Panoramaansicht des Rettenbachferner
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Weltcup-Auftakt in Sölden

Klimadebatte erreicht den Skizirkus

Die Rennen auf dem Rettenbachferner im Tiroler Sölden am Wochenende bilden den Auftakt zur Skiweltcup-Saison. Aufgrund der anhaltend hohen Temperaturen äußerten sich im Vorfeld viele kritisch dazu. Skistars wie die US-Amerikanerin Mikaela Shiffrin plädierten dafür, den frühen Saisonstart zu überdenken. Auch von Regierungsseite zeigte man sich skeptisch. Einer Greenpeace-Umfrage zufolge vermissen zudem 80 Prozent den Klimaschutz bei Skirennen. Veranstalter, Touristiker und Skiweltverband (FIS) sehen wenig Diskussionsbedarf.

Der Klimawandel zeige sich in den Alpen besonders deutlich, der frühe Skistart müsse deshalb ein Ende haben, sagte Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) am Montag gegenüber dem Ö1-Morgenjournal. „Wir haben im Oktober die heißesten Oktober-Tage gehabt, die bisher gemessen wurden“, so Gewessler.

Es sei für sie „unverständlich, warum man auf Biegen und Brechen an einem Skistart im Oktober festhalten muss, weil das versteht wirklich keiner, warum jetzt in diesem Umfeld auf den letzten Gletscherresten schon Ski gefahren werden muss“. Die FIS solle ihre Zeitpläne überdenken, forderte die Ministerin.

Skiweltcup: Auftakt im Geröll

Ein dünnes, weißes Band schlängelt sich derzeit in Sölden den Berg hinunter. Ansonsten ist der Tiroler Skiort, in dem in wenigen Tagen der Skiweltcup beginnen soll, schneefrei. Zunehmend mehr Athletinnen und Athleten kritisieren den frühen Weltcup-Auftakt.

Sein Unverständnis äußerte ebenfalls ÖVP-Umweltsprecher Johannes Schmuckenschlager, zumal die Bilder keine gute Werbung für den Tourismus seien. „Wenn dann die Bilder, die transportiert werden, auch keine Schneelandschaft transportieren, dann ist auch das natürlich zu hinterfragen“, so der ÖVP-Nationalratsabgeordnete.

Touristiker und Politik nicht erfreut über Debatte

Bei Tirols Touristikern und der Politik sorgt die Debatte jedoch für keine Freude. Landesrat Mario Gerber (ÖVP) räumte am Dienstag zwar ein, dass „diverse Aussagen und Bilder verstörend wirken können“, wünschte sich aber „Fairness und Ehrlichkeit“. Der Weltcup-Auftakt in Sölden sei für die gesamte Branche ein „riesengroßer Wirtschaftsmotor“, der „schon lange geplant“ sei.

Man könne daher nicht einfach zwei Wochen vorher das Event absagen, sagte Gerber und fragte nach der „ökonomischen und sozialen Nachhaltigkeit“, die nie erwähnt würden. „Ich habe keine große Freude mit der Debatte“, hielt er fest und versprach „sensationelle Bilder“.

Auch Tirol-Werbung-Chefin Karin Seiler empfand die „Bilder und die Debatte nicht ideal. Wir hätten es auch gerne tief verschneit.“ Sie nannte als Bedeutung Söldens den „Auftakt für die Nachfrage von Buchungen“ im Winter. Sie betonte, dass die Tourismuswirtschaft die „Verknappung des Schnees“ und die „Tendenz erkannt“ habe – immerhin sei auch das Kaunertaler Gletscher-Opening heuer nach hinten verschoben worden – mehr dazu in tirol.ORF.at.

Greenpeace: Mehrheit vermisst Klimaschutz

Bei Greenpeace übte man zuletzt ebenfalls heftige Kritik am frühen Weltcup-Start. Am Dienstag veröffentlichte die Umweltorganisation eine Umfrage, der zufolge eine breite Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher (80 Prozent) findet, dass die FIS bei alpinen Skirennen nicht auf Klimaschutz achtet. 83 Prozent wünschen sich, die FIS würde mehr für den Klimaschutz unternehmen.

Greenpeace wollte vor dem Saisonstart in Österreich ein Stimmungsbild zum Wissensstand und zur Haltung der Bevölkerung hinsichtlich Klimaneutralität im Wintersport erheben. Die Umweltorganisation vertritt den Standpunkt, dass vor allem die FIS echte Klimaschutzmaßnahmen wie einen späteren Saisonstart und den Ausbau einer nachhaltigen Infrastruktur blockiert und sich durch den Erwerb von CO2-Zertifikaten „freikaufen“ möchte – mehr dazu in tirol.ORF.at.

Bei der FIS selbst zeigt man sich von der Debatte unberührt: „Die FIS berücksichtigt bei der Planung des Rennkalenders langfristige Trends. Sollten diese darauf hindeuten, dass zu dieser Jahreszeit langfristig keine Rennen mehr abgehalten werden können, dann wird sich die FIS hier anpassen“, hieß es in einem Statement gegenüber Ö1.

