Ein Bergdorf bei den Dolomiten in Südtirol
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Wahl in Südtirol

Volkspartei bangt Sonntag entgegen

Rund 432.000 Wählerinnen und Wähler sind am Sonntag in Südtirol dazu aufgerufen, ihre Stimme bei der Landtagswahl abzugeben. Und sie erwartet ein besonders fragmentiertes Parteiensystem: 16 Listen kämpfen um 35 Sitze im Südtiroler Landtag – so viele gab es erst einmal, 1993. Der Südtiroler Volkspartei (SVP) wird ein starker Verlust prognostiziert, der Landeshauptmann-Sessel dürfte aber nicht wackeln. Gewählt wird auch in der benachbarten autonomen Provinz Trentino.

„Die SVP wird sicher das schlechteste Ergebnis in ihrer Geschichte einfahren“, erwartete der Südtirol-Experte und Politologe Günther Pallaver. Dennoch sei Landeshauptmann Arno Kompatscher wohl nur bei einem Absturz um zehn Prozentpunkte auf rund 32 Prozent gefährdet, oder wenn dessen Vorzugsstimmen „in den Keller fallen“ – beides sei nicht zu erwarten. 35 Prozent (Umfrage in der Tageszeitung „Dolomiten“) wurden der SVP zuletzt prognostiziert.

Bis 2013 regierte die Volkspartei Südtirol mit absoluter Mehrheit. Vor zehn Jahren, nach dem Ende der ein Vierteljahrhundert dauernden Ära von Landeshauptmann Luis Durnwalder, erhielt die SVP immerhin noch 45,7 Prozent, aber erstmals weniger als 18 Sitze. 2018 verlor sie weiter an Zustimmung und kam nur noch auf 41,9 Prozent bzw. 15 Sitze.

Grafik zur Landtagswahl in Südtirol
Grafik: APA/ORF; Quelle: Dolomiten/INSA

Rechte wohl auch künftig an Bord

Dank einer Koalition mit der Lega, die, auf der Erfolgswelle des damaligen Innenministers Matteo Salvini schwimmend, vier Mandate erzielte, regierte die SVP fünf Jahre lang weiter. Und Kompatscher tritt, entgegen seiner einstigen Aussage, nur zwei Legislaturperioden im Amt bleiben zu wollen, erneut an.

Dieses Mal könnte es für ihn aber deutlich schwieriger werden, ein mehrheitsfähiges Bündnis auf die Beine zu stellen. Die SVP dürfte wohl nun zwei Partner brauchen, neu sei das aber nicht, sagte Politologe Pallaver. Entgegen einer weitverbreiteten Vorstellung habe die SVP „jahrzehntelang immer mit zwei italienischen Parteien koaliert“.

Als wahrscheinliche Partner galten dabei neben dem bisherigen Koalitionspartner Lega die Fratelli d’Italia der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Letzterer wird das beste Ergebnis der italienischsprachigen Parteien prognostiziert. Zudem habe sich die SVP bei der Regierungsbildung historisch immer auch an der Regierung in Rom orientiert, ein „Spiegelbild“ gebildet, sagte Pallaver in einem APA-Interview.

Landeshauptmann und Spitzenkandidat Arno Kompatscher (SVP)
APA/Wolfgang Eder
Für Kompatscher wird es, so er sich halten kann, mit Sicherheit die letzte Amtsperiode – mehr als drei sind nicht gestattet

Deutschsprachiger Koalitionspartner wenig erwünscht

Dem zu erwartenden Aufschrei nach einer möglichen Koalitionsbildung mit den als postfaschistisch geltenden Fratelli könnte die SVP mit einer Präambel begegnen. Bereits bei der Bildung der aktuell amtierenden Koalition mit der Lega war diese Variante zur Anwendung gekommen. In der Erklärung waren Bekenntnisse für Minderheiten, Autonomie und Europa festgeschrieben und von der Lega auch unterzeichnet worden. „Ich könnte mir vorstellen, dass es diesmal in dieselbe Richtung geht“, hielt der Südtiroler Politikwissenschaftler fest.

Reichen die Stimmen für SVP und italienische Rechte nicht für eine halbwegs komfortable Mehrheit, müsste sich die Volkspartei erstmals eine deutschsprachige Kraft mit in die Regierung holen. Doch das will die SVP um jeden Preis verhindern, schließlich würde damit der historisch erhobene Alleinvertretungsanspruch der Partei für die deutsch- und ladinischsprachige Minderheit im Land aufgegeben.

Allerdings lag das Maximum der kandidierenden deutschsprachigen Parteien bisher bei fünf, nun treten acht Listen zur Wahl an. Dass die SVP die „große Mehrheit der Minderheit“ vertritt, sei nun „rein arithmetisch nicht mehr der Fall“, sagte Pallaver. Der Status als „Sammelpartei“ sei für die SVP jedenfalls nicht mehr aufrechtzuerhalten. Aufgrund der nunmehr abgesicherten Autonomie und des Minderheitenschutzes sei der „ethnische Kitt“ verloren gegangen.

Warnung vor Instabilität

Obwohl innerparteiliche Risse und Zerwürfnisse in den vergangenen fünf Jahren immer deutlicher wurden und im alleinigen Antreten der Liste von Ex-SVP-Urgestein Thomas Widmann gipfelten, beschwor die SVP im Wahlkampf demonstrativ Geschlossenheit und Zusammenhalt. Kompatscher und Parteiobmann Philipp Achammer warnten vor einem drohenden „Parteienchaos“ und „Instabilität“ und gaben das Ziel aus, mit möglichst wenigen Partnern zu regieren. Jetzt sei „nicht die Zeit für Experimente“, hielt Kompatscher noch zum Wahlkampfabschluss Freitagabend fest.

Blick auf Bozen und die Alpen
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35 Sitze im Landtag in Bozen sind zu vergeben. Die Parteienlandschaft präsentiert sich zerklüftet wie selten zuvor.

Neben der SVP treten weitere neun Listen an, die bereits im Südtiroler Landtag vertreten sind: das sozialliberale Team K, vormals Team Köllensperger, das 2018 auf Anhieb mit sechs Landtagsabgeordneten überraschend zur stärksten Oppositionskraft wurde, die Grünen, die deutschen rechtspatriotischen Parteien Freiheitliche und Südtiroler Freiheit, die italienischen Linksparteien Demokratische Partei und Fünf Sterne Bewegung, sowie die Lega, Forza Italia und Fratelli d’Italia. Daneben stellen sich sieben Bewegungen zum ersten Mal einer Landtagswahl, darunter mit JWA, Enzian und VITA gleich drei Kräfte, die aus dem Protest gegen die CoV-Maßnahmen hervorgegangen sind.

Auch Trentino wählt

Neben Südtirol sind auch rund 443.000 Wählerinnen und Wähler in der benachbarten autonomen Provinz Trentino am Sonntag zu den Urnen gerufen. Gewählt werden der Landeshauptmann direkt sowie 34 Mitglieder des Landtages. Der seit 2018 amtierende Landeshauptmann Maurizio Fugatti, Spitzenpolitiker der Lega und Vertrauensmann von Lega-Chef Salvini, hofft auf seine Wiederwahl. Er wird von einer Mitte-rechts-Koalition aus den Regierungsparteien Fratelli d’Italia, Lega und Forza Italia unterstützt.