Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher während einer Pressekonferenz nach der Landtagswahl
APA/Wolfgang Eder
SVP-Absturz in Südtirol

Suche nach Mehrheit „unheimlich schwierig“

Die regierende Südtiroler Volkspartei (SVP) hat bei der Landtagswahl am Sonntag eine erhebliche Wahlniederlage erlitten. Die Partei von Spitzenkandidat und Landeshauptmann Arno Kompatscher stürzte laut dem vorläufigen amtlichen Endergebnis von 41,9 Prozent bei der Wahl 2018 auf nunmehr 34,5 Prozent ab – ein neuer Tiefstand. Kompatscher will dennoch im Amt bleiben und nach einer Mehrheit suchen. Ein Politologe sieht darin ein „unheimlich schwieriges“ Unterfangen.

Er habe an die 60.000 Vorzugsstimmen erhalten, das sei ein „klarer Auftrag“, sagte Kompatscher Montagfrüh am Parteisitz in Bozen. Kompatscher verlor rund 9.500 Vorzugsstimmen und konnte „nur“ noch 58.771 auf sich vereinen. Die Vorzugsstimmen von SVP-Parteiobmann Philipp Achammer halbierten sich gar auf 16.812 (2018: 33.288). Dessen Verbleib an der Parteispitze ist nicht gesichert, die Frage „ist offen“, sagte Achammer selbst bei einer Pressekonferenz.

Kompatscher kündigte Sondierungen mit allen in den Landtag gewählten Parteien an. Danach soll es zu Koalitionsverhandlungen kommen. Doch dürfte die Regierungsbildung sehr schwierig werden, verlor doch auch der SVP-Koalitionspartner Lega von Italiens Verkehrsminister Matteo Salvini deutlich und kam nur noch auf drei Prozent (2018: 11,1 Prozent) bzw. nach bisherigen Berechnungen auf ein Mandat. Die SVP verlor zwei Mandate und stellt künftig 13 der 35 Mandatare im Südtiroler Landtag.

Mindestens zwei Koalitionspartner nötig

Bei dem Ergebnis der SVP insgesamt handle es sich aber zweifelsohne um einen „schmerzhaften Verlust“, so Kompatscher und Achammer. „Externe Faktoren haben eine Rolle gespielt, aber auch interne“, zeigte sich Kompatscher selbstkritisch und ergänzte: „Hätten wir Fehler nicht gemacht, hätten wir ein besseres Ergebnis erzielt.“ Gleichzeitig habe die „Sammelpartei“ aber einen „klaren Regierungsauftrag“ erhalten. Schließlich habe man mehr Stimmen auf sich vereinigen können als die dahinter platzierten drei Parteien zusammen.

Die SVP ist nach den Verlusten aber auf mindestens zwei weitere Partner angewiesen, bei einem davon muss es sich laut Gesetz um eine italienischsprachige Partei handeln. Wahrscheinlich kommt es also zu einer Dreier- oder Viererkoalition. Gefragt nach möglichen Koalitionen, wollte sich Kompatscher nicht in die Karten schauen lassen. Das sei derzeit „müßig“. Die Situation sei alles andere als einfach, man habe aber die Verantwortung, eine „stabile Koalition“ auf die Beine zu stellen.

Landeshauptmann und Spitzenkandidat Arno Kompatscher (SVP)
APA/Wolfgang Eder
Kompatscher trat – entgegen früheren Ankündigungen – ein drittes Mal an

Team K Zweiter, Erfolge für Süd-Tiroler Freiheit und Grüne

Hinter der SVP den zweiten Platz eroberte das Team K nach einem Überraschungserfolg bei der letzten Wahl. Die Gruppierung landete bei 11,1 Prozent und vier Mandaten nach 15,2 Prozent im Jahr 2018. Parteiobmann Paul Köllensperger, früher Abgeordneter der linkspopulistischen Fünf-Sterne-Bewegung, sprach von einem „respektablen Ergebnis“.

Einer der deutlichen Gewinner war auch die Oppositionspartei Süd-Tiroler Freiheit. Sie kam bei 10,9 Prozent auf den dritten Platz (2018: 6,0 Prozent) und erreichte damit vier nach bisher zwei Mandaten. Sven Knoll, Spitzenkandidat der Süd-Tiroler Freiheit, sprach von einem „überwältigenden Ergebnis“. Die Partei hatte im Wahlkampf auch Unterstützung von der Tiroler FPÖ erhalten.

Grüne bringen sich als möglicher Partner ins Spiel

Auch die Grünen reüssierten. Sie erreichten neun Prozent (2018: 6,8 Prozent). Schon ein wenig in Richtung Koalitionsverhandlungen schielte deshalb Parteichefin Brigitte Foppa. Sie wollte eine Regierungsbeteiligung nicht ausschließen, verwies aber gleichzeitig darauf, dass zunächst die SVP „die eigenen Trümmer beseitigen“ müsse, bevor es zum nächsten Schritt komme.

Bei den italienischsprachigen Parteien war die postfaschistische Partei von Italiens Premierministerin Giorgia Meloni mit sechs Prozent (2018: 1,7 Prozent) erfolgreich. „Fratelli d’Italia ist die stärkste Partei unter den Italienern und die stärkste in der Landeshauptstadt Bozen“, so der Listenerste Marco Galateo. „Zusammen mit den Freunden der Lega“ könne man eine zentrale Rolle bei der Regierungsbildung spielen, ergänzte er.

Schwierige Koalitionsbildung in Südtirol

In Südtirol steht nach der Landtagswahl eine schwierige Koalitionsbildung bevor. Denn die regierende Südtiroler Volkspartei hat schwere Verluste eingefahren und ist auf 34,5 Prozent abgestürzt.

