UNO-Sicherheitsrat in New York
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UNO

Guterres-Rede erzürnt Israel

Inmitten des Krieges in Nahost nach den verheerenden Attacken der radikalislamischen Hamas auf Israel werden die diplomatischen Verstimmungen zwischen Israel und den Vereinten Nationen deutlicher. UNO-Generalsekretär Antonio Guterres kritisierte am Dienstag Israel wegen seiner Angriffe auf den Gazastreifen, woraufhin Israels Außenminister Eli Cohen ein Treffen mit ihm absagte. Israels UNO-Botschafter Gilad Erdan forderte gar Guterres’ Rücktritt.

Der Schutz der Zivilbevölkerung bedeute nicht, dass mehr als eine Million Menschen in den Süden fliehen sollen, „wo es keine Unterkünfte, keine Nahrung, kein Wasser, keine Medikamente und keinen Treibstoff gibt, und dann den Süden selbst weiter zu bombardieren“, sagte Guterres bei einer hochrangigen Sitzung des Weltsicherheitsrates in New York.

Offensichtlich an die Adresse von Hamas-Kämpfern gerichtet, verurteilte der UNO-Chef zudem den Missbrauch von Unbeteiligten als menschliche Schutzschilde. „Ich bin zutiefst besorgt über die eindeutigen Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht, die wir in Gaza beobachten“, so Guterres.

Guterres-Rede erzürnt Israel

Im aktuellen Nahost-Konflikt sorgt eine Rede von UNO-Chef Antonio Guterres für eine Auseinandersetzung mit Israel.

„Angriffe der Hamas fanden nicht im luftleeren Raum statt“

Keine Konfliktpartei stehe über dem humanitären Völkerrecht. Guterres verurteilte die Angriffe der Hamas auf Israel erneut auf Schärfste, diese seien durch nichts zu rechtfertigen. Er sagte aber auch: „Es ist wichtig zu erkennen, dass die Angriffe der Hamas nicht im luftleeren Raum stattfanden.“

UN-Generalsekretär Antonio Guterres
AP/Seth Wenig
Guterres verurteilte die Angriffe der Hamas, rief Israel aber auch dazu auf, das Völkerrecht zu befolgen

Das palästinensische Volk sei 56 Jahre lang einer erdrückenden Besatzung ausgesetzt. Es habe miterlebt, wie sein Land durch Siedlungen dezimiert und von Gewalt heimgesucht worden sei. Es habe erlebt, wie Menschen vertrieben und Häuser zerstört wurden, so Guterres. Die Hamas-Angriffe könnten die „kollektive Bestrafung des palästinensischen Volkes nicht rechtfertigen“, so Guterres.

UNRWA: Ohne Treibstoff keine humanitäre Hilfe

Guterres’ Rede schloss sich das UNO-Hilfswerk für Palästinensische Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) an. „Wenn wir keinen Treibstoff bekommen, der uns erlaubt, weiterhin humanitäre Hilfe zu leisten, werden wir nicht in der Lage sein, Menschen in Not über Mittwochabend hinaus zu helfen – und das ist morgen“, sagte Sprecherin Juliette Touma der dpa am Dienstag.

Die UNRWA habe einen ernsthaften Mangel an Treibstoff. Deshalb bitte das Hilfswerk um eine dringende Lieferung in den Gazastreifen, um seinen humanitären Einsatz fortführen zu können. „Wir haben 600.000 Binnenflüchtlinge in mehr als 150 Unterkünften der UNRWA“, sagte Touma weiter. Sie alle hingen von der Unterstützung des Hilfswerks ab.

Im Gazastreifen sind nach UNO-Angaben seit Samstag zwar 54 Lastwagen mit Hilfsgütern eingetroffen. Die Menge der Hilfsgüter reiche aber bei Weitem nicht. Zudem sei nicht der dringend benötigte Treibstoff dabei. Treibstoff wird im Gazastreifen unter anderem zum Betrieb von Stromgeneratoren in Kliniken benötigt und um die Trinkwasserversorgung aufrechtzuerhalten. Israel befürchtet aber, der Treibstoff würde für Hamas-Einrichtungen genutzt werden.

