Rauch über dem Gazastreifen nahe Sderot
APA/AFP/Jack Guez
Gazastreifen

Israel bombardierte Hunderte Hamas-Ziele

Israel hat den Beschuss des Gazastreifens verschärft und nach eigenen Angaben Hunderte militärische Ziele der Hamas bombardiert. Kleinere israelische Einheiten begannen zudem mit vereinzelten Einsätzen im Gazastreifen. Auch die Hamas setzte ihren Beschuss aus dem Gazastreifen fort, wo inzwischen der dritte Hilfskonvoi aus Ägypten eintraf. Die Terrororganisation ließ zudem am Montag zwei weitere Geiseln frei.

Zu den laut aktuellen Zahlen rund 400 von Israels Armee bombardierten Zielen gehörten „Tunnel, in denen sich Hamas-Terroristen befanden“, „Dutzende von Kommandozentralen“ sowie „Militärlager und Beobachtungsposten“ in Moscheen, wie das Militär am Dienstag mitteilte. Auch ein Ziel in einem Flüchtlingslager an der Mittelmeer-Küste sei angegriffen worden. Die Armee werde ihren Einsatz fortsetzen, „um die Sicherheit unschuldiger Zivilisten zu gewährleisten“, hieß es in einer Mitteilung auf Twitter (X).

Die Hamas gab an, dass mindestens 140 Menschen durch die neuen israelischen Angriffe getötet worden seien. Insgesamt seien durch israelische Angriffe mindestens 5.087 Menschen im Gazastreifen getötet und mehr als 15.000 weitere verletzt worden. Die Angaben konnten unabhängig nicht überprüft werden. Wie eine Sprecherin des UNO-Palästinenserhilfswerks (UNRWA) der dpa sagte, wurden seit Beginn des Krieges zudem mindestens 29 Beschäftigte der Vereinten Nationen getötet.

Erste Einsätze auf dem Boden

Israel gab am Montag bekannt, dass mehrere Einheiten des Militärs derzeit schon für die geplante Bodenoffensive trainierten. Die Soldaten und Kommandeure seien „entschlossen und hochmotiviert“, teilte das Militär mit. Der ehemalige israelische Regierungschef Ehud Barak sagte am Montag in der ZIB2, die geplante Bodenoffensive „wird Schweiß, Tränen und Blut“ kosten, „aber wir werden gewinnen“. Da das „aus der Luft“ allein nicht gelingen werde, „müssen wir Bodentruppen einsetzen“.

Kleinere israelische Einheiten begannen bereits mit vereinzelten Einsätzen im Gazastreifen, unter anderem mit dem Ziel, Geiseln zu befreien. Bei einem dieser Einsätze wurde nach israelischen Angaben ein israelischer Soldat im Gazastreifen getötet, drei weitere wurden verletzt. Auch die Hamas setzte am Montag ihren Beschuss aus dem Gazastreifen fort. Die israelische Armee vereitelte eigenen Angaben zufolge einen Angriff mit zwei Drohnen.

Israels Ex-Premier zu Angriff auf Gaza

Israel hat begonnen, vereinzelt Bodentruppen in den Gazastreifen zu entsenden. Der ehemalige israelische Ministerpräsidenten Ehud Barak nahm dazu am Montag in der ZIB2 Stellung.

Weitere Geiseln freigelassen

Die Hamas ließ am Montag nach Angaben des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) zwei weitere Geiseln im Gazastreifen frei. Ein Sprecher bestätigte in Genf, dass seine Organisation die Befreiung unterstützt und die beiden Personen am Montagabend aus dem Palästinensergebiet gebracht habe.

Nach israelischen Medienberichten handelt es sich um zwei ältere israelische Frauen. Sie seien aus der Ortschaft Nir Os im Grenzgebiet zum Gazastreifen entführt worden. Ihre beiden Ehemänner seien weiterhin in Hamas-Gefangenschaft. Alle vier seien zwischen 80 und 85 Jahre alt.

Bildkombo mit Yocheved Lifshitz und Nurit Cooper (alias Nurit Yitzhak)
AP/AP/Hostages and Missing Families Forum
Die beiden Frauen wurden im Grenzgebiet entführt. Nun wurden sie freigelassen.

Zuvor hatte der militärische Arm der Hamas erklärt, zwei weitere Geiseln im Gazastreifen freigelassen zu haben. Die Freilassung der beiden Frauen soll nach Angaben der Hamas von Katar und Ägypten vermittelt worden sein. Die Geiseln seien „trotz der Verbrechen der Besatzung“ aus „humanitären Gründen“ freigelassen worden, erklärte Hamas-Sprecher Abu Obeida auf Telegram. Die Hamas nutzt die Freilassung von Geiseln auch als Propagandaschachzug.

Israels Regierung bedankte sich bei Ägypten und dem Roten Kreuz für deren Beitrag zur Freilassung. Die 79 und 85 Jahre alten Frauen seien an Israels Armee übergeben worden, teilte das Büro des Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in der Nacht auf Dienstag mit.

