Schülerinnen während des Unterrichts
ORF.at/Carina Kainz
„Man stößt an Grenzen“

Gaza-Krieg als Herausforderung an Schulen

Der Terrorangriff der Hamas auf Israel und die in direkter Folge im Gazastreifen von Israel gestartete großangelegte Militäroperation hat den Nahost-Konflikt schlagartig wieder ins Rampenlicht befördert – und schlägt mit Sorge vor extremistischen und antisemitischen Tendenzen anhaltende Wellen bis nach Österreich. Das Thema macht auch vor heimischen Schulen nicht halt – und stellt, wie sich mehrende Erfahrungsberichte nahelegen, das Lehrpersonal vor große Herausforderungen.

Man rede „zum Glück eh ganz viel mit unserem Geschichtelehrer darüber, der uns auch über alles aufklärt“, und das Lehrpersonal kenne sich „gar nicht so schlecht aus“, heißt es dazu am Freitag aus Österreichs Schulen. Von Schülerinnen- und Schülerseite würden nach Angaben von Ö3 aber auch tiefergehende Informationen, etwa mit Blick auf die historischen Hintergründe des Nahost-Konflikts, eingefordert.

Viele Schülerinnen seien angesichts der Eskalation „verwirrt und verängstigt“, der Gesprächsbedarf sei dementsprechend groß, sagt dazu eine an einer Neuen Mittelschule arbeitende Deutsch- und Geschichtelehrerin. Wie Schülerinnen und Schüler auf den eskalierenden Nahost-Konflikt reagieren, sei in manchen Fällen aber auch „problematisch“, so eine weitere, an einer Wiener HAK Politische Bildung und Zeitgeschichte unterrichtende Lehrerin gegenüber dem Ö1-Morgenjournal.

Manche Schülerinnen und Schüler kämen „mit ganz vielen Unwahrheiten“ etwa aus sozialen Netzwerken daher. Dazu kämen teils „vorgefestigte Bilder vom Elternhaus“, so die Lehrerin, der zufolge man hier durchaus an Grenzen stoße und es extrem schwer sei, Vorurteile wie diese „aufzubrechen“. Ein HTL-Sportlehrer spricht hier etwa auch von einem „festgefahrenen antisemitischen Bild“.

„Riesengroßes“ Thema

„Ich kann natürlich nicht für alle Schulen sprechen, aber ich habe den Eindruck, dass das Thema ein riesengroßes ist“, sagt im Ö1-Morgenjournal-Interview der Leiter des Zentrums für politische Bildung an der Pädagogischen Hochschule Wien, Philipp Mittnik. Angesprochen darauf, dass manche Lehrerin und mancher Lehrer hier bereits an Grenzen gestoßen sei, sagt Mittnik, dass ein Auslassen der Thematik dennoch so ziemlich das Schlechteste sei, was man tun könne.

„Ja, ich glaube, es ist ein Thema, es ist ein Konflikt, der unglaublich komplex ist, der unglaublich historisch aufgeladen ist, und man wird sich damit auseinanderzusetzen haben, ganz einfach deshalb, weil er in der Gesellschaft omnipräsent ist“, so Mittnik, der in diesem Zusammenhang auch daran erinnerte, dass in den letzten Jahrzehnten wohl kaum über einen Konflikt so viel diskutiert und berichtet worden sei wie über Nahost.

Gleichzeitig hätten etwa Jugendliche „oft einen sehr einfachen und unreflektierten Zugang zu Medien“, wie Mittnik hier anfügt. Umso mehr sei es notwendig, einen „so komplexen Konflikt in der Schule auch zu thematisieren“.

Möglichkeit zu reden als entscheidender Faktor

Dem stimmt etwa auch der Leiter des Schulpsychologieteams in der Bildungsdirektion Steiermark, Josef Zollneritsch, zu. „Gerade Jugendliche haben natürlich ein starkes Gerechtigkeitsbedürfnis und fragen sich: Wer ist schuld an diesem Konflikt? Und auf welche Seite soll man sich stellen? Es wird auch die Frage aufgeworfen: Wann endet diese Auseinandersetzung?“, so Zollneritsch.

Entscheidend sei, dass Jugendliche in den Schulen genügend Möglichkeiten hätten, darüber zu reden. Altersadäquate Aufklärung sei wichtig, sagt auch die steirische Kinder- und Jugendanwältin Denise Schiffrer-Barac: „Auf der anderen Seite müssen wir auch aufpassen, dass wir Kinder und Jugendliche dazu nicht zusätzlich verunsichern, sondern dass wir wieder schauen, dass wir ihnen Stabilität und Sicherheit geben.“

Kein Platz für „Antisemitismus, Extremismus oder Gewalt“

Die Lehrerinnen und Lehrer stünden aktuell vor einer komplexen Herausforderung, räumte zuletzt auch ÖVP-Bildungsminister Martin Polaschek ein. Bilder aus Nahost und von Demonstrationen für und gegen Israel würden die Schülerinnen und Schüler teilweise belasten, jedenfalls aber viele Fragen aufwerfen. Dementsprechend müssten die aktuellen Vorgänge auch im Unterricht behandelt werden.

Grundsätzlich sieht Polaschek Österreichs Schulen für den Umgang mit der Thematik gut gerüstet. Polaschek bestätigte aber auch, dass es zuletzt auch in heimischen Klassenzimmern vermehrt Diskussionen und – je nach Standort – auch Meinungsverschiedenheiten gegeben habe. Zudem seien die Schülerinnen und Schüler über soziale Netzwerke wie TikTok auch mit vielen Falschnachrichten konfrontiert.

Nahost-Konflikt als Thema in Schulen

Der Nahost-Konflikt ist auch Thema in den österreichischen Schulen. Das Lehrpersonal soll den Schülern und Schülerinnen helfen, die Lage einzuordnen – und gleichzeitig Extremismus vorzubeugen.

Eines sei jedenfalls klar, wie Polaschek dazu mitteilte: Schulen seien Orte der Toleranz, der Vielfalt und des gegenseitigen Respekts. „Antisemitismus, Extremismus oder Gewalt haben hier keinen Platz.“

Verweis auf Personalsituation

Die Herausforderung sei groß, derzeit sei man an heimischen Schulen aber weniger mit extremistischen Äußerungen konfrontiert als mit vielen Fragen, steuerte am Donnerstag bei einem gemeinsamen Auftritt mit Polaschek Rene Bachmayer, der am Gymnasium Purkersdorf Geschichte und Deutsch unterrichtet und auch in der Lehrerausbildung tätig ist, bei.

Die Geschehnisse im Nahen Osten seien zwar Thema in der Schule, bisher gebe es aber keine Rückmeldungen von den Lehrerinnen und Lehrern, dass es irgendwo gröbere Probleme gegeben habe, hieß es zuletzt auch vom obersten Lehrervertreter Paul Kimberger (FCG) im APA-Gespräch. Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Lehrenden Österreichs (SLÖ), Thomas Bulant. Die größere Herausforderung sei derzeit die angespannte Personalsituation, die durch Krankheitsausfälle verschärft werde.