Mitveranstalter: Schaffen Start auch heuer

Die Rennpiste selbst zieht sich aktuell wie ein weißes Band über den Rettenbachferner, die umliegenden Gipfel und Wiesen sind dagegen bräunlich-grün. Nur mit Naturschnee könnte das Rennen nicht stattfinden. 22 Schneekanonen sind zwei Tage und zwei Nächte im Einsatz, rund 700 Arbeitsstunden fließen in die Piste. Zudem kommt konservierter Schnee aus der Vorsaison zum Einsatz.

Gletscherstadionam Rettenbachferner in Sölden
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Auf dem Weg zur Rennpiste findet man nur wenig Schnee, vor allem Steine und Geröll beherrschen das Landschaftsbild

Man schaffe den frühen Start seit 30 Jahren und man schaffe ihn auch heuer, sagte der Mitveranstalter und Chef der Bergbahn in Sölden, Jack Falkner, am Montag zu Ö1. Die Diskussion über eine Verschiebung des Auftakts hält er für übertrieben. Wenn man den Auftakt einmal nicht mehr zu dieser Zeit des Jahres durchführen könne, werde man sich damit beschäftigen. „Wir werden uns immer mit der Zeit anpassen“, so Falkner. Zum 30-jährigen Jubiläum wolle man sich das Event nicht kaputtreden lassen. In Sölden hofft man zudem, dass es bis zum Wochenende noch schneit.

Von der GeoSphere Austria hieß es am Dienstag, dass sich die Tiroler Bergwelt am Wochenende wahrscheinlich im weißen Kleid präsentieren dürfte. In der Nacht auf Freitag wird ein „Schub feuchter Luft“ erwartet, wobei es unter 2.000 Meter Seehöhe schneien wird. Obwohl danach erneut der Föhn nach Tirol kommen wird, dürften bis zum Samstag zehn Zentimeter Schnee liegen bleiben.

Aufregung um Bauarbeiten auf Gletscher

Vor rund einem Monat hatten zudem Bauarbeiten auf dem Rettenbachferner für Aufregung gesorgt. Auch Greenpeace kritisierte damals, wegen des alpinen Skiweltcups würde der Gletscher abgetragen und so in eine fragile Natur eingegriffen. Der frühere Skistar Felix Neureuther etwa sprach von einer „Katastrophe für die Glaubwürdigkeit des Sports“ und nannte die Bilder „sehr verstörend und einfach nicht mehr zeitgemäß“. Mehrere aktuelle Skistars bemängelten dabei die teilweise einseitige Berichterstattung darüber – mehr dazu in tirol.ORF.at.

Gletscherstadionam Rettenbachferner in Sölden
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Aufgrund der hohen Temperaturen und des Schneemangels sind 22 Schneekanonen zwei Tage und Nächte lang im Einsatz

Auch in der Schweiz sorgten zuletzt Baggerarbeiten auf dem Theodulgletscher bei Zermatt in Vorbereitung auf Skiweltcup-Rennen für Wirbel. Es gab etwa Vorwürfe, wonach sich die Arbeiten außerhalb der erlaubten Zone befänden. Auf Fotos war zudem zu sehen, wie Bagger sich durch das Gletschereis fressen. Die Organisatoren wiesen alle Vorwürfe zurück. Eine Petition der Initiative Protect Our Winters forderte die FIS auf, auf das Klima und die Umwelt zu achten.

ÖSV richtet Klimataskforce ein

Beim Österreichischen Skiverband (ÖSV) ging man unterdessen in die Offensive. Eine eigene Klimataskforce soll die Zukunft des Skisports in Österreich neu denken, sagte ÖSV-Generalsekretär Christian Scherer am Dienstag zur APA. „Es ist uns allen bewusst, dass wir etwas tun müssen.“ Es müsse der Anspruch des ÖSV und der Skiindustrie sein, beim Thema Nachhaltigkeit Vorreiter zu sein, so Scherer.

Die Pläne seien „kein Aktionismus“, vielmehr trage er die Idee einer solchen Arbeitsgruppe schon länger mit sich herum. Den Weltcup-Auftakt am kommenden Wochenende in Sölden sieht Scherer als „Chance, um Personen für unsere Sache zu rekrutieren“ – mehr dazu in sport.ORF.at und tirol.ORF.at.

Stadlober: Stakeholder an einen Tisch bringen

ÖSV-Präsidentin Roswitha Stadlober will mit der Klimataskforce einen „aktiven Beitrag für den Ski- und Snowboardsport setzen“. Grundsätzlich spreche auch sie sich für klimafreundlichere Reiserouten im Weltcup aus. Zugleich müsse man berücksichtigen, dass viele verschiedene Stakeholder einzubeziehen seien, sagte die 60-Jährige am Mittwoch im Ö1-Morgenjournal.

„Die Planung der FIS findet über mehrere Jahre statt. Das kann man nicht einfach alles über Bord werfen.“ Gefragt, ob sie einen späteren Start im Weltcup fordere, sagte Stadlober: „Fordern kann man jetzt einmal gar nichts.“ Man müsse sich mit allen Betroffenen an einen Tisch setzen, sagte die ÖSV-Präsidentin einmal mehr. Wenn es nach ihr ginge, dann sollte und würde man den Weltcup-Auftakt etwas nach hinten versetzen. Im Endeffekt entscheide das aber die FIS.