Klinikexplosion: Hamas ohne Beweise

Weiter gingen inzwischen die Debatten über die Urheberschaft der Klinikexplosion in Gaza am 17. Oktober. Die Hamas hatte sofort nach der Explosion Israel die Schuld zugewiesen und von Hunderten Toten gesprochen. Beides wurde nicht bewiesen. Israel hatte seinerseits Belege vorgelegt, wonach die Explosion durch eine islamistische Organisation verursacht worden sei.

Die „New York Times“ schrieb am Montag, die Hamas könne noch immer keine Beweise für ihre Schuldzuweisungen vorlegen. Die Terrororganisation habe auf Anfrage mitgeteilt, dass es keine Spuren von der Munition gebe, die die Explosion an der Klinik beziehungsweise den Brand auf dem Parkplatz davor ausgelöst habe. „Das Geschoß hat sich aufgelöst wie Salz im Wasser“, sagte Hamas-Sprecher Ghasi Hamad der Zeitung. „Es ist verdampft. Nichts ist übrig.“

Inzwischen sind auch die Briten der Ansicht, dass die Explosion wahrscheinlich durch eine palästinensische Rakete verursacht wurde. Die britische Regierung komme auf der Grundlage einer Analyse des britischen Geheimdienstes zu dem Schluss, dass die Detonation „wahrscheinlich von einer Rakete oder einem Teil davon verursacht wurde, die aus dem Gazastreifen gegen Israel abgefeuert wurde“, erklärte Premierminister Rishi Sunak im Parlament in London. Vorige Woche war auch der französische Militärgeheimdienst zum gleichen Schluss gelangt.

Dritter Hilfskonvoi angekommen

In Gaza verschärft sich die humanitäre Lage unterdessen weiter. Am Montag traf der dritte Hilfskonvoi mit Lastwagen von Ägypten aus im Süden des Gazastreifens ein. Ein gutes Dutzend Lastwagen habe die Grenzstelle Rafah überquert, teilte die Hilfsorganisation Ägyptischer Roter Halbmond mit. Am Wochenende hatten bereits 34 Lastwagen mit Hilfsgütern die Grenze überquert.

Nach UNO-Schätzungen sind allerdings mindestens hundert Lkws pro Tag nötig, um die Menschen im Gazastreifen mit dem Nötigsten zu versorgen. Auch dringend benötigter Treibstoff wurde noch nicht in das Palästinensergebiet gebracht.

Ohne Treibstoff würden die Menschen im Gazastreifen, darunter Kinder und Frauen, weiter „stranguliert“, so UNRWA-Generalkommissar Philippe Lazzarini. Die UNRWA-Reserven seien innerhalb der kommenden drei Tage aufgebraucht. Israel bleibt allerdings dabei, dass kein Treibstoff in den Küstenstreifen gebracht werden darf, denn dieser könne in die Hände der Hamas fallen.

Uneinigkeit in der EU

Die Europäische Union spielte bisher im Konflikt eine untergeordnete Vermittlerrolle. Nun können sich die Mitgliedsstaaten auch nicht auf einen gemeinsamen Kurs bei der Frage einer Feuerpause einigen. Beim Außenministertreffen in Luxemburg stellten sich am Montag Länder wie Spanien, Slowenien und Irland hinter die Forderungen von UNO-Generalsekretär Antonio Guterres nach einem sofortigen humanitären Waffenstillstand.

Länder wie Österreich, Deutschland und Tschechien wollten sich dem jedoch nicht anschließen. „Es wird nur Frieden und Sicherheit für Israel und die Palästinenserinnen und Palästinenser geben, wenn der Terrorismus bekämpft wird“, so die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock. Man sehe, dass die Hamas weiterhin Israel stark mit Raketen angreife. Für Israel sei es existenziell, die Abschreckung wieder herzustellen und dass die EU das Selbstverteidigungsrecht des Landes stark und entschlossen unterstütze.

Der irische Außenminister Micheal Martin sagte hingegen zu den Kampfhandlungen: „Das Leid unschuldiger Zivilisten, insbesondere von Kindern, hat ein Ausmaß erreicht, das eine sofortige Einstellung erfordert.“ Ein Waffenstillstand, um die Lieferung humanitärer Hilfe und medizinischer Hilfsgüter zu ermöglichen, sei „eine Angelegenheit von höchster Dringlichkeit“.

Gipfel sucht Kompromiss

Die Diskussionen werden nun vermutlich am Donnerstag auf Ebene der Staats- und Regierungsspitzen fortgesetzt. Ob es dann eine Einigung geben wird, ist unklar. In einem Entwurf für die Abschlusserklärung des Treffens schlägt EU-Ratspräsident Charles Michel vor, sich der Forderung nach einer „humanitären Feuerpause“ anzuschließen, um einen sicheren Zugang der Hilfe für die Bedürftigen zu ermöglichen.

Die USA wiesen Forderungen nach einer humanitären Waffenruhe zurück. Eine solche Feuerpause würde der Hamas „die Fähigkeit geben, sich auszuruhen, nachzurüsten und neue Terrorangriffe gegen Israel vorzubereiten“, sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller.