Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg während einer Demonstration
Reuters/Toby Melville
„Fridays for Future“ unter Druck

Nahost-Konflikt treibt Keil in Klimabewegung

Aussagen der Umweltschutzorganisation „Fridays for Future“ („FFF“) zum Nahost-Konflikt polarisieren aktuell auf Social Media. In einem Posting sprach die internationale „FFF“-Organisation am Donnerstag von einem „Völkermord“ an Palästinensern und sparte nicht mit Kritik an Israel und Medien. Die Postings haben auch Spaltungspotenzial innerhalb der Bewegung: „FFF Austria“ distanzierte sich gegenüber ORF.at einmal mehr von den Aussagen, „FFF“-Initiatorin Greta Thunberg protestierte indes am Freitag für Palästina.

Die internationale Gruppierung sprach online von einer „Gehirnwäsche“ durch westliche Medien, die nicht die ganze Geschichte erzählen würden, und bezeichnete Israel als „Apartheid-System“. Es gebe keine zwei Seiten, sondern einen „Unterdrücker“ sowie „Unterdrückte“. „FFF Austria“ distanzierte sich in einem Posting am Donnerstag von den Aussagen der internationalen Organisation.

Auch gegenüber ORF.at sprach sich „FFF“-Pressesprecherin Klara König am Freitag „klar“ gegen Antisemitismus aus und distanzierte sich von den Aussagen der internationalen Organisation. Die aktuellen Ereignisse in Nahost würden die vielen jungen Mitglieder der Bewegung erschüttern, man sei gegen Gewalt, Terror und Diskriminierung.

Verweis auf „dezentrale Bewegung“

Man bitte zudem um Verständnis, dass es sich um eine breite und dezentrale Bewegung ohne „klare strukturelle Verankerung“ sowie geregelte Abstimmungsverfahren handle, was den Onlineauftritt betreffe. Als erste Konsequenz habe man sich bereits öffentlich von den Aussagen distanziert.

Man wolle sich nun weiter auf die Kernkompetenz der Bewegung konzentrieren und für eine Erhaltung der Lebensgrundlagen auf die Straße gehen. Auf Nachfrage von ORF.at, ob eine Neuausrichtung bzw. bessere Abstimmung der Kommunikation in sozialen Netzwerken geplant sei, hieß es, man bespreche derzeit „alles noch einmal intern“.

Schon im August hatte die deutsche Tageszeitung „Jüdische Allgemeine“ aufgrund israelfeindlicher Postings Recherchen zu den Accounts der Bewegung veröffentlicht. Den Angaben zufolge würden die Inhalte des Accounts von „FFF International“ von knapp einem Dutzend Aktivistinnen und Aktivisten maßgeblich bespielt. Keiner von ihnen sei überregional bekannt oder für seine Funktion gewählt worden. Unter ihnen befinde sich wiederum „nur eine Handvoll Personen“ mit einer „geradezu fanatisch israelfeindlichen Einstellung“, die die Positionen des Accounts zu Nahost bestimme.

„Fridays For Future“-Demo in Wien
Reuters/Julia Geiter
Eine „Fridays for Future“-Demo in Wien

Thunberg streikt vor schwedischem Parlament

Die schwedische Klimaaktivistin und „FFF“-Initiatorin Thunberg hat sich am Freitag unterdessen erneut für die Palästinenser starkgemacht. „Gerechtigkeit für Palästina“, stand auf einem Schild, das die 20-Jährige bei ihrem freitäglichen Klimaprotest vor dem schwedischen Parlament in Stockholm in den Händen hielt. Wie ein von Thunberg in den sozialen Netzwerken geteiltes Bild zeigte, hielten mehrere ihrer Mitstreiter ebenfalls Schilder mit Solidaritätsbekundungen in die Höhe.

Bereits vergangene Woche hatte ein Aufruf Thunbergs zu einem Streik für Solidarität mit den Palästinensern für Aufregung gesorgt. Auf Social Media schrieb Thunberg: „Heute streiken wir aus Solidarität mit Palästina und Gaza. Die Welt muss ihre Stimme erheben und einen sofortigen Waffenstillstand, Gerechtigkeit und Freiheit für die Palästinenser und alle betroffenen Zivilisten fordern.“

Kritikerinnen und Kritiker monierten insbesondere, dass Thunberg die 1.400 Todesopfer des Großangriffs der islamistischen Hamas auf Israel vor zwei Wochen nicht gesondert erwähnte. Zudem hatte es Kritik an einem im Bild zu sehenden Kuscheltier gegeben, das angeblich an ein antisemitisches Symbol erinnere. Thunberg schrieb in einem neuen Beitrag, ihr sei die Ähnlichkeit nicht bewusst gewesen. „Wir sind natürlich gegen jede Art von Diskriminierung und verurteilen Antisemitismus in jeglicher Form.“

Protestforscher ortet „massives Spaltungspotenzial“

Die Aussagen Thunbergs sorgten dennoch auch für Empörung in Deutschland. Dass die deutsche Klimaaktivistin Luisa Neubauer auf die Israel-Aussagen in der deutschen Klimaszene angesprochen sagte, man sei Teil einer „strukturell antisemitischen Gesellschaft“, verwische Verantwortung, schreibt etwa die „Welt“. Die Klimabewegung müsste eine Debatte über Antisemitismus in ihren eigenen Reihen anstoßen.

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, ging gegenüber der deutschen „Bild“ einen Schritt weiter. „Ich erwarte von Luisa Neubauer und ‚Fridays for Future Deutschland‘ eine wirkliche Abkoppelung, eine Namensänderung der Organisation und den Abbruch jeglicher Kontakte zu ‚Fridays for Future International‘“, so die Forderung Schusters.

„Man profitiert einerseits immer davon, dass man eine globale Bewegung ist, dass man sehr divers und in verschiedenen Ländern aufgestellt ist“, sagte Jannis Grimm, Protestforscher von der Freien Universität Berlin, gegenüber dem NDR zu der Kontroverse. Damit gehe aber auch einher, dass alles auch auf regionale Ableger zurückfalle. „Und da kann jetzt noch so viel Distanzierung, auch ehrliche Distanzierung von diesen Worten erfolgen: Der Branding-Effekt bleibt trotzdem bestehen. Und das hat massives Spaltungspotenzial.“