der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu
EBU/Israel Government Press Office
Netanjahu empfing Nehammer

„Kampf zwischen Zivilisation und Barbarei“

Als „schlimmstes Verbrechen an Juden seit dem Holocaust“ hat der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Mittwoch bei seinem Treffen mit Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) den Angriff der palästinensischen Terrororganisation Hamas auf Israel bezeichnet. Netanjahu sagte, die Unterstützung Österreichs sei wichtig. Denn es sei ein „Kampf zwischen Zivilisation und Barbarei“, den sein Land führe.

Nehammer hatte bei seinem Besuch in Tel Aviv das Selbstverteidigungsrecht Israels betont. „Israel hat jedes Recht, sich selbst zu verteidigen – in Übereinstimmung mit dem internationalen Recht“, so Nehammer bei einem Treffen mit dem israelischen Präsidenten Jizchak Herzog. Herzog und Netanjahu dankten Nehammer für den Besuch und die Solidarität.

Nehammer verurteilte den Terror der Hamas und forderte die Freilassung aller von den Islamisten entführten Geiseln – und zwar sofort und bedingungslos. Herzog nannte Österreich „einen Freund Israels“. Es gebe keine Rechtfertigung für Terror, betonte der Präsident. Nehammer stimmte zu.

„Kein größerer Feind der Demokratie als die Angst“

„Alle Menschen sollen in Israel, Österreich, Europa und in der Welt in Sicherheit leben, denn es gibt keinen größeren Feind der Demokratie als die Angst“, sagte Nehammer. Er werde in Österreich „alles daransetzen“, gegen Antisemitismus anzukämpfen und jüdisches Leben zu fördern. „Denn ‚nie wieder‘ ist jetzt.“

der tschechische Premierminister Petr Fiala und der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer
AP/CTK/Marek Opatrny
Nehammer kam zusammen mit dem tschechischen Ministerpräsidenten Petr Fiala am Nachmittag in Tel Aviv an

Am Abend betonte er gegenüber ORF und APA die Notwendigkeit der Unterstützung Israels. „Wenn wir es nicht schaffen, die Hamas in Israel zu besiegen, wird sie nach Europa kommen“, so Nehammer. Ägypten brauche unterdessen Unterstützung, wenn es darum gehe, Menschen aus dem Gazastreifen zu evakuieren. „Es ist unheimlich bedrückend, wenn man sieht, wie viel Leid Israel gerade durchlitten hat und erleidet“, so Nehammer, nachdem er den Vater einer österreichischen Geisel getroffen hatte.

Nehammer will zudem auf EU-Ebene klar die Position vertreten, „dass Israel das Recht hat, sich zu verteidigen und dass die Hamas das Problem ist“. Die Hamas könne nie ein Partner sein. Kritisch sieht der Kanzler auch eine von einigen EU-Ländern geforderte Feuerpause. „Eine Feuerpause nutzt jetzt in dieser Situation nur der Hamas, die wollen sich umgruppieren und neu formieren.“ Wichtig sei, dass humanitäre Hilfe erfolgt. Bei Treibstoffhilfen müsse klar sein, dass diese nicht von der Hamas für Waffen oder Ähnliches verwendet werden.

Gemeinsam mit tschechischem Ministerpräsidenten gereist

Nehammer war am Mittwoch gemeinsam mit dem tschechischen Ministerpräsidenten Petr Fiala nach Israel gereist. Beide Regierungschefs sehen die Reise als Zeichen der Solidarität mit dem von der Hamas angegriffenen Land. Der Kanzler traf in Tel Aviv auch den israelischen Oppositionsführer Jair Lapid sowie Gilad Korngold, den Vater eines vermissten österreichisch-israelischen Doppelstaatsbürgers. Nehammer plant im Zuge seines Besuchs außerdem ein ausführliches Telefonat mit dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas.

ORF-Korrespondent Cupal zum Treffen in Israel

Israels Präsident Jizchak Herzog und der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu dankten Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) für seine Solidarität. Israel-Korrespondent Tim Cupal berichtet aus Israel über das Zusammenkommen der Regierungschefs.

Etwa 1.400 Israelis getötet, über 220 verschleppt

Die Hamas hatte am 7. Oktober einen Großangriff auf Israel verübt. Dabei töteten die Terroristen rund 1.400 Menschen, überwiegend Zivilistinnen und Zivilisten. Auch vier österreichisch-israelische Doppelstaatsbürger kamen ums Leben, ein weiterer wird noch vermisst.

Korngolds Sohn Tal Schoham war gemeinsam mit seiner Frau und zwei Kindern von Angreifern im Kibbuz Be’eri überrascht worden, seitdem fehlt von ihnen jede Spur. Videos legen nahe, dass Tal von der Hamas entführt wurde. Korngold berichtete gegenüber österreichischen Medien, das Haus der Familie sei verbrannt worden, doch hätten sich darin keine Leichen befunden. Das gebe ihm Hoffnung, dass sein Sohn noch lebt. „Ich will ihn zurück. Ich will meine Familie zurück.“ Die Islamisten verschleppten mehr als 220 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen.

Israel geht seit dem Massaker mit Luftangriffen gegen die Hamas im Gazastreifen vor. Dabei wurden nach Angaben des Hamas-Gesundheitsministeriums knapp 5.800 Menschen getötet. Diese Zahl kann jedoch nicht unabhängig überprüft werden. Die humanitäre Lage im Gazastreifen gilt als katastrophal. Es fehlt nach UNO-Angaben vor allem an Treibstoff, Nahrungsmitteln, Wasser und Medikamenten. In dem Palästinensergebiet befinden sich laut Außenministerium derzeit mehr als 30 Österreicherinnen und Österreicher samt Angehörigen.

Reihe an Politikern in Nahost

Österreich und Tschechien zählen zu jenen Ländern in der EU, die den derzeitigen Gegenschlag der israelischen Armee grundsätzlich als legitime Selbstverteidigung ansehen. Auf der anderen Seite gibt es hingegen Länder wie Spanien, Irland und Belgien, die Israels Vorgehen im Gazastreifen kritisch sehen und angesichts der vielen zivilen Opfer eine humanitäre Waffenruhe fordern. Auf dem EU-Gipfel, der am Donnerstag in Brüssel beginnt, werden auch die Entwicklungen im Nahen Osten Thema sein.

Nehammer reiste an Bord einer tschechischen Regierungsmaschine nach Israel. Nehammer und Fiala planten auch einen gemeinsamen Besuch des Ichilov-Krankenhauses in Tel Aviv, um dort Verwundete sowie Angehörige von Todesopfern zu treffen. Ein geplantes Gespräch mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas fand hingegen nicht statt.