Christian Pilnacek
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1962–2023

Christian Pilnacek ist tot

Christian Pilnacek, langjähriger Justizsektionschef, ist verstorben. Das berichtete zuerst das Nachrichtenmagazin „profil“ (Onlineausgabe), dessen Bericht das Justizministerium kurze Zeit später bestätigte. Pilnacek war Generalsekretär im Justizministerium und viele Jahre einer der einflussreichsten Beamten des Landes. Der 60-Jährige wurde am Freitag tot aufgefunden.

Über die genauen Todesumstände gibt es noch keine bestätigten Angaben. Die Landespolizeidirektion Niederösterreich bestätigte gegenüber Ö1, dass Pilnacek in der Nacht auf Freitag alkoholisiert und als Geisterfahrer von einer Streife auf der Stockerauer Schnellstraße (S5) in Niederösterreich angehalten wurde.

Der Führerschein sei ihm abgenommen worden, woraufhin er von einer weiteren Person abgeholt worden sei. Später sei er in Niederösterreich tot aufgefunden worden, schrieb der „Standard“. Das Landeskriminalamt Niederösterreich habe die Ermittlungen aufgenommen, heißt es.

Schlagabtausche mit WKStA

Vor allem seine Auseinandersetzungen mit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) rückten ihn ins Licht der Öffentlichkeit. Das führte unter anderem zu strafrechtlichen Ermittlungen gegen ihn und Befragungen im U-Ausschuss. Eine neue Dimension erreichten die Auseinandersetzungen, als Pilnacek im Zuge von Ermittlungen zum Heumarkt-Projekt von der Staatsanwaltschaft Wien das Handy abgenommen wurde.

Christian Pilnacek beim ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss
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Pilnacek wurde vom ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschuss befragt

Der Vorwurf: Er soll interne Informationen aus der Behörde verraten haben – in dieser Causa wird nach wie vor ermittelt. In einem anderen Verfahren wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses wurde er dagegen rechtskräftig freigesprochen. Die diversen Vorwürfe führten schließlich zu einer Suspendierung Pilnaceks im Jahr 2021 durch Vizekanzler Werner Kogler in Vertretung von Justizministerin Alma Zadic (beide Grüne), die sich zu der Zeit in Karenz befand, wegen des Verdachts auf Verrat von Amtsgeheimnissen.

Hilfe im Krisenfall

Berichte über (mögliche) Suizide können bei Personen, die sich in einer Krise befinden, die Situation verschlimmern. Österreichweit und in den Bundesländern gibt es Anlaufstellen, die Rat und Unterstützung im Krisenfall anbieten.

Die österreichweite Telefonseelsorge ist ebenfalls jederzeit unter 142 gratis zu erreichen. Hilfe für Jugendliche und junge Erwachsene bietet auch Rat auf Draht unter der Nummer 147.

Tiefe Betroffenheit

Laut „profil“ stand die Suspendierung kurz vor der Rücknahme. Zadic zeigte sich in einer übermittelten Stellungnahme vom Tod Pilnaceks erschüttert und nannte ihn einen „fachlich äußerst versierten Juristen, der mit seiner Expertise einen großen Beitrag zur Weiterentwicklung der Straflegistik geleistet hat“. Ministerium und Justizpalast waren am Freitagnachmittag schwarz beflaggt.

Auch Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) zeigte sich „tief betroffen“. Pilnacek sei „ein brillanter Jurist gewesen, der die österreichische Justiz über Jahrzehnte geprägt hat wie kaum ein anderer. Als Architekt des Strafprozessreformgesetzes 2004 hat er für immer seine Handschrift in Österreichs Rechtssystem hinterlassen.“

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) äußerte sich auf Twitter (X) ebenfalls tief betroffen. Er habe Pilnacek – auch in der Zusammenarbeit als Innenminister – als „herausragenden Juristen kennen und schätzen gelernt“. Ähnlich auch SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim, die Pilnacek als „einen der besten Strafrechtsexperten des Landes“ bezeichnete. FPÖ-Justizsprecher Harald Stefan nannte den „hervorragenden Juristen“ eine „Persönlichkeit mit Charakter, die auch zu Widerspruch angeregt hat“.

