Polizeiauto in Wien
ORF.at/Lukas Krummholz
Weltweite Bedrohungslage

Zweithöchste Terrorwarnstufe gilt

Durch die jüngste Eskalation in Israel und aufgrund des Terroranschlags in Brüssel sehen die Sicherheitsbehörden auch in Österreich eine „konkrete Gefährdungslage und erhöhte Anschlagsgefahr“. Wie Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) am Mittwoch mitteilte, wird die Terrorwarnung auf die zweithöchste Stufe angehoben. Konkrete Hinweise gibt es derzeit nicht.

Seit März 2022 galt in Österreich die Warnstufe „erhöht“, nun steht sie auf „hoch“. Karner äußerte sich in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP), Staatsschutz-Chef Omar Haijawi-Pirchner und dem Wiener Militärkommandanten Kurt Wagner.

Dabei wurde mitgeteilt, dass die Polizei bei ihren Schutzaufgaben künftig noch stärker auf Kräfte des Bundesheers zurückgreifen wird. Ein Ministerratsvortrag Karners sieht vor, dass bis zu 190 Bundesheersoldatinnen und -soldaten für Raum- und Objektschutzmaßnahmen insbesondere in Wien eingesetzt werden sollen.

Die zusätzlichen „besonders geschulten Kräfte“ des Bundesheers sollen „überwiegend zum Schutz jüdischer Einrichtungen eingesetzt“ werden. Schon bisher werden etwa diplomatische Vertretungen von Soldaten geschützt. Karner kündigte auch eine verstärkte sichtbare Präsenz vor jüdischen Einrichtungen an. Das erfolge auf Wunsch der jüdischen Gemeinde, die sich eine solche Präsenz wünsche, so der Minister. Viele Jüdinnen und Juden hätten derzeit „Angst“, Kinder würden nicht die Schule besuchen.

Einbindung des Heeres

Um den Schutz zu bewerkstelligen, wird stärker auf Kräfte des Bundesheers zurückgegriffen. Schon jetzt hilft das Verteidigungsministerium der Polizei mit 100 Soldaten zum Schutz von 20 Botschaften aus. Nun sollen 90 Soldaten dazukommen, um insbesondere jüdische Einrichtungen zu schützen.

Terrorwarnstufe in Österreich erhöht

Wegen der jüngsten Eskalation im Nahost-Konflikt und des Terroranschlags in Brüssel sehen die Sicherheitsbehörden auch in Österreich eine „konkrete Gefährdungslage und erhöhte Anschlagsgefahr“. Wie Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) mitteilte, wird die Terrorwarnung auf die zweithöchste Stufe angehoben.

Laut Tanner werden die Assistenzsoldaten „vorrangig durch die Militärpolizei gestellt werden“. Militärkommandant Wagner sagte, dass sie auch faktisch die gleichen Befugnisse wie reguläre Polizisten haben werden. Ihr Auftrag sei die Gefahrenabwehr. Beginnen solle der Schutz noch diese Woche. Einzelheiten wurden aus einsatztaktischen Gründen nicht mitgeteilt. Beschlossen wurde der Assistenzeinsatz im Umfang von nun 190 Soldaten, der vorerst bis Ende November befristet ist, im Ministerrat am Mittwoch.

„Terrorabwehrzentrum“ angekündigt

Karner und Tanner gaben auch die Einrichtung eines „Terrorabwehrzentrums“ bekannt, das aus Vertretern der zwei Bundesheergeheimdienste Heeresnachrichtenamt (HNA) und Heeresabwehramt (HAA) sowie der DSN bestehen und rund um die Uhr im Innenministerium tagen soll. „Wir bündeln die hohe Expertise unserer drei Dienste im Interesse der Sicherheit Österreichs“, sagte Tanner.

Erhöhte Gefahr „in Zusammenschau“

Laut Haijawi-Pirchner gibt es derzeit keine konkreten Hinweise auf geplante Anschläge. Doch „in Zusammenschau“ ergebe sich eine erhöhte Gefahr. Gemeint sind dabei nicht nur die Ereignisse in Israel, wo in der Nacht auf Mittwoch eine Explosion ein Spital in Gaza zerstörte und Hunderte Menschen ums Leben kamen. Seither gibt es zahlreiche wütende Reaktionen in der arabischen Welt und Aufrufe der Hamas sowie der Palästinenser im Westjordanland zu Konfrontationen.

Auch in Österreich könne der Vorfall dazu führen, „dass extremistische Propaganda weiter versprüht wird“, so Haijawi-Pirchner. Es kam auch in Österreich schon zu propalästinensischen Demos, bei denen Israel das Existenzrecht abgesprochen wurde. Es könne zu einer Radikalisierung von Gefährderinnen und Gefährdern kommen. „Wir sehen das Risiko bei Einzeltätern“, bei denen es aufgrund der Situation im Nahen Osten zu einer „Triggerwirkung“ kommen könnte, sagte der Chef der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN).

