Leonore Gewessler und Karl Nehammer
APA/Tobias Steinmauer
Erneuerbare-Wärme-Paket

Keine Pflicht zum Heizungstausch

Die Bundesregierung hat am Dienstag im Rahmen einer Pressekonferenz zu Konjunkturmaßnahmen im kommenden Budget ein Erneuerbare-Wärme-Paket (EWP) angekündigt. Damit wolle man Wirtschaft und Klimaschutz Rechnung tragen. Die Förderung von Sanierungsmaßnahmen soll ausgebaut, öffentliche Bauprojekte vorgezogen und die Umsatzsteuer auf PV-Anlagen abgeschafft werden. Der Einbau von Gasheizungen soll im Neubau ab 2024 verboten werden, der verpflichtende Heizungstausch kommt nicht.

Statt einer Verpflichtung zum Tausch soll es Anreize für einen Tausch durch eine Erhöhung der Förderungen für den Ausstieg aus Gasheizungen geben. Dafür wird eine Milliarde Euro für Kesseltausch und thermische Sanierungen zur Verfügung gestellt.

„Wer seine alte Heizung tauscht, bekommt im Durchschnitt drei Viertel ersetzt“, sagte Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne). Zudem sollen die Förderungen für einkommensschwache Haushalte sowie die Mittel für den Klima- und Energiefonds erhöht werden. Die Aussetzung der Umsatzsteuer der Photovoltaikanlagen wird laut Regierung 650 Millionen Euro kosten.

Gewessler: Welt hat sich weitergedreht

Man habe lange diskutiert, dabei sei „kostbare Zeit“ in puncto Klimaschutz verronnen, räumte Gewessler ein. Im Bereich der Bestandsgebäude habe es viel „Agitation“ und Kritik gegeben. „Das Erneuerbare-Wärme-Paket unterscheidet sich deutlich von der Regierungsvorlage, diese war richtig, und dazu stehe ich, aber die Welt hat sich weitergedreht“, sagte Gewessler. Der ursprüngliche Plan sei gut gewesen, aber er funktioniere heute nicht mehr, „deshalb habe ich eine Entscheidung getroffen, ihn zu ändern“.

Das übergeordnete Klimaziel sei nach wie vor minus 48 Prozent bis 2030, dafür brauche man „jeden Turbo“, den man bekommen könne. Man setze nun auf zwei neue Grundpfeiler, indem man Klarheit schaffe und unterstütze. Wer eine alte Heizung tausche, bekomme künftig drei Viertel der Kosten ersetzt. „Menschen können und werden diese Entscheidung selber treffen.“

Das Verbot von Gasheizungen im Neubau sei für Jahresbeginn 2024 geplant, hänge aber davon ab, dass es rechtzeitig im Nationalrat beschlossen werde. Die SPÖ habe man bereits über den neuen Plan informiert, sagte Gewessler mit Blick auf die notwendige Zweidrittelmehrheit.

Investitionen und Standortförderungen

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) sah einen guten Tag für die Energiewende in Österreich, aber auch für die Wirtschaft. Ein sozialer Wohlfahrtsstaat könne nur dann solidarisch sein, wenn es eine gute Wirtschaftslage gebe. In diesem Sinne habe man im Rahmen des Erneuerbare-Wärme-Pakets Maßnahmen ergriffen. „Vielen Unkenrufen zum Trotz“ habe die Koalition bewiesen, dass man konstruktiv verhandle. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) sah Vorteile für die Konjunktur und den Umweltschutz. Die Delle in der Baukonjunktur werde man zielgerichtet bekämpfen.

Gasheizungsverbot für Neubauten

Die Bundesregierung hat sich auf ein Konjunkturpaket geeinigt. Ein Teil davon ist auch das Erneuerbaren-Wärme-Paket. Damit soll der Einbau von Gasheizungen im Neubau ab 2024 verboten werden.

Als Konjunkturmaßnahmen im Budget für das kommende Jahr sollen öffentliche Investitionen des Bundes vorgezogen werden. Dabei geht es um öffentliche Bauprojekte im Ausmaß von rund 640 Millionen Euro. Zudem soll es Investitionen und Standortförderungen in Zukunftsbereiche geben, betroffen sind etwa ÖBB, ASFINAG und Bundesimmobiliengesellschaft. Klimaschutz sichere Arbeitsplätze, es gehe hier um kleine und mittlere Betriebe in den Regionen und Städten. „Wir alle wohnen gerne in einem guten sanierten Haus oder steigen in einen modernen Zug“, so Gewessler.

Auch in puncto Stromerzeugung sind Maßnahmen geplant. Die bisherige Förderung sei zwar gut angenommen worden, in der Umsetzung habe es aber auch Kritik gegeben, so Nehammer. Der Zugang zur Förderung werde niederschwelliger gestaltet. Die Umsatzsteueraussetzung für Photovoltaikanlagen ist für 2024 und 2025 vorgesehen. Komplizierte und oft eilige Ansuchen übers Internet sollen damit Geschichte sein. Die Aussetzung der Umsatzsteuer der Photovoltaikanlagen wird laut Regierung 650 Millionen Euro kosten.

