Sebastian Kurz und Bernhard Bonelli am Wiener Landesgericht für Strafsachen
ORF/Roland Winkler
Kurz-Prozess

Bonelli teilt gegen Schmid und WKStA aus

Am dritten Tag im Prozess gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat der mitangeklagte Bernhard Bonelli die Falschaussagevorwürfe zurückgewiesen. Dem Ex-Kabinettschef von Kurz wird vorgeworfen, vor dem „Ibiza“-U-Ausschuss falsche Angaben zu den Vorgängen um die Staatsholding ÖBAG gemacht zu haben. Bonelli ging in der Befragung ganz ähnlich vor wie Kurz: Gegen Schmid und gegen die WKStA erhob Bonelli teils schwere Vorwürfe. Wie Kurz beantwortete Bonelli die Fragen der Anklage nicht. Gegen Ende des Verhandlungstages überraschte Richter Michael Radasztics Kurz mit einer Nachfrage. Zudem wurde der weitere Fahrplan festgelegt.

Bonelli warf der WKStA vor, dass er nun wegen Falschaussage vor Gericht stehe und Schmid nicht, obwohl dieser fast wortgleich auf eine Frage im U-Ausschuss geantwortet habe. Damals habe Schmid auch gesagt, dass der konkrete Bestellungsprozess in den Händen des Finanzministers – es geht vor allem um die staatliche Beteiligungsholding ÖBAG – liege. Das habe er, Bonelli, wenig später auch so gesagt. Schmid, behauptete Bonelli, sei aber nie wegen falscher Zeugenaussage angeklagt worden. Das, so deutete Bonelli an, liege wohl auch daran, dass er sich der WKStA in der Inseratencausa als Kronzeuge angeboten habe. „In meinem Hirn geht sich das einfach nicht aus, wieso das in einem Rechtsstaat möglich sein kann“, so Bonelli.

Und in seiner Erklärung zu Beginn des Prozesstages fuhr Bonelli ebenfalls schweres Geschütz gegen das Justizministerium und die WKStA auf: Auch im Nachhinein habe er sich nichts vorzuwerfen, so Bonellis Resümee. Wenn er einen Fehler gemacht habe, dann wohl nur den, dass er im Februar 2021 ein ÖVP-Positionspapier von seinem Bundeskanzleramts-E-Mail-Account an das von Alma Zadic (Grüne) geführte Justizministerium geschickt habe. Darin sei die Zerschlagung der WKStA vorgeschlagen worden. Das sei verständlicherweise auf wenig Gegenliebe im grün geführten Justizministerium und bei der WKStA getroffen und „ein möglicher Grund, dass ich hier sitze“, deutet Bonelli anders gelagerte Motive der WKStA für die Anklage gegen ihn an.

Sebastian Kurz und Bernhard Bonelli am Wiener Landesgericht für Strafsachen
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Sebastian Kurz und Bernhard Bonelli beim Betreten des Großen Schwurgerichtssaals

Viele Chats

So wie Kurz wird auch Bonelli vorgeworfen, vor dem „Ibiza“-U-Ausschuss die Unwahrheit gesagt zu haben. Beiden drohen im Fall einer Verurteilung bis zu drei Jahre Haft. Es gilt die Unschuldsvermutung. Im Kern geht es bei den Vorwürfen um die Frage, wie intensiv Kurz in die Reform der Staatsholding und bei Postenbesetzungen (Vorstand und Aufsichtsrat) involviert war. Bei seiner Befragung im „Ibiza“-U-Ausschuss soll der Ex-Kanzler seine Rolle heruntergespielt haben. Die Anklage verweist auf diverse Chats und die Einvernahme von Schmid.

Bonelli, der gut vorbereitet wirkte und sich in die Beweisunterlagen sichtlich intensiv eingelesen hatte, verteidigte den Ex-Kanzler und sich selbst und betonte, Kurz habe sich an die gesamte ÖBAG-Reform und die bestehenden Personalia nicht im Detail erinnert. Als Beleg dafür nannte er unter anderem, dass Kurz eine Person vorgeschlagen habe, nachdem bereits alle Positionen fixiert waren. Dafür zuständig sei eben das Finanzministerium gewesen.