Christian Pilnacek ist tot

Der langjährige Justizsektionschef Christian Pilnacek ist verstorben. Der 60-Jährige war Generalsekretär im Justizministerium und viele Jahre einer der einflussreichsten Beamten des Landes.

„Wer vorbereitet Gernot auf seine Vernehmung?“

Zur Vorgeschichte: Im Mai 2020 gab Zadic bekannt, die Sektion Strafrecht in zwei Teile aufzuteilen – Legistik und Verfahren. Das bedeutete eine Entmachtung für Pilnacek, er übernahm die Abteilung für Straflegistik. Erst im April wurde Pilnacek von der Bundesdisziplinarbehörde zu einer Geldstrafe von einem Monatsbezug verurteilt.

Er hatte dem damaligen Kabinettschef im Finanzministerium per Chatnachricht („Das ist ein Putsch“; „Die spielen unfair; nur eine Beschwerde hilft …“) geraten, Rechtsmittel gegen eine von der WKStA vollzogene Hausdurchsuchung im Finanzministerium sowie Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die zuständigen Sachbearbeiter zu erheben.

Weiters hatte er sich erkundigt, wer den damaligen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) auf dessen Beschuldigtenvernehmung vorbereitet („Wer vorbereitet Gernot auf seine Vernehmung?“). Durch die Mitteilung rechtlicher und prozesstaktischer Überlegungen habe Pilnacek seine Dienstpflicht verletzt, hielt die Disziplinarbehörde fest.

Kenner des Strafrechts

Pilnacek galt als erfahrener Jurist und Kenner des Strafrechts. Gleichzeitig schreckte er nicht davor zurück, sich mit den ihm unterstellten Staatsanwälten anzulegen. Mit dem mittlerweile legendären Satz „Setzts euch z’samm und daschlogts es, aber das hättet ihr vor drei Jahren machen können“ hatte er etwa Anklagevertreter aufgefordert, sich in der Eurofighter-Causa nicht mit keinen erfolgversprechenden Ermittlungssträngen aufzuhalten und diese Teile einzustellen.

Pilnacek startete seine Karriere 1990 als Richteramtsanwärter im Sprengel des Oberlandesgerichts Wien und 1992 als Richter des Bezirksgerichtes Innere Stadt in Wien. Er erhielt eine Dienstzuteilung zum Bundesministerium für Justiz in der Sektion IV (Straflegislativsektion). 1998 und 1999 war er Richter am Landesgericht Korneuburg in Niederösterreich. Im September 2010 wurde Pilnacek zum Leiter der Strafrechtssektion des Justizministeriums ernannt. Er galt als Verbindungsmann zwischen Justizministerium und ÖVP, zu der er besonders gute Kontakte unterhielt.

Als Justizsektionschef kontrollierte er die lokalen Staatsanwaltschaften, die vier Oberstaatsanwaltschaften und die WKStA. Im Februar 2018 bestellte der frühere Justizminister Josef Moser (parteilos/FPÖ) Pilnacek neben dessen Tätigkeit als Sektionschef der Strafrechtssektion zum Generalsekretär des Bundesministeriums für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz und damit zum obersten Beamten des Justizministeriums. Nach dem Ende der ersten Bundesregierung unter Sebastian Kurz (ÖVP) endete seine Funktion im Mai 2019.

Bestürzung im Kurz-Prozess

Der frühere Bundeskanzler Kurz reagierte im Gerichtsprozess gegen ihn am Freitag mit Bestürzung. Vor der richterlichen Befragung bezüglich der Bestellung Thomas Schmids zum ÖBAG-Chef wies Kurz Richter Michael Radasztics auf das Ableben Pilnaceks hin. Er fände es „komisch“, das nicht zu erwähnen, denn „ich habe gestern Abend noch mit Pilnacek telefoniert“, so Kurz. „Ich habe das mit einiger Bestürzung eben auch gelesen“, antwortete der Vorsitzführende.

Pilnacek war in zweiter Ehe mit der Juristin Caroline List, Präsidentin des Landesgerichtes für Strafsachen in Graz, verheiratet und hinterlässt drei erwachsene Kinder aus erster Ehe.