baras
Zwei Tote in Brüssel

Verdächtiger festgenommen

Nach den tödlichen Schüssen auf zwei Schweden in Brüssel Montagabend ist der mutmaßliche Täter am Dienstag festgenommen worden. Der Mann sei in der Früh bei einem Polizeieinsatz in einem Cafe in der Gemeinde Schaerbeek angeschossen und gefasst worden, sagte die belgische Innenministerin Annelies Verlinden im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Es handle sich um einen Mann tunesischer Abstammung, der der Polizei bekannt war.

Die Tatwaffe sei an Ort und Stelle gefunden worden. Die Behörden seien dabei, mit Hilfe von Fingerabdrücken sicherzustellen, dass es sich tatsächlich um den Täter handle. Davon sei aber auszugehen, stellte die Ministerin klar. Der Mann sei auf eine Intensivstation eines Spitals gebracht worden, so Verlinden. Sein Gesundheitszustand ist nicht bekannt.

Die Nachrichtenagentur Belga, die sich auf Polizeikreise berief, berichtete von einem Schusswechsel der Polizei mit dem mutmaßlichen Islamisten. Die Staatsanwaltschaft bestätigte laut dem Radiosender RTBF, dass es sich bei dem Festgenommenen um den mutmaßlichen Täter handle.

Die Polizei bestätigte am Montagabend, dass zwei Menschen in der Nähe des Stadtzentrums erschossen wurden, und rief die höchste Terrorwarnstufe aus. Ministerpräsident Alexander De Croo schrieb auf Twitter (X), bei den Todesopfern handle es sich um schwedische Staatsbürger. Ein drittes Opfer, ein Taxifahrer, ist laut Staatsanwaltschaft inzwischen außer Lebensgefahr.

Ermittlungen dauern an

Der mutmaßliche Täter soll sich illegal in Belgien aufgehalten haben und sei den Behörden bekannt, sagte Justizminister Vincent van Quickenborne Dienstagfrüh. Die Ermittlungen dauerten an. Man könne sagen, dass es sich um einen 45-jährigen Tunesier handle, der im November 2019 in Belgien Asyl beantragt habe.

„Er erhielt im Oktober 2020 einen negativen Bescheid und verschwand kurz darauf vom Radar“, so die Staatssekretärin für Asyl und Migration, Nicole de Moor. Im Februar 2021 sei er offiziell aus dem Nationalregister gestrichen worden. Er habe sich nie in einem staatlichen Aufnahmezentrum aufgehalten. Da er aus dem Nationalregister gestrichen wurde, konnte sein Aufenthaltsort nicht ermittelt werden, um seine Rückkehr zu organisieren, sagte sie.

„Keine konkreten Hinweise auf Radikalisierung“

Er sei der Polizei im Zusammenhang mit Menschenhandel, illegalem Aufenthalt und Gefährdung der Staatssicherheit aufgefallen. In seiner Heimat sei er bereits wegen terroristischer Straftaten vor Gericht gestanden, berichtete der belgische Sender RTBF.

Im Juli 2016 wurden von einer ausländischen Polizeibehörde unbestätigte Informationen übermittelt, wonach der Mann ein radikalisiertes Profil habe und in ein Konfliktgebiet in den Dschihad ziehen wolle, wie van Quickenborne sagte. Solche Informationen gebe es zuhauf. Sie seien ohne Ergebnis überprüft worden. „Darüber hinaus gab es, soweit unseren Diensten bekannt ist, keine konkreten Hinweise auf eine Radikalisierung.“

Höchste Terrorwarnstufe in Brüssel

In Brüssel hat ein mutmaßlich islamistischer Attentäter am Montag zwei schwedische Staatsbürger erschossen und ist seitdem auf der Flucht. Die höchste Terrorwarnstufe wurde verhängt.

Eine Hausdurchsuchung durch Spezialeinheiten im Brüsseler Stadtteil Schaerbeek war am Dienstag nach Angaben des Bundesanwalts Frederic Van Leeuw ohne Erfolg geblieben. „An der angegebenen Adresse wurde niemand angetroffen“, sagte er. Aus Sicherheitsgründen sei das gesamte Gebäude mit rund 20 Wohnungen von der Polizei durchsucht worden.

Opfer sollen schwedische Fans sein

Die Tat ereignete sich kurz nach 19.00 Uhr in der Nähe des Place Sainctelette im Norden der belgischen Hauptstadt unmittelbar vor einem EM-Qualifikationsspiel im Brüsseler König-Badouin-Stadion. Mehreren Medienberichten zufolge handelt es sich bei den Opfern um schwedische Fans.

Die beiden starben rund fünf Kilometer entfernt vom Brüsseler Fußballstadion. Das EM-Qualifikationsspiel wurde beim Stand von 1:1 abgebrochen. Die Nachricht vom Tod der beiden verbreitete sich in der Halbzeitpause. Nach Angaben des schwedischen TV-Senders SVT hätten die Spieler der schwedischen Nationalmannschaft daraufhin beschlossen, das Spiel nicht fortzusetzen. Die belgischen Spieler hätten sich dem angeschlossen. Mehrere Tausend Menschen mussten aus Sicherheitsgründen zunächst im Brüsseler Fußballstadion ausharren, bis sie fortgebracht werden konnten.