„Muss mich damals über Schmid aufgeregt haben“

Ein Chat sorgte für mehr Aufmerksamkeit. Bonelli betonte, er müsse „sich damals über Schmid aufgeregt“ haben. Im Chat, in dem es um den ÖBAG-Aufsichtsrat gegangen ist, hatte der Ex-Kabinettschef geschrieben, „das mit der ÖBAG ist absoluter Dilettantismus … wieso sagst Du mir nicht, dass morgen dieses konstituierende Gremium ist? Bitte um Rückruf!" Der Richter hakte nach, warum er im Chat schreibe, dass er Kurz einen Namen für den Aufsichtsrat vorgeschlagen habe. Er habe sich Gedanken gemacht, erwiderte Bonelli sinngemäß. Radasztics verweist auf einen möglichen Widerspruch. Immerhin habe Bonelli selbst angegeben, er habe im U-Ausschuss „formal“ geantwortet.

Wie Kurz warf auch Bonelli Schmid vor, vor allem seine eigenen Machtinteressen verfolgt zu haben. Man habe zwar professionell zusammengearbeitet, er sei aber „sicher kein großer Freund“ von Schmid gewesen. Schmid ist wohl auch in diesem Verfahren der zentrale Zeuge, und Ziel von Kurz wie Bonelli ist es offenbar, seine Verlässlichkeit und Vertrauenswürdigkeit in Zweifel zu ziehen.

Kurz-Prozess: Bonelli vor Gericht

Am dritten Tag im Prozess gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat der mitangeklagte Bernhard Bonelli die Falschaussagevorwürfe zurückgewiesen. Dem Ex-Kabinettschef von Kurz wird vorgeworfen, vor dem „Ibiza“-U-Ausschuss falsche Angaben zu den Vorgängen um die Staatsholding ÖBAG gemacht zu haben. Bonelli ging in der Befragung ganz ähnlich vor wie Kurz: Gegen Schmid und gegen die WKStA erhob Bonelli teils schwere Vorwürfe.

Bonelli: Bewusst knappe Antworten

Bonelli unterstrich mehrmals, dass er im U-Ausschuss nur zu dem formalen Ernennungsprozess und ganz bewusst knapp geantwortet habe, um so der Gefahr, dass er wegen Falschaussage strafrechtlich belangt werden könnte, zu entgehen. Dieses Risiko sei ihm sehr bewusst gewesen, so der Angeklagte auf Nachfrage von Richter Radaszitcs. So wie auch Kurz hatte Bonelli im parlamentarischen U-Ausschuss auf Fragen häufig damit geantwortet, er habe keine Erinnerung.

Bei Unklarheit hätten die Abgeordneten ja nachfragen können, wehrte sich Bonelli dagegen, dass seine Aussagen als nicht wahrheitsgemäß dargestellt werden. Die Fragen seien teils so breit gewesen, dass er nicht genau habe wissen können, worauf sie sich bezogen hätten. Zu den informellen Prozessen rund um die ÖBAG-Postenbesetzungen habe er aus Sorge vor strafrechtlichen Folgen nicht geantwortet. Auch am Montag vor Gericht blieb Bonelli im Wesentlichen bei dieser Linie und wiederholte mehrmals auf richterliche Nachfrage, keine oder keine genaue Erinnerung zu haben.

Bernhard Bonelli am Wiener Landesgericht für Strafsachen
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Bonelli wies die Anklagevorwürfe zurück

„Stricherlliste“ und „Minenfeld“

Zudem beklagte Bonelli eine feindliche Atmosphäre im U-Ausschuss. Eine Abgeordnete habe sich – während er sich mit seinem Vertrauensanwalt beraten habe – regelrecht an ihn „herangepirscht“. Und Abgeordnete hätten versucht, Druck auf ihn auszuüben und seine Aussagen seien ins Lächerliche gezogen worden. So sei eine „Stricherlliste“ geführt worden, wie oft er „keine Erinnerung“ geantwortet habe. Den Auftritt vor dem Ausschuss bezeichnete Bonelli insgesamt als „Minenfeld“.

