Rettungskräfte versorgen Verletzte vor dem angegriffenen Spital At Al-Ahli in Gaza City
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Gaza

Viele Tote nach Beschuss von Spital

Zahlreiche Todesopfer und gegenseitige Schuldzuweisungen: Am Dienstag ist ein Krankenhausgelände in Gaza von einem folgenschweren Raketeneinschlag getroffen worden. Während Israel die Terrororganisation Islamischer Dschihad in Palästina für den Vorfall verantwortlich machte, wies die im Gazastreifen herrschende Hamas Israel die Schuld für den Angriff zu. Das Hamas-Gesundheitsministerium meldete Hunderte Tote.

Nach Angaben des Hamas-Ministeriums befanden sich nach dem Vorfall Hunderte Opfer unter den Trümmern des Al-Ahli-Arab-Krankenhauses in der Innenstadt von Gaza. Bilder des Senders al-Jazeera zeigten Sanitäter und Zivilisten, die Leichen in weißen Taschen oder Decken bergen. Das Medienbüro der Hamas sprach von einem Kriegsverbrechen.

Die israelische Armee machte wenig später den Islamischen Dschihad für den Angriff verantwortlich. Darauf wiesen Informationen der Geheimdienste hin, die „auf mehreren uns vorliegenden Quellen basieren“, hieß es in einer Mitteilung der Armee. Weiter erklärte sie, eine Analyse ergebe, dass „eine Raketensalve von Terroristen in Gaza abgefeuert wurde, die in unmittelbarer Nähe des Ahli-Krankenhauses vorbeizog, als dieses getroffen wurde“.

Tausende suchten Schutz in Spital

Zehntausende Familien im Gazastreifen suchen derzeit in den völlig überfüllten Krankenhäusern des Gazastreifens Zuflucht vor Luftangriffen, mit denen Israel auf den Großangriff der Hamas vom 7. Oktober reagiert. Auch auf dem nun getroffenen Krankenhausgelände hielten sich Tausende Menschen auf, die ihre Häuser verlassen mussten.

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas sprach von einem „Krankenhausmassaker“ und ordnete an, die Fahnen für eine dreitägige Trauerzeit auf halbmast zu setzen und der „Märtyrer“ in dieser Zeit zu gedenken. In Ramallah im Westjordanland, dem Sitz von Abbas, marschierten am Abend Hunderte Demonstranten durch die Straßen und forderten den Rücktritt des Palästinenserpräsidenten.

Mahmoud Abbas
Reuters/Lisi Niesner
Abbas sprach von einem „Krankenhausmassaker“

Die Wut der Demonstranten entzündete sich offenbar an dem ihrer Ansicht nach zu sanften Ton, den Abbas seit Beginn des Krieges angeschlagen habe. Abbas steht der Palästinenserbehörde im Westjordanland vor, während im Gazastreifen die Hamas regiert. Bei später einsetzenden Krawallen setzten Sicherheitskräfte Tränengas gegen die Demonstranten ein.

Zahlreiche Reaktionen und erste Folgen

Der folgenschwere Vorfall auf dem Krankenhausgelände rief international zahlreiche Reaktionen hervor. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan erklärte, er fordere die Menschheit auf, einzuschreiten „und diese beispiellose Brutalität in Gaza zu stoppen“. Auch der Chef der Arabischen Liga, Ahmet Abul Geit, rief die westlichen Staaten auf, „dieser Tragödie sofort ein Ende zu setzen“. WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus verurteilte den Angriff.

Angriff auf Krankenhaus in Gaza

Nach Angaben der Terrororganisation Hamas soll infolge eines israelischen Luftangriffs ein Krankenhauskomplex in Gaza getroffen worden sein, es werden Hunderte Tote befürchtet. Israel dementiert. Gleichzeitig laufen die diplomatischen Versuche, den Konflikt einzudämmen auf Hochtouren.