„Ich werde den UNO-Generalsekretär nicht treffen“

Der israelische Außenminister Cohen sagte daraufhin ein in New York geplantes Treffen mit Guterres wegen dessen Äußerungen zu Israels Angriffen im Gazastreifen ab. Ein Sprecher des israelischen Außenministeriums in Jerusalem bestätigte die Absage am Dienstag. Cohen schrieb dazu auf Twitter (X): „Ich werde den UNO-Generalsekretär nicht treffen. Nach dem 7. Oktober gibt es keinen Platz mehr für eine ausgewogene Position.“ Die für das Massaker verantwortliche islamistische Palästinenserorganisation Hamas müsse „vom Erdboden vertilgt“ werden.

der israelische Außenminister Eli Cohen
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Cohen sagte sein Treffen mit Guterres ab

Israels Außenminister lehnte Rufe nach einer Feuerpause im Gazastreifen mit drastischen Worten ab. „Sagen Sie mir: Was ist Ihre verhältnismäßige Reaktion auf die Tötung von Babys, die Vergewaltigung und Verbrennung von Frauen und die Enthauptung eines Kindes? Wie kann man einem Waffenstillstand mit jemandem zustimmen, der geschworen hat, Sie zu töten und die eigene Existenz zu zerstören?“, rief Cohen dem Weltsicherheitsrat am Dienstag in New York empört entgegen.

Israels UNO-Botschafter Erdan reagierte ebenfalls mit Empörung auf Guterres’ Aussage und forderte dessen Rücktritt. Guterres zeige „Verständnis für eine Kampagne des Massenmordes an Kindern, Frauen und alten Menschen“ und sei nicht geeignet, die UNO zu führen, schrieb Erdan Dienstag auf Twitter. „Ich fordere ihn zum sofortigen Rücktritt auf.“ In einem weiteren Tweet hieß es: „Es ist wirklich traurig, dass der Leiter einer Organisation, die nach dem Holocaust entstanden ist, solch schreckliche Ansichten vertritt.“

USA auf der Seite Israels

Die USA stärkten Israel den Rücken. „Wir müssen das Recht jeder Nation bekräftigen, sich zu verteidigen und zu verhindern, dass sich solcher Schaden wiederholt“, sagte US-Außenminister Antony Blinken. „Kein Mitglied dieses Rates, keine Nation in diesem gesamten Gremium könnte oder würde das Abschlachten seines Volkes tolerieren.“

Der palästinensische Außenminister Riad al-Maliki warf unterdessen dem Weltsicherheitsrat Untätigkeit angesichts der eskalierenden Gewalt in Nahost vor. „Ist es nicht die Pflicht des Sicherheitsrates, den internationalen Frieden und die internationale Sicherheit aufrechtzuerhalten und die Grundsätze und Ziele der UNO-Charta zu wahren, die unseren Völkern garantiert sind?“, sagte Maliki bei einer hochrangig besetzten Sitzung des mächtigsten UNO-Gremiums am Dienstag in New York. Es falle dem Rat schwer, seiner Aufgabe ohne Selektivität oder Doppelmoral nachzukommen.

UNICEF beklagt Tausende tote Kinder

Das UNO-Kinderhilfswerk (UNICEF) beklagte indes, dass bei israelischen Angriffen im Gazastreifen 2.360 Kinder ums Leben gekommen seien. 5.364 weitere seien verletzt worden, teilte UNICEF Mittwochfrüh unter Berufung auf Berichte mit, ohne die Quellen zu nennen.

UNICEF sprach von „unerbittlichen Angriffen“. Adele Khodr, UNICEF-Regionaldirektorin für den Nahen Osten und Nordafrika, sagte: „Die Tötung und Verstümmelung von Kindern, die Entführung von Kindern, die Angriffe auf Krankenhäuser und Schulen sowie die Verweigerung des Zugangs für humanitäre Hilfe stellen schwere Verletzungen der Kinderrechte dar.“

Bisher keine Resolution zum Nahost-Krieg

Israel hat seit dem Überfall der Hamas mehr als 1.400 Tote zu beklagen. Über 220 Israelis nahm die Hamas als Geiseln. Bei israelischen Gegenangriffen auf den Gazastreifen starben laut nicht überprüfbaren Hamas-Angaben seither mehr als 5.700 Menschen.

Im UNO-Sicherheitsrat, in dem die fünf ständigen Mitglieder China, Frankreich, Großbritannien, Russland und USA ein Vetorecht haben, sind bereits zwei Versuche einer Resolution zum Nahost-Krieg gescheitert. Am Donnerstag wird sich die UNO-Vollversammlung mit dem Thema befassen, wobei Russland dem Sicherheitsrat zum neuesten Resolutionsentwurf der USA bereits eine Absage erteilt hat.

Man werde den Text nicht unterstützen, sagte der russische UNO-Botschafter Wassili Nebensja am Dienstag bei einer Sitzung des mächtigsten Gremiums der Vereinten Nationen. Der Entwurf der USA enthalte Elemente, die man nicht unterstützen könne. Nebensja kündigte gleichzeitig an, das Moskau erneut ein eigenes Papier einbringen werde.