Einigung bei Energiekostenzuschuss II

Eine Einigung gibt es auch bei der Umsetzung des Energiekostenzuschusses II. Drei Milliarden Euro des Pakets sind für Sanierungsmaßnahmen zur Erreichung der Klimaziele gedacht. Die andere Hälfte umfasst den Energiekostenzuschuss für die Wirtschaft. Das solle insbesondere helfen, um im internationalen Wettbewerb gegenüber deutschen Firmen zu bestehen, sagte ÖVP-Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher.

Der Ende des vergangenen Jahres beschlossene Energiekostenzuschuss 2 soll Unternehmen helfen, die hohen Energiekosten abzufedern. Bisher hat es sich aber bei der Umsetzung der bis zu 150 Millionen Euro schweren Förderung gespießt.

Zuletzt hatten sich die Grünen noch dagegen ausgesprochen. Sie befürchten eine Überförderung der Betriebe, die die Inflation weiter anheizen könnte. Eine Überförderung sei nicht zu befürchten, sagte Kocher. Antragsstart werde am 9. November sein. Seit dem gestrigen Start der Voranmeldung hätten sich bereits gut 7.000 Firmen vorregistriert.

Gastherme
ORF.at/Patrick Bauer
Anders als ursprünglich geplant soll es keine Verpflichtung zum Heizungstausch in Bestandsgebäuden geben

Entscheidend für Erreichen der Klimaziele

In Österreich war der Gebäudesektor (Wohn- und betriebliche Gebäude) laut Klimaschutzministerium 2019 für Treibhausgasemissionen von 8,1 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent verantwortlich – das entspreche rund zehn Prozent der österreichischen Gesamtemissionen. Außerdem würden rund 41 Prozent des Gesamtenergieträgereinsatzes für Raumwärme und Warmwasser im Gebäudesektor durch fossile Energieträger bereitgestellt.

Je später man Regeln verabschiede, desto mehr Heizungen mit fossilen Energieträgern würden weiterhin eingebaut, hatte die Umweltökonomin Sigrid Stagl von der Wirtschaftsuniversität Wien im September gegenüber der ZIB2 gesagt und einen baldigen Beschluss des ursprünglich geplanten Erneuerbare-Wärme-Gesetzes (EWG) urgiert. Die Heizungen würden zwar lange in Betrieb sein, trotzdem müsse dekarbonisiert werden, um das Pariser Klimaabkommen einzuhalten.

Das ursprünglich geplante EWG war monatelang in der Schwebe. Es war bereits im November im Ministerrat beschlossen worden. Ursprünglich hätte es schon im Jänner in Kraft treten sollen.

Scharfe Kritik von Opposition

„Ganz offensichtlich hat die Regierung als Ablenkung vom weitreichenden COFAG-Urteil ganz plötzlich ein Konjunkturpaket in ihrem Budget ‚gefunden‘ und lässt das die Österreicher:innen in einer eiligst einberufenen Pressekonferenz wissen", kritisiert SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter. Es handle sich um kein „echtes“ Konjunkturpaket, sondern ein „Sammelsurium aus verschiedenen Budgetposten“.

FPÖ-Chef Herbert Kickl kritisierte „eine kommunikative Mogelpackung in Reinkultur“. Mit dem Gasheizungsverbot und anderen Maßnahmen würden ÖVP und Grüne ein Jahr vor der Nationalratswahl „eine weitere ‚Steuergeld-Verbrennungsaktion‘ für ihre eigene Klientel“ starten. Er forderte den „sofortigen Rücktritt“ der Bundesregierung und „schnellstmögliche Neuwahlen“.

„Immer, wenn sich die Bundesregierung nicht einigen kann und ihr Kraft, Mut und Vision für echte Veränderungen fehlen, bewirft sie bestehende Probleme mit Geld. Mit Förderungen allein werden wir die Energiewende aber nicht schaffen“, sagte NEOS-Budget- und -Energiesprecherin Karin Doppelbauer. Das Paket sei ein „Drehen an den ganz kleinen Schrauben“.

Umweltschutzorganisationen sehen Kniefall vor Lobbys

Kritik kam auch von Umweltschutzorganisationen. Global 2000 sah ein „schwaches Minimalpaket“, das im Wesentlichen neue Förderanreize und ein Ende von Gasheizungen im Neubau vorsieht, diese würden aber schon jetzt kaum eine Rolle spielen.

Als „Kniefall vor der Öl- und Gas-Lobby“ bezeichnet Martina Prechtl-Grundnig, Geschäftsführerin des Dachverbands Erneuerbare Energie Österreich (EEÖ), das Erneuerbare-Wärme-Paket. Der verbindliche Ausstieg für die nach wie vor genützten 1,4 Millionen Öl- und Gasheizungen fehle völlig.