UNO-Menschenrechtskommissar Volker Türk bezeichnete den Beschuss als „vollkommen inakzeptabel“. „Mir fehlen die Worte. Heute Nacht wurden bei dem Angriff auf das Al-Ahli-Arab-Krankenhaus Hunderte Menschen auf schreckliche Weise getötet, darunter Patienten, Pflegepersonal und Familien, die im und um das Krankenhaus Zuflucht gesucht hatten“, hieß es in einer Erklärung Türks am Dienstag.

„Wieder einmal trifft es die Schwächsten. Das ist vollkommen inakzeptabel“, fügte er hinzu und betonte, Krankenhäuser seien unantastbar und müssten um jeden Preis geschützt werden. „Wir kennen noch nicht das ganze Ausmaß dieses Gemetzels, aber klar ist, dass die Gewalt und das Töten sofort aufhören müssen“, forderte der UNO-Menschenrechtskommissar.

Hisbollah verkündet „Tag des Zorns“

Die im Libanon herrschende Hisbollah rief für Mittwoch zu einem „Tag des Zorns“ auf. In der jordanischen Hauptstadt Amman versuchten Dutzende Demonstranten, die israelische Botschaft zu stürmen. Vor der französischen Botschaft in der tunesischen Hauptstadt Tunis versammelten sich Hunderte Demonstranten, welche die Entlassung des französischen und des US-Botschafters forderten.

Die Hamas hatte am 7. Oktober einen Großangriff auf Israel gestartet, dort Massaker unter Zivilisten verübt und mindestens 199 Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Bei dem Angriff wurden in Israel nach Angaben der dortigen Dienste mehr als 1.400 Menschen getötet. Bei den israelischen Gegenangriffen auf den Gazastreifen wurden nach bisherigen Angaben der dortigen Behörden etwa 3.000 Menschen getötet.

Biden erwartet

Am Mittwoch wird US-Präsident Joe Biden zu einem Besuch in Israel erwartet. Ein Treffen mit Palästinenserpräsident Abbas ist von palästinensischer Seite abgesagt worden. Und Jordanien sagte nach Angaben seines Außenministers den für Mittwoch geplanten Vierergipfel mit Biden, dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi sowie Abbas ab.

„Schlimmstes Verbrechen gegen Juden seit Holocaust“

Wenige Stunden vor Bekanntwerden des Geschehens in Gaza war der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz am Dienstag gemeinsam mit dem israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu in Tel Aviv vor die Presse getreten. „Die Sicherheit Israels und seiner Bürgerinnen und Bürger ist deutsche Staatsräson“, sagte Scholz. „Unsere aus dem Holocaust erwachsene Verantwortung macht es uns zu unserer Aufgabe, für die Existenz und die Sicherheit des Staates Israel einzustehen“, sagte der Kanzler weiter.

Netanjahu verglich die Hamas mit den Nazis: „So wie die Welt sich zusammengetan hat, um die Nazis zu besiegen (…), so muss die Welt nun geeint hinter Israel stehen, um die Hamas zu besiegen“, sagte der israelische Regierungschef. „Die Barbarei, die von Mördern der Hamas aus dem Gazastreifen begangen wurde, ist das schlimmste Verbrechen gegen Juden seit dem Holocaust.“

Scholz’ Delegation musste Flugzeug verlassen

Die Delegation von Scholz musste dann Dienstagabend vor dem Abflug von Tel Aviv nach Kairo wegen eines Raketenalarms schlagartig das Flugzeug verlassen. Scholz wurde mit einem Auto in ein Gebäude gefahren, die anderen Passagiere wurden aufgefordert, sich auf dem Flugfeld auf den Boden zu legen.

Es wurden zwei Flugabwehrraketen abgefeuert, die auf dem Flugfeld deutlich zu hören waren. Nach wenigen Minuten konnten die Passagiere wieder in das Flugzeug steigen. Am späten Abend flog die Maschine mit Scholz und der Delegation Richtung Kairo ab.