Sprechblasen hinter Stacheldraht
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Demokratie-Index

Respekt vor Pressefreiheit „mangelhaft“

Im aktuellen Demokratie-Index werden Rückschläge in puncto Medienfreiheit festgestellt. „Vom Kanzleramt bis zum Gemeinderat offenbart sich: Der Respekt vor der Pressefreiheit ist in Österreich mangelhaft ausgeprägt“, sagte Mathias Zojer vom Presseclub Concordia. Der Index, der am Dienstag in einer Pressekonferenz präsentiert wurde, sieht auch Verschlechterungen im Bereich Grundrechte.

Der Demokratie-Index wird von sieben NGOs erstellt, die sich mit Themen wie Demokratie und Informationsfreiheit beschäftigen. Konkret sind das epicenter.works, Forum Informationsfreiheit, Antikorruptionsvolksbegehren, Gründungsverein Österreichische Demokratiestiftung, Presseclub Concordia, Wahlbeobachtung.org und Meine Abgeordneten.

Untergliedert ist er in sieben Säulen (Souverän, Parteien, Legislative, Exekutive, Justiz, Medien und Zivilgesellschaft) mit diversen Kapiteln. Wurde im Vorjahr gesamt ein Wert von 57,1 Prozent ermittelt, beträgt das Ergebnis für 2023 57 Prozent. Der Indexwert für die Säule Medien sank im vergangenen Jahr um 7,1 Prozentpunkte auf 60,2 Prozent. Bei der Medienfreiheit wurde ein Minus von 8,3 Prozent und bei der Medienvielfalt ein Minus von 5,8 Prozent errechnet.

Untersuchung über Zustand der Demokratie

Der Demokratie-Index bewertet einmal im Jahr den Zustand der Demokratie in Österreich. Während es in den Bereichen Justiz, Exekutive und Gesetzgebung kaum Veränderungen gibt, hat sich die Situation der Medien im Vergleich zum Vorjahr verschlechtert.

Verweis auf Aus von Printausgabe der „Wiener Zeitung“

Zojer begründete das beispielsweise mit dem Ende der täglichen Printausgabe der „Wiener Zeitung“. Schlechte Finanzierung der Medien mache diese zudem anfälliger für kommerzielle Interessen: Kritisiert wird, dass staatliche Förderungen und Inserate nach wie vor nicht an medienethische Kriterien gekoppelt sind und die Finanzierung des Presserats nicht ausreichend gesichert ist. Hierbei wurde eine Orientierung an klaren Qualitätskriterien (etwa Mitgliedschaft im Presserat, Redaktionsstatut, journalistische Arbeitsplätze) gefordert.

„Verantwortungsvoller Journalismus muss gestärkt werden, um der grassierenden Desinformation entgegenzutreten“, so Zojer. Die Unabhängigkeit des ORF muss umfassend gesichert werden, heißt es auf der Demokratie-Index-Website zudem.

Kritisiert wurde weiters, dass es zur Einschränkung der Berichterstattungsfreiheit gekommen sei, etwa bei Demonstrationen. Bei einem Rammstein-Konzert sei ein Medienvertreter körperlich angegriffen worden. In Kärnten wiederum sei ein Journalist von den Behörden kriminalisiert worden. Die Politik trage zu dieser Entwicklung bei. Zojer nannte als Beispiele Kritik von Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) am „Falter“ sowie die grundsätzliche Ausrichtung der FPÖ.

Leichter Rückgang bei Informationsfreiheit

Einen leichten Rückgang im Demokratie-Index gibt es auch im Bereich Informationsfreiheit – das, weil die angekündigte Veröffentlichungspflicht für Studien nicht das gehalten habe, was versprochen worden sei, wie Markus Hametner vom Forum Informationsfreiheit ausführte. Die von der Regierung zuletzt angekündigte Abschaffung des Amtsgeheimnisses wurde im Index noch nicht eingepreist.

Im Bereich Souverän wurde eine besorgniserregende Verschlechterung um 1,9 Prozent auf 65,4 Prozent festgestellt. Die NGOs fordern unter anderem Verbesserungen bei den Rechten für Menschen mit Behinderung, im Strafvollzug, bei der Sicherheit von Frauen, im Schutz vor Diskriminierung, im Asylrecht sowie beim Recht auf Umweltschutz und bei sozialen Mindeststandards.

Einem Punkt wird seit heuer verstärkt Beachtung geschenkt: staatlicher Untätigkeit in Sachen Femizide. Dadurch, dass keine wirkungsvollen Maßnahmen dagegen ergriffen würden, würden die Rechte der Frauen auf Unversehrtheit täglich verletzt, meinte Luise Wernisch-Liebich (Gründungsverein Österreichische Demokratiestiftung).

Über alle Säulen hinweg weist der Bereich Exekutive, also der Regierung und anderer Verwaltungsorgane, wie auch im Vorjahr den schlechtesten Wert auf: Dieser liegt bei 33,6 Prozent und damit etwas besser als 2022. Am zweitschlechtesten schneidet erneut die Legislative mit 42,9 Prozent ab.

Verbesserungen bei Parteienfinanzierung

Verbesserungen gab es in den Säulen Parteien, Justiz, Zivilgesellschaft und Wahlen: Positiv bewertet wurden gesetzliche Maßnahmen bei der Parteienfinanzierung und in Sachen Korruptionsbekämpfung. Die Bewertungen hält Wernisch-Liebich für durchaus wichtig, falle Demokratie doch nicht einfach vom Himmel. Vielmehr gerate sie überall unter Druck. Weltweit lebten mittlerweile zwei Drittel der Menschen nicht in demokratischen Strukturen.

„Anders als internationale Indizes, die für einen globalen Vergleich einen Top-down-Ansatz verfolgen und bei denen Österreich daher immer relativ hoch bewertet wird, entspricht unser Zugang einem Bottom-up-Ansatz, der mit den fortschrittlichsten und liberalsten Demokratien der EU vergleicht“, heißt es auf der Website über die Berechnungen und Ergebnisse des Demokratie-Index. „So kommen wir zu vergleichsweise niedrigeren Werten, die vor allem die Defizite der Infrastruktur der Demokratie in Österreich betonen, die einer Sanierung bedürfen.“

Das Ergebnis sei keine Messung, sondern eine Bewertung mit subjektiven Anteilen, hatte Paul Grohma von Wahlbeobachtung.org bei der Präsentation des ersten Demokratie-Index im Vorjahr betont.

SPÖ: „Armutszeugnis“ für türkis-grüne Medienpolitik

„Nach dem katastrophalen Absturz Österreichs beim Ranking der Pressefreiheit 2022 ist auch der heute präsentierte ‚Demokratie-Index‘ ein Armutszeugnis für die Medienpolitik der türkis-grünen Bundesregierung“, sagte SPÖ-Mediensprecherin Muna Duzdar in einer Aussendung. Sie verwies in dem Zusammenhang auch auf das Aus der „Wiener Zeitung“ und des Wiener Gratismagazins „Biber“. Kritisch äußerte sich Duzdar über Einschüchterungsversuche gegenüber einem Kärntner Journalisten und zuletzt die sogar körperlichen Attacken bei einer FPÖ-Veranstaltung auf ORF-Reporter Peter Klien.