Wie Kurz verweigerte auch Bonelli Antworten auf Fragen der Staatsanwaltschaft, die diese zur Protokollierung trotzdem verlas. Zuvor hatte bereits Richter Radasztics seine Fragen gestellt, auf die Bonelli antworten musste. Im Wesentlichen versuchte er, Antworten von Bonelli auf die sich in den Chatverläufen laut Anklage klar ergebenden Hinweise auf die starke Involvierung von Kurz und dem Kanzleramt insgesamt bei den ÖBAG-Personalfragen zu erhalten.

Parallele Verteidigungslinie

Bonelli blieb aber bei allen Nachfragen strikt bei seiner Verteidigungslinie: Die Entscheidung sei im Finanzministerium gefallen, eine Informierung habe es gegeben, aber im Nachhinein – und insgesamt habe Kurz sich nicht aktiv eingemischt. Die Chatverläufe aus der Zeit vor der Entscheidung erklärte Bonelli unter anderem damit, dass er als Kabinettschef eine zentrale Kommunikationsfunktion innerhalb der Regierung gehabt habe und ihn täglich so viele Menschen angerufen hätten, dass er gar nicht alle zurückrufen habe können. Das erkläre auch seine Erinnerungslücken vor dem U-Ausschuss, vor dem er laut Anklage Falschaussagen getätigt hat.

Wie Kurz setzt damit Bonelli sichtlich auf eine Doppelstrategie: Einerseits leugnet er, eine Falschaussage getätigt zu haben. Für den Fall, dass das Gericht hier zu einem anderen Schluss kommen sollte, setzt Bonelli wohl auch darauf, sich auf einen Aussagenotstand berufen zu können. Das erklärt unter anderem die häufigen Verweise auf die laut Bonelli feindliche Atmosphäre im U-Ausschuss.

Zu einer kleinen Überraschung kam es knapp vor Ende des Verhandlungstages. Der Richter entließ Bonelli und rief den sichtlich überraschten Kurz in den Zeugenstand. Er habe eine Nachfrage zu einem Chat bezüglich der Berufung Stephan Korens in den Gouverneursrat der Nationalbank und wollte wissen, was Kurz’ damalige Frage an Schmid "Hält er dann auch?“ bedeute. Kurz erklärte nach einer Verhandlungspause ausschweifend, dass es ihm aufgrund des komplexen Ernennungsprocederes wichtig gewesen sei, sich darauf verlassen zu können, dass gefundene Kompromisse auch umgesetzt würden.

Nächste Verhandlung am 17. November

Am Ende gibt Richter Radasztics vorerst vier weitere Verhandlungstermine bekannt: Am 17. November beginnen die Zeugenbefragungen, als Erster wird wie erwartet Thomas Schmid geladen. Weiter soll es dann am 11., 15. und 18. Dezember gehen. Unter anderen werden von Amts wegen die Ex-Minister Löger und Gernot Blümel (ÖVP) geladen. Anklage und Verteidigung beantragten jeweils eine ganze Reihe weiterer Zeuginnen und Zeugen. Darüber, so Radasztics, werde er aber erst nach den von ihm selbst fixierten Zeugenbefragungen befinden.

Zum Prozessauftakt am Mittwoch war es mit der Hauptangeklagten, Ex-Casinos-Chefin Bettina Glatz-Kremsner, überraschend zu einer Diversion gekommen. Am Freitag, dem zweiten Prozesstag, konnte Kurz seine Sicht der Dinge rund um die Vorgänge bei der Staatsholding ÖBAG darlegen. Am Montag war der Angeklagte Bonelli am Zug. Weiter geht es mit dem zentralen Zeugen Schmid nun am 17. November.