Schäden in Kherson nach russischem Großangriff
Reuters
Russische Offensive

Ukraine meldet größten Angriff des Jahres

Die russische Armee hat nach Angaben aus Kiew am Wochenende den größten Angriff auf die Ukraine in diesem Jahr begonnen. Insgesamt seien über 100 Ortschaften beschossen worden, hieß es, wieder gab es Tote. Aus der Stadt Cherson meldete die Regionalregierung „apokalyptische Szenen“.

Innerhalb der letzten 24 Stunden, hieß es am Mittwochmittag, hätten die russischen Truppen im Land 118 Orte in zehn Regionen der Ukraine angegriffen, erklärte Innenminister Ihor Klymenko. „Das ist die größte Anzahl an Städten und Dörfern, die seit Beginn des Jahres angegriffen wurden.“

Die Regierung in Kiew meldete außerdem einen russischen Angriff auf eine Erdölraffinerie in der zentral gelegenen Industriestadt Krementschuk mit über 200.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Es habe dabei allerdings keine Opfer gegeben, rund 100 Feuerwehrleute hätten den Brand jedoch mehrere Stunden lang bekämpft. Die Stadt liegt rund 300 Kilometer südöstlich der Hauptstadt Kiew in der Zentralukraine.

Ukraine: “Apokalyptische Szenen" aus Cherson

Bei einem russischen Angriff auf die südukrainische Region Cherson hat es Tote gegeben. Regionalgouverneur Olexandr Prokudin schrieb auf Telegram von „apokalyptische Szenen“. Im Stadtzentrum zeigten sich schwere Schäden.

„Wieder apokalyptische Szenen“

Tote gab es laut ukrainischen Angaben bei einem Angriff auf die Region Charkiw in der Nordostukraine und die südliche Region Cherson, außerdem mehrere Verletzte bei Angriffen auf Nikopol im Süden des Landes. „Wieder apokalyptische Szenen“ schrieb der Regionalgouverneur von Cherson, Olexandr Prokudin, auf Telegram. „Zerbrochene Fenster (…), kaputte Häuser. Menschen, die mit zitternder Stimme erzählen, was sie erlebt haben.“

Schäden in Kherson nach russischem Großangriff
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Tägliche Bilder der Zerstörung aus der Ukraine

Die ukrainische Luftwaffe meldete zudem, 18 von 20 in der Nacht gestarteten russischen Drohnen abgeschossen zu haben. Das russische Verteidigungsministerium teilte seinerseits mit, zwei ukrainische Drohnen über den Regionen Brjansk und Kursk abgeschossen zu haben: Beide grenzen an die Ukraine.

Relativ neue russische Drohne im Einsatz

Laut Erkenntnissen des britischen Militärgeheimdienstes setzt Russland in der Ukraine zunehmend auf den Einsatz von Drohnen des Typs Lancet. Die Drohne sei höchstwahrscheinlich eines der effektivsten neuen Kampfmittel, die Russland in den vergangenen zwölf Monaten in der Ukraine eingesetzt habe, teilte das Verteidigungsministerium in London am Mittwoch in seinem täglichen Update via Twitter (X) mit.

ein ukrainischer Soldat steht vor einem Teil einer russischen „Lancet“ Drohne
Reuters/Defence Ministry Of Ukraine
Laut britischen Einschätzungen setzt Russland vermehrt auf die Lancet-Drohne

Die Drohne sei so konzipiert, dass sie über feindliches Gebiet gesteuert werde und warte, bis ein Ziel identifiziert sei, bevor sie sich darauf stürze und explodiere. Für Russland sei der Drohnentyp im Kampf gegen feindliche Artillerie zunehmend wichtig geworden.

„Traditionell“ habe Russland kleine Drohnen hauptsächlich zur Aufklärung eingesetzt. Der Typ Lancet sei mit seiner Angriffsfähigkeit nun ein militärischer Fortschritt, so die britische Einschätzung. Berichten staatlicher russischer Medien zufolge wurde die Lancet-Drohne 2020 in das Arsenal des russischen Militärs aufgenommen.

Laut UNO brauchen 18 Mio. Menschen Hilfe

Mit zunehmender Dauer des Krieges in der Ukraine benötigen immer mehr Menschen Hilfe. Laut Einschätzung des UNO-Büros für humanitäre Angelegenheiten (OCHA) sind es mehr als eineinhalb Jahre nach Beginn des russischen Angriffskrieges mittlerweile rund 18 Millionen, wie OCHA-Direktor Ramesh Rajasingham am Dienstag (Ortszeit) vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in New York sagte.

Das ukrainische Statistikamt und die EU-Statistikbehörde Eurostat gaben die Bevölkerungszahl vor dem Krieg, den Russland im Februar 2022 begonnen hatte, mit rund 41 Millionen an. Nach Kriegsbeginn wurden große Teile des Landes von der russischen Armee besetzt, Millionen Menschen verließen das Land, ein Teil kehrte im Laufe der Zeit wieder zurück. Wie viele Menschen derzeit in der Ukraine leben, ist unklar.

Sorge vor dem nahenden Winter

Landesweit gebe es täglich Luftangriffe, Artilleriebeschuss und Bodenkämpfe, berichtete Rajasingham. Angesichts des Krieges im Nahen Osten dürfe man die Ukraine nicht aus den Augen verlieren, mahnte er. Die kritische Infrastruktur habe beträchtlichen Schaden erlitten, damit sei die Versorgung der Menschen mit Strom, Wasser, Heizung und Telekommunikation gefährdet. Das sei angesichts des nahenden Winters mit erwarteten Temperaturen von bis zu minus 20 Grad Celsius Grund für besonders große Sorge.

Trotz aller Risiken seien dank der internationalen Hilfsgelder mehr als 500 meist örtliche Hilfsorganisationen in den ersten neun Monaten 2023 im Einsatz gewesen, um neun Millionen Menschen mit lebensnotwendigen Gütern zu versorgen. Zehn Millionen Menschen gälten weiterhin als vertrieben, sei es im eigenen Land oder als Flüchtlinge in anderen Ländern.