Streit über Neutralität im Nationalrat

Zwei ganz unterschiedliche Welten sind gestern gleich zu Beginn der Sondersitzung des Nationalrats geschildert worden. Während FPÖ-Chef Herbert Kickl in der Begründung des von ihm eingebrachten Dringlichen Antrags zur Neutralität düster davon sprach, dass die Bevölkerung „Opfer“ der Regierung sei, die die Souveränität des Landes aufgegeben habe, replizierte Staatssekretärin Claudia Plakolm (ÖVP) für die Koalition, dass die Neutralität „für uns unumstößlich“ sei.

Eigentlich hätten die Freiheitlichen gerne mit Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) debattiert, er war aber nach Israel gereist. Kickl sah den Regierungschef „auf der Flucht vor dem Parlament, vor der freiheitlichen Partei, vor der eigenen Bevölkerung, vor dem Blick in den eigenen Spiegel“. Auch in der Bundespräsidentenloge herrsche Leere, meinte der blaue Klubchef in Richtung Staatsoberhaupt Alexander Van der Bellen, den er per offenem Brief zur Sitzung eingeladen hatte.

Neutralität für ÖVP „unser höchstes Gut“

Kickls Vision ist, dass Österreich in der internationalen Sicherheitspolitik wieder ein Faktor werde, und das in seiner Funktion als neutraler Staat – „das kleine Österreich als Friedensbringer für die ganze Welt“. Einmal mehr verurteilte der FPÖ-Chef die Unterstützung der Regierung für die Ukraine, die Österreich in einen Wirtschaftskrieg „unter Vergatterung der USA“ hineingetrieben habe. Das habe dramatische Auswirkungen für Wirtschaft und Haushalte gehabt.

Ganz anders sah das Österreich der Plakolm’schen Schilderung aus: „Österreich bleibt ein friedliches, sicheres, wohlhabendes Land“, stellte die Staatssekretärin fest. Gleichzeitig beschrieb sie ausführlich die finanziellen Zuwendungen an die Sicherheitsressorts, die von der Regierung gesetzt worden seien – „um eine wehrbare Demokratie zu bleiben“. Wohl mehr für ihre eigene Partei bewarb Plakolm die gezogene „Asylbremse“. Die Neutralität steht für sie jedenfalls nicht zur Disposition. Sie sei „unser höchstes Gut“.

SPÖ wirft FPÖ Unglaubwürdigkeit vor

Auch die anderen Fraktionen konnten mit der „Dringlichen“ der FPÖ nichts anfangen. „Wie unglaubwürdig kann man eigentlich sein?“, fragte sich SPÖ-Verfassungssprecher Jörg Leichtfried. Er hielt den Freiheitlichen vor, dass ihr Vorgänger VdU 1955 als einzige Partei gegen die Neutralität gestimmt habe und die FPÖ später immer wieder für einen NATO-Beitritt eingetreten sei.

Von einem „Schmäh“ der FPÖ sprach auch Michel Reimon von den Grünen. Niemand hier fordere einen NATO-Beitritt, dennoch malten die Blauen einen solchen an die Wand. „Die beste Souveränitätspolitik, die wir machen können, ist der Ausstieg aus Öl und Gas“, meinte Reimon außerdem, also solle man sich am besten von Russland und den Golfstaaten unabhängig machen.

„Wir sind gemeinsam stärker als allein“, betonte auch NEOS-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger. Die Antwort der FPÖ auf den Krieg Russlands gegen die Ukraine und den Terrorüberfall der Hamas auf Israel sei „besser isoliert als zusammen in Europa“, kritisierte sie, „es will mir einfach nicht in den Kopf“.

Abgelehnt wurde zum Abschluss der Sitzung der Dringliche Antrag der FPÖ, der die Basis für das außerordentliche Plenum gewesen war. Keine andere Partei stimmte den freiheitlichen Forderungen zu.