EGMR kippt Teile von polnischer Justizreform

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat Teile der Justizreform in Polen für gesetzwidrig erklärt. Die von der national-konservativen PiS-Regierung durchgesetzte Absenkung des Pensionsantrittsalters von Richtern sei ein willkürlicher Eingriff in die Unabhängigkeit der Rechtsprechung, entschied das Gremium heute.

Der EGMR verwarf die polnische Regelung, nach der unter anderem der Justizminister entscheidet, ob ein Richter nach Erreichen des Pensionsalters – 60 Jahre für Richterinnen und 65 Jahre für ihre männlichen Kollegen – weiterarbeiten darf. Das sei ein Eingriff in die Unabhängigkeit. Zudem verstoße die Unterscheidung zwischen männlichen und weiblichen Richtern gegen die europäischen Vorschriften zur Gleichbehandlung.

Die Pensionsregelungen waren Teil einer Reihe von Reformen im Justizwesen, die von der seit 2015 regierenden PiS-Partei eingeführt und die unter anderem von EU-Institutionen kritisiert wurden. Die PiS-Regierung warf der EU eine unzulässige Einmischung in innere Angelegenheiten vor, während ihre Kritiker ihr das Aushöhlen demokratischer Gewaltenteilung und populistische Stimmungsmache ankreideten.

Opposition einigte sich auf Koalitionsbündnis

Ex-Premier Donald Tusk und sein oppositionelles Bündnis wollen die umstrittenen Reformen unter der PiS-Regierung rückgängig machen. Bei der Wahl am 15. Oktober schnitt die PiS zwar als stärkste Kraft ab, verfehlte aber eine Regierungsmehrheit.

In Polen rückt damit die Ablöse der Regierungspartei näher. Die proeuropäischen Oppositionsparteien Bürgerkoalition (KO), Dritter Weg und Linke verständigten sich auf eine Koalitionsregierung, wie ihre Parteichefs in einer gemeinsamen Pressekonferenz in Warschau verkündeten.

Regierungschef soll KO-Chef Tusk werden. Der frühere EU-Ratspräsident steht damit vor einem Comeback als Premier. Die drei Parteien seien zu einer „umfassenden Zusammenarbeit“ in der beginnenden Legislaturperiode bereit, so Tusk nach Angaben der Nachrichtenagentur PAP.