Explosionen und Rauch im Norden des Gazastreifen
AP/Abed Khaled
Israel

Verstärkte Angriffe auf Gaza

Die israelische Armee hat „in einer sehr bedeutsamen Weise“ verstärkte Luftangriffe auf Gaza gemeldet. Man gehe „kontinuierlich“ gegen die Hamas vor, sagte Armeesprecher Daniel Hagari – das wolle man auch mittels eines verstärkten Einsatzes auf dem Boden sicherstellen. Und während in Israel nach neuem Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen wieder die Sirenen heulten, verabschiedete die UNO-Vollversammlung am Freitag eine Resolution für eine „sofortige Feuerpause“ in Gaza.

Israels Armeesprecher Hagari sagte am Abend, im Zuge der israelischen Angriffe würden vermehrt unterirdische Ziele – also Tunnelsysteme der Hamas – und terroristische Infrastruktur der Hamas angegriffen. „Wir werden weiterhin Luftangriffe in der Stadt Gaza und ihrer Umgebung ausführen“, gab er in einer TV-Ansprache an. Die Angriffe begannen demnach am Freitagabend gegen 19.00 Uhr (Ortszeit, 18.00 Uhr MESZ).

Am späteren Abend drangen israelische Streitkräfte laut Bewohnern dann in den nördlichen Gazastreifen ein, wie israelische Medien berichteten. Später behauptete die Hamas, es gebe gewalttätige Zusammenstöße in dem Ort Beit Hanun im Norden sowie östlich des Flüchtlingslagers al-Bureidsch. Unabhängig waren die Angaben nicht zu überprüfen.

Zugleich sagten US-amerikanische und israelische Beamte dem US-Sender ABC, dass es sich dabei nicht um eine großangelegte Offensive handle. Eine ungenannte US-Quelle sagte dem Sender, es handle sich um eine begrenzte Operation.

Internet und Mobilfunk ausgefallen

Laut dem palästinensischen Telekom-Betreiber Jawwal seien infolge des Beschusses Internet und Mobilfunknetz im Gazastreifen ausgefallen. Auch der Internetüberwachungsdienst Netblocks meldete einen „Zusammenbruch der Konnektivität“. Der Palästinensische Rote Halbmond teilte via Twitter (X) mit, man habe den Kontakt zu allen Einsatzzentralen und Teams verloren.

Die Retter sorgten sich, ob die Einsatzkräfte derzeit in der Lage seien, weiterhin medizinische Notfalldienste zu leisten. Auch die Notrufzentrale sei betroffen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gab ebenfalls an, keinen Kontakt mehr zu Mitarbeitern, Gesundheitseinrichtungen und anderen Partnern im Gazastreifen zu haben. Das teilte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus via Twitter mit.

„Raketensalven“ auf Israel abgefeuert

Zugleich teilten die Essedin-al-Kassam-Brigaden, der bewaffnete Arm der Hamas, via Telegram mit, am Freitagabend „Raketensalven“ auf israelisches Gebiet abgefeuert zu haben. Israelischen Medienberichten zufolge wurden Raketen in Richtung Tel Aviv, in Richtung des Zentrums des Landes sowie Richtung Norden des besetzten Westjordanlandes abgefeuert. Aus Tel Aviv etwa wurden Verletzte gemeldet.

Explosionen und Rauch im Norden des Gazastreifen
AP/Abed Khaled
Am Freitagabend griff die israelische Armee erneut Ziele im Gazastreifen an

Nach Ansicht des jordanischen Außenministers Aiman Safadi hat Israel seine Bodenoffensive im Gazastreifen bereits am Abend begonnen, wie er sagte: „Israel hat gerade einen Bodenkrieg gegen Gaza gestartet“, teilte Safadi via Twitter mit. „Das Ergebnis wird eine humanitäre Katastrophe von epischem Ausmaß über Jahre sein.“

Weißes Haus: „Wir ziehen keine roten Linien für Israel“

Die US-Regierung bekräftigte unterdessen ihre Unterstützung für Israel. „Wir ziehen keine roten Linien für Israel“, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, am Freitag auf die Frage eines Journalisten. Man unterstütze weiter die „Sicherheitsbedürfnisse“ des Landes und Israels Recht, sich selbst zu verteidigen. „Das wird so bleiben.“ Zu Israels Ausweitung der Bodeneinsätze in Gaza äußerte sich Kirby auch auf mehrere Nachfragen hin nicht.

Kirby sagte, dass man aber auch von Anfang mit Israel über die „Art und Weise“ einer Reaktion auf die Terrorangriffe gesprochen habe. „Und wir haben uns nicht gescheut, unsere Besorgnis über zivile Opfer, Kollateralschäden und die Vorgehensweise, die sie wählen könnten, zum Ausdruck zu bringen.“ Das sei es, was „Freunde“ tun könnten, und man werde diese Gespräche weiter führen.

UNO-Resolution für sofortige „humanitäre Waffenruhe“

Zugleich forderte die UNO-Vollversammlung mit großer Mehrheit eine sofortige humanitäre Feuerpause zwischen Israel und den Palästinensern in Gaza. Zudem müssten dort Hilfslieferungen zugelassen sowie Zivilistinnen und Zivilisten geschützt werden, heißt es in der von arabischen Staaten formulierten Resolution. Diese ist nicht bindend. Für die Resolution stimmten 120 Staaten, 45 enthielten sich, 14 stimmten dagegen. Die radikalislamische Hamas wird in dem Text nicht namentlich erwähnt.