Opposition will „Geheimdienstausschuss“

Die Grünen begrüßten den beschlossenen zusätzlichen Schutz für jüdische Einrichtungen in Österreich. „Durch die Stationierung von Militärpolizei und Eliteeinheiten des österreichischen Bundesheeres vor jüdischen Einrichtungen wird ein deutliches Signal für Sicherheit und Solidarität gesetzt“, so der grüne Verteidigungssprecher David Stögmüller in einer Aussendung.

Die Sicherheitssprecherinnen und -sprecher von SPÖ, Reinhold Einwallner, FPÖ, Hannes Amesbauer, und NEOS, Stephanie Krisper, forderten die sofortige Einberufung des ständigen Unterausschusses für innere Angelegenheiten. Der Innenminister solle dort die Lageeinschätzung der Nachrichtendienste mit den Oppositionsparteien teilen und die konkreten Schritte, die durch die Erhöhung der Warnstufe eingeleitet werden, darlegen. Die Opposition müsse über gefährliche Entwicklungen umgehend informiert werden, hieß es in einer Aussendung. Die FPÖ wertete die Erhöhung der Terrorstufe als „Resultat der jahrelangen illegalen Masseneinwanderung aus islamischen Ländern“.

Terror in Europa

Die Erhöhung der Stufe in Österreich ist auch eine Folge der Terrorgefahr in anderen Ländern. Seit Beginn des Krieges zwischen Israel und der Hamas gab es in vielen Ländern antisemitische Übergriffe und teils gewalttätige Proteste gegen Israel. In Brüssel erschoss ein Attentäter am Montagabend am Rande eines Fußballspiels zwischen Belgien und Schweden zwei schwedische Fans.

Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) reklamierte die Tat für sich. In Frankreich tötete ein islamistisch radikalisierter Mann in einer Schule einen Lehrer und verletzte drei weitere Menschen. Auch dieser Angreifer bekannte sich zum IS.

Kurt Wagner, Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP), Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) und Omar Haijawi-Pirchner (Leiter DSN)
APA/Eva Mannhart
Wagner, Tanner, Karner und Haijawi-Pirchner (v. l. n. r.) machten auf erhöhte Terrorgefahr aufmerksam

Wegen Bombendrohungen wurden zudem am Mittwoch die Flughäfen in Lille, Lyon und Toulouse evakuiert. Drohungen waren eingegangen, berichtete der Sender BFMTV unter Verweis auf die Polizei. In Frankreich häuften sich zuletzt auch Bombendrohungen, der Pariser Louvre war von einem falschen Bombenalarm betroffen, Schloss Versailles sogar zweimal. Wer hinter den Drohungen steckt, konnte bisher nicht ermittelt werden.

Angriffe „auf neue Art und Weise“ möglich

In Deutschland gab es am Mittwoch einen versuchten Brandanschlag auf ein Haus mit jüdischen Einrichtungen. Die Berliner Gemeinde Kahal Adass Jisroel schrieb auf Twitter (X), Unbekannte hätten zwei Molotowcocktails von der Straße aus in Richtung ihres Gemeindezentrums geworfen. Die Polizei nannte aber keine Details. Laut „Tagesspiegel“ gab es keine Verletzten. Die Brandflaschen seien funktionsfähig gewesen und hätten gebrannt. Das Gebäude sei jedoch nicht in Brand geraten, da die Angreifer es verfehlt hätten.

In Frankreich gilt die höchste Warnstufe, in Großbritannien wird ebenso vor erhöhter Terrorgefahr gewarnt. „Im derzeitigen Klima sind wir und unsere Partner besonders auf das Risiko eingestellt, dass Terrororganisationen auf eine neue Art und Weise zuschlagen könnten, oder vielleicht, dass Einzelpersonen auf spontane und unvorhersehbare Weise angreifen“, so der Chef des britischen Inlandsgeheimdienstes MI5, Ken McCallum.

Israelis sollen Türkei verlassen

Die israelischen Behörden riefen ihre Bürgerinnen und Bürger am Mittwoch auch zum Verlassen der Türkei auf. „Angesichts der zunehmenden terroristischen Bedrohung gegen Israelis im Ausland“ sollten alle israelischen Staatsbürger die Türkei schnellstmöglich verlassen, teilte der Nationale Sicherheitsrat mit.

Nach der Explosion in Gaza hatten sich am Dienstagabend Tausende vor den diplomatischen Vertretungen in Istanbul und Ankara zu Protestkundgebungen gegen Israel versammelt. In Istanbul nahm die Polizei nach Angaben des Gouverneurs fünf Demonstrierende fest, die versucht hatten, in das israelische Konsulat einzudringen. Dabei seien 63 Menschen verletzt worden, darunter 43 Polizisten, so die Regionalregierung in Istanbul.

Auch in Südamerika wurden am Mittwoch Evakuierungen angeordnet. Nach Bombendrohungen per E-Mail wurden in Argentinien die US- und die israelische Botschaften geräumt.