Israelischer Premier Benjamin Netanyahu
Reuters/Abir Sultan
Netanjahu

Waffenruhe wäre „Kapitulation vor Hamas“

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu lehnt erneut eine Unterbrechung der Kämpfe ab. Ziel sei die Vernichtung der radikalislamischen Hamas, erklärte er am Montag auf einer Pressekonferenz. Er räumte ein, in jedem Krieg gebe es ungewollte zivile Opfer. Israel habe den Krieg nicht begonnen, werde ihn aber gewinnen – der Einsatz im Gazastreifen sei ein Kampf zwischen „Zivilisation und Barbarei“. Er rief die Verbündeten auf, Israel zu unterstützen. Eine Waffenruhe wäre für ihn eine „Kapitulation vor der Hamas“.

„So wie die USA nach der Bombardierung von Pearl Harbor oder dem Terroranschlag vom 11. September keiner Waffenruhe zugestimmt hätten, wird Israel einem Stopp der Kämpfe mit der Hamas nach den schrecklichen Angriffen des 7. Oktobers nicht zustimmen“, sagte Netanjahu am Montag. „Aufrufe an Israel, einer Waffenruhe zuzustimmen, sind Aufrufe, gegenüber der Hamas, gegenüber Terrorismus, gegenüber der Barbarei zu kapitulieren. Das wird nicht passieren.“

„Israels Kampf ist euer Kampf“

Netanjahu sagte weiter: „Jede zivilisierte Nation sollte an Israels Seite stehen und die sofortige und bedingungslose Freilassung der Geiseln fordern.“ Er hoffe dabei auf die Unterstützung zivilisierter Länder. „Weil Israels Kampf euer Kampf ist. Weil ihr das nächste Ziel seid, wenn die Achse des Bösen von Hamas und dem Iran siegt. Deshalb wird Israels Sieg euer Sieg sein.“ Man werde die Hamas in den „Mülleimer der Geschichte“ werfen.

Kampf zwischen „Zivilisation und Barbarei“

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu lehnt erneut eine Unterbrechung der Kämpfe ab. Ziel sei die Vernichtung der radikalislamischen Hamas, erklärte er am Montag auf einer Pressekonferenz. Er räumte ein, in jedem Krieg gebe es ungewollte zivile Opfer. Israel habe den Krieg nicht begonnen, werde ihn aber gewinnen – der Einsatz im Gazastreifen sei ein Kampf zwischen „Zivilisation und Barbarei“.

Zu Opfern in der Zivilbevölkerung im Gazastreifen sagte er, das könne verhindert werden, wenn die Menschen wie von Israel gefordert in eine sichere Zone im Süden gingen. „Kein einziger Zivilist muss sterben“, sagte Netanjahu. Er warf der islamistischen Hamas erneut vor, die Menschen daran zu hindern, den Norden des Küstenstreifens zu verlassen. Die israelische Luftwaffe greift allerdings auch im Süden Ziele an, dabei gab es auch Todesopfer.

Netanjahu: Auch im Kampf gegen Nazis gab es zivile Opfer

Nach Kritik an der hohen Zahl ziviler Opfer im Gazastreifen verglich Netanjahu den Krieg gegen die Hamas mit dem Kampf der Alliierten gegen die Nazis. Man habe den Alliierten im Zweiten Weltkrieg trotz ziviler Opfer nicht gesagt: „Rottet den Nationalsozialismus nicht aus.“ Ein Journalist hatte ihn zuvor gefragt, ob Israel die Menschen im Gazastreifen mit den Luftangriffen kollektiv für den Terror der Hamas bestrafe.

Als Beispiel nannte Netanjahu einen Angriff britischer Piloten auf das Gestapo-Hauptquartier in Kopenhagen während des Zweiten Weltkriegs. Damals hätten die Piloten „gepatzt“, das Ziel verfehlt und letztlich Dutzende Kinder getötet. „Das ist nichts, wofür man Großbritannien die Schuld geben kann. Das war eine legitime Kriegshandlung mit tragischen Folgen, die solche legitimen Handlungen begleiten“, so Netanhaju.

Die Alliierten hätten den Krieg trotz der tragischen Konsequenzen bis zum Ende geführt. Sie hätten gewusst, dass die Zukunft der Zivilisation auf dem Spiel stehe, sagte Netanjahu weiter. „Nun, ich sage Ihnen jetzt, dass die Zukunft unserer Zivilisation auf dem Spiel steht.“

USA: „Wir unterstützen eine Waffenruhe derzeit nicht“

Die USA wollen sich den international lauter werdenden Rufen nach einer Waffenruhe bewusst nicht anschließen. „Wir glauben nicht, dass eine Waffenruhe im Moment die richtige Antwort ist“, sagte am Montag der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates des Weißen Hauses, John Kirby. „Wir unterstützen eine Waffenruhe derzeit nicht“, sagte Kirby.

Stattdessen sollte über „Pausen“ nachgedacht werden, um Hilfe für die Zivilbevölkerung in den Gazastreifen zu bringen. Zugleich zeigte sich Kirby überzeugt, dass es „in den kommenden Tagen“ gelingen könne, „täglich hundert Lastwagen“ mit Hilfsgütern in das von der Hamas beherrschte Palästinensergebiet zu bringen.