Liste JWA mit Achtungserfolg

Die Liste JWA des CoV-Maßnahmen-Kritikers und ehemaligen Schützenkommandaten Jürgen Wirth Anderlan kam auf Anhieb auf 5,9 Prozent (zwei Mandate). „Die Südtiroler haben bewiesen, dass sie noch Eier haben“, ließ Anderlan die Öffentlichkeit wissen. Er wurde aus Deutschland und aus Österreich unterstützt. FPÖ-Bundesparteiobmann Herbert Kickl hatte ihn vor der Wahl gelobt. Wirth Anderlan versprach nun, er werde nicht nur der Regierung „auf die Finger schauen und hauen“, sondern auch der Opposition.

Enttäuschend war das Abschneiden aus Sicht der Südtiroler Freiheitlichen, sie kamen nur auf 4,9 Prozent. 2018 hatten sie noch 6,2 Prozent erreicht. Die sozialdemokratische Partito Democratico erzielte 3,5 Prozent, 0,3 Prozentpunkte weniger als 2018.

Ernüchternd das Abschneiden der Liste Für Südtirol des Ex-SVP-Landesrates Thomas Widmann: 3,4 Prozent sammelte das ehemalige Partei-Urgestein und Kompatscher-Widersacher mit seiner Liste.

Politologe: „Unheimlich schwierig, Koalition zu bilden“

Zwar sitzt Kompatscher innerparteilich laut dem Politologen Günther Pallaver zwar fest im Sattel, doch dürfte die Koalitionsbildung für die SVP zu einer enormen Herausforderung werden. „Wie die SVP eine Koalition zusammenbringen soll, weiß ich nicht“, sagte er am Tag nach der Wahl. Die SVP sei jedenfalls keine Sammelpartei mehr und könne nicht mehr den Alleinvertretungsanspruch stellen.

Das Wahlergebnis mache es für die SVP „unheimlich schwierig, eine Koalition zu bilden“. In Südtirol gelte ja ein Proporzsystem, nach dem die Landesregierung aufgrund der Stärke der Sprachgruppen im Landtag zusammengestellt werden muss, erinnerte der Politologe.

Nachdem die als mögliche italienischsprachige Koalitionspartner avisierten Lega und Fratelli d’Italia zusammen nur auf drei Abgeordnete kommen, fehlen der SVP mit diesen zwei Parteien noch Abgeordnete für eine Mehrheit. Selbst mit Hereinnahme der Zentrumspartei La Civica würde man nur bei vier Abgeordneten landen – gemeinsam mit den 13 Abgeordneten der SVP würde man erst bei 17 halten, 18 sind aber für eine Koalition im 35 Sitze starken Landtag nötig.

„Es braucht Italiener“

Andere Parteien, die für eine Koalition infrage kämen, „haben keine italienische Vertretung“. Die Grünen etwa seien bisher mit einem italienischen Abgeordneten vertreten gewesen, diesmal nicht. Auch das Team K habe diesmal keinen Italiener im Landtag. „Es braucht Italiener“, fasste Pallaver das Dilemma der Volkspartei zusammen: „Wie das ausgeht, ist diesmal schwer abzuschätzen.“

Eine mögliche Lösung sei etwa, die Landesregierung von neun auf sieben Mitglieder zu verkleinern, womit nur noch ein Italiener benötigt würde. Eine zweite – „rein spekulative“ – Variante sei, dass bei den Grünen ein Abgeordneter zurücktritt, der „Nachrücker“ wäre dann etwa eine italienischsprachige Frau.

Mattle: Kompatscher mit „ambitioniertem Wahlkampf“

Der Tiroler Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) attestierte seinem Südtiroler Amtskollegen Kompatscher einen „ambitionierten Wahlkampf“. „In Zeiten multipler Krisen ist es für Regierungsparteien schwierig, die Menschen von Stabilität und Fortschritt zu überzeugen“, sagte Mattle angesichts der Verluste der SVP. Nun sei in der Regierungsbildung „die Erfahrung und das Geschick“ Kompatschers gefragt.

Landeshauptmann-Stellvertreter Georg Dornauer (SPÖ) brachte indes medial die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an Südtiroler ins Spiel. Er wolle dieses Thema politisch angehen, sollte es von der Südtiroler Bevölkerung gewünscht sein, sagte Dornauer der „Tiroler Tageszeitung“ (Montag-Ausgabe). „Diese Dinge hätte man längst erledigen können und sollen“, gab der Tiroler SPÖ-Chef zu Protokoll.

Trentiner Landeshauptmann Fugatti schaffte Wiederwahl

Neben Südtirol wählte auch die benachbarte autonome Provinz Trentino am Sonntag ihren neuen Landtag. Bei der Wahl, zu der rund 443.000 Wählerinnen und Wähler in der norditalienischen Provinz gerufen waren, schaffte Landeshauptmann Maurizio Fugatti die Wiederwahl mit 51 Prozent der Stimmen, geht aus vorläufigen Wahlergebnissen von Montag hervor.

Fugatti siegte an der Spitze einer Mitte-rechts-Koalition. Sein Mitte-links-Herausforderer Francesco Valduga musste sich mit 37 Prozent begnügen. Der 51-jährige „Titelverteidiger“ Fugatti, der seit 2018 im Amt ist, galt als Favorit für den Posten des Landeshauptmanns. „Die gute Arbeit der Lega ist belohnt worden“, feierte Lega-Chef Salvini die Wiederwahl Fugattis.