Andrzej Duda, Barbara Nowacka und Donald Tusk
Reuters/Kacper Pempel
Polen wartet

Tusk will regieren, Präsident Duda bremst

Vor knapp zwei Wochen hat Polen ein neues Parlament gewählt. Als Sieger ging zwar die nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) von Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hervor, die Opposition hält nun aber gemeinsam die Mehrheit und will Donald Tusk zum Regierungschef machen. Doch dafür benötigt Tusk zunächst den Auftrag von Präsident Andrzej Duda: Dieser will sich aber Zeit lassen.

Nach dem Wahlerfolg des Oppositionsbündnisses soll das neue Parlament am 13. November zu seiner konstituierenden Sitzung zusammenkommen. Das sei der Tag, nach dem die laufende Legislaturperiode zu Ende gehe, sagte Duda am Donnerstag in Warschau. Duda, der selbst aus der PiS stammt, ließ die brisante Frage offen, wem er den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen wird.

Bei der Wahl am 15. Oktober hatte die oppositionelle liberalkonservative Bürgerkoalition (KO) von Tusk gemeinsam mit zwei weiteren Oppositionsparteien, dem konservativen Dritten Weg und dem Linksbündnis Lewica, eine deutliche Mehrheit der Sitze errungen.

Der 66-jährige Tusk war schon von 2007 bis 2014 Polens Regierungschef. Die seit 2015 regierende PiS war aus der Wahl zwar als stärkste politische Kraft hervorgegangen, sie verfehlte aber die absolute Mehrheit und hat keinen passenden Koalitionspartner.

Grafik zum Endergebnis der Parlamentswahlen in Polen
Grafik: APA/ORF; Quelle: Wahlkommission

„Das ist eine neue Situation“

Duda war am Dienstag und Mittwoch mit Vertretern aller Parteien zusammengetroffen. Nach seiner Darstellung gibt es „zwei ernsthafte Kandidaten“, sagte Duda. Es gebe „zwei politische Gruppen, die angeben, eine Mehrheit und einen eigenen Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten zu haben“: den bisherigen Ministerpräsidenten Morawiecki von der PiS sowie Oppositionsführer Tusk.

Die Verfassung gebe ihm Zeit für seine Entscheidung, betonte Duda. „Das ist eine neue Situation.“ Es habe noch nie eine Situation gegeben, in der eine Partei gewonnen habe und die anderen behaupteten, sie hätten die Mehrheit. Oppositionspolitiker in Warschau hatten nach der Wahl mehrfach die Befürchtung geäußert, der Präsident könnte den Wechsel verzögern, um der PiS noch ein oder zwei weitere Monate an der Macht zu ermöglichen.

Polens Präsident Andrzej Duda
Reuters/Agencja Wyborcza/Jakub Porzycki
Der aus der PiS stammende Andrzej Duda überlegt noch, wem er den Regierungsauftrag erteilt

In Polen ist es politische Gepflogenheit, aber kein Muss, dass das Staatsoberhaupt den Auftrag zur Regierungsbildung an einen Vertreter derjenigen Partei vergibt, die die stärkste politische Kraft geworden ist. Bekommt dessen Vorschlag für ein Kabinett im Parlament keine Mehrheit, sind die übrigen Fraktionen am Zug.

Tusk: Duda „spielt auf Zeit“

Tusk warf Duda am Donnerstag vor, „auf Zeit zu spielen“. Denn gerade jetzt sei es für Polen wichtig, schnell eine neue Regierung zu haben, sagte er und verwies auf die ersten Zahlungen der eingefrorenen EU-Gelder in Milliardenhöhe, die man bis Dezember erhalten könnte.

„Ich bin der designierte Regierungschef der Opposition und wenn ich meine Regierung bekomme, dann werde ich schnelle Maßnahmen einleiten, damit die ersten Zahlungen schon im Dezember gemacht werden können“, sagte Tusk in Brüssel.

Mit der bisherigen PiS-Regierung hatte sich die EU jahrelang einen erbitterten Streit über die Rechtsstaatlichkeit geliefert. Allein 35 Milliarden Euro aus dem europäischen Coronavirus-Aufbaufonds für Polen sind deshalb eingefroren. Mit Regionalfördermitteln stehen nach Angaben aus dem Europaparlament sogar mehr als 100 Milliarden Euro auf dem Spiel.