Eine Kassierin arbeitet in einem Supermarkt
ORF.at/Roland Winkler
Gehaltsverhandlungen

Gewerkschaft legt Latte auch für Handel hoch

Elf Prozent mehr Lohn bzw. Gehalt, Arbeitszeitreduktion, insgesamt „Lebensqualität erhöhen“: Die Gewerkschaft legt die Latte in den Kollektivertragsverhandlungen (KV) für knapp eine halbe Million Beschäftigte im Handel hoch. Die Arbeitgeberseite bremst mit dem Argument, die Branche kämpfe mit einem realen Minus. Wie bei den Metallern stehen nun auch im Handel die Zeichen auf harte Verhandlungen.

Die Kollektivvertragsverhandlungen für die rund 430.000 Handelsangestellten begannen Dienstagvormittag. Die Gewerkschaft fordert ein Gehaltsplus von 11,0 Prozent. Von Oktober 2022 bis September 2023 lag die Inflation bei 9,2 Prozent. Die Arbeitgeber verwiesen auf die schwierige wirtschaftliche Lage im Handel und wollen „kreative“ Lösungen für den KV-Abschluss. Sie stellen auch infrage, ob die 9,2 Prozent Inflation die Basis für Verhandlungen sein müssen.

Es gehe um „eine faire und dauerhafte Erhöhung der Gehälter“, sagte die gewerkschaftliche Chefverhandlerin Helga Fichtinger von der GPA vor Beginn der Verhandlungen bei einem gemeinsamen Pressestatement mit WKO-Handelsobmann Rainer Trefelik. Neben dem Gehaltsplus wolle man mehr Urlaubstage „für die Erholung und die Lebensqualität“ der Handelsbeschäftigten.

Wirtschaftskammer verweist auf schwierige Lage

Trefelik verwies auf die Rezession 2023, die hohe Inflation, Konsumzurückhaltung, rückläufige reale Umsätze im Handel sowie steigende Insolvenzzahlen. Daher gebe es entsprechend wenig Spielraum für die KV-Verhandlungen. Eine derartige Situation mit „multiplen Krisen“ habe es „seit 40 Jahren“ nicht gegeben. „Heuer wird es ein ganz, ganz schwieriger Verhandlungsprozess“, sagte Trefelik.

Grafik zu den Gehaltsverhandlungen im Handel
Grafik: APA/ORF

„More of the same, weil es 40 Jahren so gelaufen ist: Das wird nicht gehen“, so Trefelik. Man werde für den KV-Abschluss „Kreativität brauchen“, so die Arbeitgeberseite. Letztes Jahr hatten die Arbeitgeber bei den Verhandlungen neben einem Gehaltsplus auch eine steuerfreie Einmalzahlung angeboten. Die Gewerkschaft kann sich eine Einmalzahlung nur als zusätzlichen Bonus vorstellen und fordert eine Gehaltserhöhung über der Inflationsrate.

Gewerkschaft fordert gestaffelt „Freizeittage“

Die GPA fordert in den diesjährigen Verhandlungen statt der jahrelang ventilierten „leichteren Erreichbarkeit“ der sechsten Urlaubswoche zusätzliche dauerhafte „Freizeittage“, nämlich ab fünf Dienstjahren drei Arbeitstage, ab sieben Dienstjahren zwei Arbeitstage und ab zehn Dienstjahren einen Arbeitstag.

Weiters wünschen sich die Arbeitnehmervertreter einen gemeinsamen Sozialpartnerprozess zur generellen Arbeitszeitverkürzung. Außerdem fordert die Gewerkschaft einen Zuschlag für Mehrarbeitszeiten ab der ersten Stunde der Überschreitung über das vereinbarte Ausmaß an Arbeitszeit hinaus. Für Mitarbeiter mit 30 Dienstjahren solle es zwei Bruttomonatsgehälter und zwei zusätzliche freie Tage als Prämie geben – „als Wertschätzung und Ausgleich für die lange Tätigkeit“, so Fichtinger.

„Grundsätzlich“ zu Kampfmaßnahmen bereit

Vorerst sind vier Verhandlungsrunden fixiert. Fichtinger wollte am Dienstag zunächst das Angebot der Arbeitgeber abwarten. Ganz grundsätzlich sei die Gewerkschaft zu Kampfmaßnahmen bereit, Vorratsbeschlüsse gebe es aber nicht. Zusätzliche Verhandlungsrunden seien denkbar, das werde sich aber erst im Laufe der Gespräche herausstellen.

Knapp zwei Drittel der Angestellten im Handel in Österreich sind Frauen, im Einzelhandel liegt der Frauenanteil noch etwas höher. Knapp 60 Prozent der Frauen im Handel arbeiten Teilzeit, bei Männern liegt die Teilzeitquote nur bei rund 13 Prozent.