UNO-Palästinenserhilfswerk: Mehr Hilfe nötig

Zugleich appellierte der Chef des UNO-Palästinenserhilfswerks (UNRWA) für eine Ausweitung der humanitären Hilfe für Gaza. Eine Handvoll Konvois wie bisher reiche für mehr als zwei Millionen Notleidende nicht aus, sagte UNWRA-Generalkommissar Philippe Lazzarini bei einer Dringlichkeitssitzung des UNO-Sicherheitsrates. „Das bestehende System, das die Lieferung von Hilfsgütern nach Gaza ermöglicht, ist zum Scheitern verurteilt, wenn kein politischer Wille vorhanden ist.“

„Ganze Bevölkerung wird entmenschlicht“

Lazzarini wählte drastische Worte, um die Notlage der palästinensischen Bevölkerung deutlich zu machen. Die Menschen im Gazastreifen hätten das Gefühl, „nicht wie andere Zivilisten behandelt zu werden“. Die meisten von ihnen fühlten sich in einem Krieg gefangen, mit dem sie nichts zu tun hätten. „Sie haben das Gefühl, dass die Welt sie alle mit der Hamas gleichsetzt. Das ist gefährlich. Und das wissen wir nur zu gut aus früheren Konflikten und Krisen. Eine ganze Bevölkerung wird entmenschlicht.“

Das US-Außenministerium forderte Israel unterdessen auf, die Gewalt jüdischer Siedler im besetzten Westjordanland gegen Palästinenser zu stoppen. Es müssten Maßnahmen zum Schutz der palästinensischen Einwohner getroffen werden. Man habe der israelischen Regierung klargemacht, dass die Angriffe der Siedler inakzeptabel seien und dass sie zur Verantwortung gezogen werden müssten.

Verschleppte israelische Soldatin befreit

Unterdessen ist bei dem Einsatz der Bodentruppen im Gazastreifen nach Angaben der israelischen Armee eine israelische Soldatin befreit worden. Die am 7. Oktober von der Hamas entführte Frau sei in gutem Zustand und habe ihre Familie bereits getroffen, teilte die Armee am Montag auf Twitter (X) mit. Die Befreiung habe in der Nacht stattgefunden. Auf einem vom Militär verbreiteten Bild war sie in den Armen ihrer Familie zu sehen. Einzelheiten zur Befreiung sind derzeit nicht bekannt.

Israelische Truppen in Gaza-Stadt

Augenzeugen berichten, dass israelische Bodentruppen derzeit am Rand von Gaza-Stadt stehen. Sie sollen vor allem das riesige Tunnelsystem der Hamas zerstören, in dem vermutlich auch die am 7. Oktober verschleppten Geiseln festgehalten werden.

Nach Angaben des US-Außenministeriums stellt die Hamas eine Reihe von Bedingungen für die Freilassung der Geiseln. Sprecher Matthew Miller sagte allerdings nicht, um welche Bedingungen es sich handelt. Er forderte, die Hamas sollte alle US-Amerikaner und ausländische Bürger und Bürgerinnen freilassen. Bisher ist die Hamas nur bereit, alle mehr als 200 Geiseln ziehen zu lassen, wenn Israel im Gegenzug rund 6.000 palästinensische Häftlinge frei lässt.

Armee rückt weiter in Gazastreifen vor

Zugleich rückten Bodentruppen laut Armeeangaben weiter in den Gazastreifen vor. Aussagen der Armee legen heftige Gefechte mit der Hamas nahe – Dutzende in Häusern und Tunneln verbarrikadierte Hamas-Terroristen seien getötet worden, teilte ein Armeesprecher mit. Bisher unbestätigten Berichten zufolge seien israelische Panzer mittlerweile bis zu einem Randbezirk von Gaza-Stadt vorgerückt.

Karte von Gaza
Grafik: APA/ORF; Quelle: New York Times/IDF

„Dutzende“ Panzer bei zentraler Verkehrsader

Im Stadtteil al-Saitun hätten „Dutzende“ Panzer bei einer zentralen Verkehrsader, die den Norden mit dem Süden des Gazastreifens verbindet, Stellung bezogen. Die Salah-al-Din-Straße sei durch Panzer und israelische Kampfflugzeuge beschossen worden, berichtete die Agentur AFP mit Verweis auf Augenzeugen. Die BBC verwies auf ein offensichtlich im Süden von Gaza-Stadt aufgenommenes Video, auf dem der Beschuss eines Autos durch einen israelischen Panzer zu sehen sei.

Das laut BBC verifizierte Video verdeutliche, wie tief die israelischen Bodentruppen mittlerweile in den Gazastreifen vorgedrungen seien. Die zuvor wegen Kampfhandlungen noch blockierte Straße sei wieder offen, wie die BBC am Nachmittag unter Berufung auf ihren Korrespondenten im Gazastreifen berichtete.

Eine Bestätigung durch das israelische Militär gibt es nicht. Zuletzt mehrten sich allerdings Hinweise, wonach Gaza-Stadt eingekreist werden könnte. Beobachter sprachen von Bildern, auf denen israelische Panzer am Strand von Nordgaza zu sehen seien, sowie Berichten, wonach Israels Bodentruppen gleich an mehreren Orten um Gaza-Stadt Stellung bezogen hätten.

Wie der US-Fernsehsender CNN dazu auf Basis ausgewerteter eigener Luftaufnahmen berichtete, ist das israelische Militär inzwischen etwa drei Kilometer in den abgeriegelten Gazastreifen vorgestoßen. Der Küstenstreifen am östlichen Mittelmeer ist etwa 40 Kilometer lang und zwischen sechs und 14 Kilometer breit.