Israels UNO-Botschafter Gilad Erdan prangerte diesen Mangel mit scharfen Worten an. „Der einzige Ort, an den diese Resolution gehört, ist der Mülleimer der Geschichte“, so Erdan. Israel werde weiterhin „alle Mittel“ im Kampf gegen die Hamas einsetzen. „Das ist ein dunkler Tag für die UNO und für die Menschheit“, sagte Erdan. Der Tag werde „als Schande in die Geschichte eingehen“. Die UNO habe gezeigt, dass sie „nicht mehr die geringste Legitimität oder Relevanz“ besitze.

Zeitlich begrenzte Vorstöße

Das israelische Militär hatte in den Tagen zuvor bereits vereinzelte, zeitlich eng begrenzte Vorstöße auf dem Boden im Gazastreifen gemacht. In der Nacht auf Freitag führten Bodentruppen einen gezielten Vorstoß im Zentrum des Gazastreifens durch, um „Terrorziele“ der Hamas anzugreifen. Schon in der Nacht zuvor gab es im Norden Vorstöße mit Kampfpanzern.

Wie die Armee am Freitag auf Telegram berichtete, attackierten am Vortag von Kampfflugzeugen und Drohnen flankierte Bodentruppen unter anderem Abschussrampen für Panzerabwehrraketen, Kommandozentralen sowie Terroristen der Hamas. Anschließend hätten die Soldaten das Kampfgebiet unversehrt wieder verlassen.

Am Donnerstag wurde im Norden angegriffen. Dabei kämpften Bodentruppen gegen die Hamas und beschossen in einer stundenlangen Operation Stellungen für Panzerabwehrraketen. Vom Militär veröffentlichte Schwarz-Weiß-Aufnahmen zeigten eine Kolonne gepanzerter Fahrzeuge. Zudem war nach den Angriffen eine große Staubwolke zu sehen.

Aufnahmen der israelischen Armee zeigen Panzer am Grenzzaun zu Gaza
APA/AFP/Israeli Army
Bei einem Angriff im Norden des Gazastreifens wurden Panzer eingesetzt

Satellitenbilder machten unterdessen das Ausmaß der israelischen Luftangriffe auf Gaza deutlich. Die Fotos zeigen etwa starke Zerstörung in der Stadt Beit Hanun im Norden des Gazastreifens. Nach den Angriffen blieben selbst von höheren Häusern nur Fassadenreste übrig. Das israelische Militär gibt an, nur militärische Ziele anzugreifen, und beschuldigt die Hamas, nahe der Zivilbevölkerung zu kämpfen, um ihre Mitglieder zu schützen. Militante Palästinenser haben umgekehrt seit Beginn des Krieges Tausende von Raketen auf Israel abgefeuert.

Satellitenaufnahme zeigt Beit Hanoun am 10.10.2023
Satellitenaufnahme zeigt Beit Hanoun am 21.10.2023
Reuters/Maxar Technologies Reuters/Maxar Technologies
Satellitenaufnahmen zeigen Schäden in Beit Hanun

Israel lehnt humanitäre Feuerpausen „derzeit“ weiter ab

Gleichzeitig sprach sich Israel gegen die von den EU-Staaten geforderten Feuerpausen im Gazastreifen aus. „Israel lehnt einen humanitären Waffenstillstand derzeit ab“, sagte ein Sprecher des israelischen Außenministeriums. Dazu zähle „jegliche Art von geforderten Feuerpausen“. Gleichwohl wies er darauf hin, dass es das Land grundsätzlich jedoch erlaube, „dass humanitäre Hilfe in den Gazastreifen gelangt, solange sie nicht in den Händen von Terroristen der Hamas landet“.

Armee: Hamas nutzt Spitäler als Kommandozentralen

Unterdessen wirft Israel der Hamas vor, Krankenhäuser im Gazastreifen als strategische Zentren für ihre Angriffe gegen Israel zu missbrauchen. „Die Hamas führt den Krieg gegen Israel von Krankenhäusern aus“, sagte der Sprecher der israelischen Armee, Hagari, am Freitag vor Journalistinnen und Journalisten. Die Hamas nutze die Krankenhäuser „als Kommandozentralen und Verstecke“, mit Zugängen zu ihrem unterirdischen Tunnelsystem.

„Die Terroristen bewegen sich frei im Al-Schifa-Krankenhaus“ in Gaza-Stadt sowie in weiteren Krankenhäusern, sagte der Armeesprecher. Zudem nutze die Hamas den in diesen zivilen Einrichtungen gelagerten Treibstoff für ihre Angriffe. „Es gibt Treibstoff in den Krankenhäusern, und die Hamas nutzt ihn für ihre terroristische Infrastruktur“, sagte Hagari. Israel hatte die Hamas bereits mehrfach beschuldigt, die Bevölkerung des Gazastreifens als „menschliche Schutzschilde“ zu benutzen. Die Hamas wies die Vorwürfe als „unbegründet“ zurück.