Eine Verkäuferin verkauft Wurst an Kunden
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Sehr hoher Teilzeitanteil bei Frauen

Im Vorjahr lag die als Verhandlungsbasis für den Handels-KV herangezogene rollierende Inflation bei 6,9 Prozent. Nach fünf Verhandlungsrunden und einer Streikdrohung einigten sich Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter auf ein Gehaltsplus von 7,0 Prozent und mindestens 145 Euro ab 1. Jänner 2023.

Damit belief sich die durchschnittliche Erhöhung der Gehälter laut Gewerkschaft auf 7,3 Prozent. Bei den Mindestgehältern betrug die Erhöhung bis zu 8,7 Prozent. Das Vollzeiteinstiegsgehalt für Handelsangestellte liegt seitdem bei monatlich 1.945 Euro brutto (1.535 Euro netto).

Für Handelsverband „undenkbar“

Für den Handelsverband sei die von der Gewerkschaft geforderte KV-Erhöhung „undenkbar“, hieß es in einer Aussendung vom Dienstag nach dem Auftakt der Verhandlungen. Diese würde „eine nachhaltige Arbeitsplatzsicherung verunmöglichen und viele Handelsbetriebe wirtschaftlich ruinieren“.

Und ähnlich ein Argument wie bei den Metallern: Wichtig sei heuer, „dass die teuerungsabfedernden Maßnahmen der Bundesregierung wie die Abschaffung der
kalten Progression oder die Teuerungsprämie in die Berechnung des Kollektivvertragsabschlusses einbezogen
werden“, so der Geschäftsführer der Interessenvertretung für den Handel, Rainer Will. Handel und Baugewerbe seien die Branchen, die aktuell am stärksten von Insolvenzen betroffen seien.

Runde eins ohne Ergebnis

Runde eins der Verhandlungen endete schließlich ohne Ergebnis. „Die Arbeitgeber waren nicht bereit, ein Angebot zu unterbreiten“, hieß es von der Gewerkschaft. Die GPA bleibe aber bei ihren Forderungen nach elf Prozent Gehaltserhöhungen „und einem Rahmenpaket mit der Forderung nach Arbeitszeitverkürzung“.

„Das Verhalten der Arbeitgeber ist völlig unverständlich, und wir sind empört. Sie kennen unsere Forderungen seit Wochen und wissen, dass die Beschäftigten eine Kaufkraftstärkung brauchen und erwarten“, so Martin Müllauer, Vorsitzender des GPA-Wirtschaftsbereiches Handel, in einer Aussendung. Die Gewerkschaft rief nach dem Ende der Gespräche zu Betriebsversammlungen vom 2. bis zum 8. November auf.

Zähe Verhandlungen bei Metallern

Die KV-Verhandlungen für die Beschäftigten der Metalltechnischen Industrie und Metallindustrie sind aktuell festgefahren. Am Freitag waren sie in der dritten Runde gescheitert, am Montag begannen Betriebsversammlungen.

Dabei ging es in erster Linie darum, wie bereits am Freitag von der Gewerkschaft angekündigt „vorsorglich Beschlüsse für gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen“ einzuholen. Sollte es in der nächsten Runde am 2. November keine Einigung geben, werde man ab 6. November Maßnahmen ergreifen. Ob es sich dabei lediglich um Warnstreiks oder bereits um längere Streiks handle, hänge unter anderem von der Position der Arbeitgeber ab, hieß es aus der Gewerkschaft.

In den nächsten Tagen sind weitere Betriebsversammlungen geplant. Die Gewerkschaft spricht von mehr als 100 am Tag, bei denen mit ähnlichen Beschlüssen zu rechnen sei. Am Montag fanden Versammlungen unter anderem bei Tyrolit, Berndorf, Internorm, Palfinger und voestalpine Automotive statt, weitere waren bei Miele, Liebherr, BMW Motoren, Magna-Steyr und Schoeller-Bleckmann angekündigt.

Strittige Rechnung

Die Positionen liegen weit auseinander. Die Arbeitgebervertreter ds Fachverbands der Metalltechnischen Industrie (FMTI) blieben am Freitag bei ihrem bisherigen Angebot, die Arbeitnehmervertreter der Gewerkschaften PRO-GE und GPA sahen darin „keinerlei Bereitschaft, ernsthafte Verhandlungen zu führen“. Von Arbeitgeberseite wiederum hieß es, auch die Gewerkschaft müsse sich bewegen. Schließlich befinde sich die Branche derzeit in einer Rezession.

Die Gewerkschaften fordern für die Metaller 11,6 Prozent mehr Lohn bzw. Gehalt, das Angebot der Arbeitgeber liegt bei 2,5 Prozent und einer Einmalzahlung von 1.050 Euro. Zusammen mit den Antiteuerungsmaßnahmen der Regierung würde dadurch die Inflation abgedeckt, argumentiert die Arbeitgeberseite – inklusive „Netto-Kaufkraftzuwachs von durchschnittlich sieben Prozent“ für die Beschäftigten der Branche. Diese Rechnung lässt die Gewerkschaft allerdings nicht gelten.