Womöglich Bekennervideo

Nach Angaben der für Terrorismus zuständigen belgischen Bundesstaatsanwaltschaft gibt es bisher keine Hinweise, dass eine Verbindung zwischen dem Angriff in Brüssel und dem Angriff der radikalislamischen Hamas auf Israel besteht. Die schwedische Staatsangehörigkeit der Opfer könnte eine Motivation für die Tat sein, zitierte die belgische Nachrichtenagentur Belga einen Sprecher der Bundesstaatsanwaltschaft.

Polizisten bewachen einen Bereich in der Nähe eines Stadiums in Brüssel
Reuters/Johanna Geron
In den Straßen von Brüssel wurden die Sicherheitsvorkehrungen stark erhöht

Aus Ermittlerkreisen hieß es, in Onlinediensten kursiere ein Bekennervideo, auf dem ein Mann arabisch spreche. In einem weiteren Video, das auf der Website der flämischen Zeitung „Het Laatste Nieuws“ veröffentlicht wurde, ist zu sehen, wie der mutmaßliche Schütze in einer orangefarbenen Jacke eine automatische Waffe schultert und auf einem Motorroller davonfährt. Parallel sind mindestens vier Schüsse zu hören. In sozialen Netzwerken wurden unbestätigte Aufnahmen eines Mannes verbreitet, der sich als ein Mitglied des IS bezeichnet und erklärt, er habe drei Schweden getötet. Es ist unklar, ob es sich bei dem nun Festgenommenen um denselben Mann handelt.

Beileidsbekundungen von vielen Seiten

De Croo drückte dem schwedischen Premier Ulf Kristersson sein aufrichtiges Beileid aus: „Als enge Partner ist der Kampf gegen den Terrorismus ein gemeinsamer Kampf.“ Kristersson rief die Schweden und Schwedinnen in Belgien zur Wachsamkeit auf. Der schwedische Justizminister Gunnar Strommer sprach am Montag von „schrecklichen Nachrichten aus Brüssel“. Schweden hatte im August seine Terrorwarnstufe auf die zweithöchste Stufe angehoben, nachdem Koranverbrennungen in Schweden Muslime empört hatten. Die schwedische Regierung verurteilte die Verbrennungen.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach von einem „feigen Anschlag“ und drückte den Menschen in Schweden ihr Beileid aus. Der belgische EU-Ratspräsident Charles Michel schrieb auf Twitter (X): „Das Herz Europas wird von Gewalt getroffen. Mein Mitgefühl gilt den Familien der Opfer des tödlichen Anschlags im Zentrum von Brüssel.“ Der belgische Königspalast zeigte sich „schockiert“ und drückte seine „Unterstützung für die Sicherheitskräfte aus, die alles tun, um den Urheber der Taten zu fassen“, hieß es auf der Plattform.

Nehammer: „Stehen Seite an Seite“

Ähnlich äußerte sich Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni. „Italien verurteilt entschieden jede Form von Gewalt, Fanatismus und Terrorismus und drückt den Opfern und ihren Familien sein tiefstes Mitgefühl aus“, hieß es in einer Erklärung. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) verurteilte die Tat „auf das Schärfste“. „Wir stehen im Kampf gegen Terror und Extremismus Seite an Seite“, betonte Nehammer auf Twitter. Auch Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) verurteilte das Attentat.

Frankreichs Innenminister Gerald Darmanin kündigte an, die Grenzkontrollen zum Nachbarland Belgien verschärfen zu wollen. Am Freitag war in einer Schule in Nordfrankreich ein Französischlehrer von einem radikalisierten ehemaligen Schüler getötet worden. In dem Land gilt seitdem die höchste Alarmstufe.

Belgien mehrfach Ziel terroristischer Anschläge

Der Rat der Muslime in Belgien verurteilte das Attentat. Er forderte die Behörden „zu größter Entschlossenheit auf, um unsere nationale Gemeinschaft zu schützen und so schnell wie möglich Licht ins Dunkel zu bringen“.

Belgien war in den vergangenen Jahren mehrfach Ziel von Anschlägen. Am 22. März 2016 sprengten sich in der Hauptstadt Brüssel drei Selbstmordattentäter im Flughafen und in einer U-Bahn-Station in die Luft. Dabei wurden 35 Menschen getötet und fast 700 weitere verletzt. Zu den Taten bekannte sich die Terrormiliz IS.

Im November 2022 hatte ebenfalls in Brüssel ein mit einem Messer bewaffneter Mann zwei Polizisten angegriffen, wobei einer von ihnen getötet und der andere schwer verletzt wurde. Die Bundesstaatsanwaltschaft leitete eine Untersuchung ein.