Afghanen an der pakistanisch-afghanischen Grenze
Reuters/Abdul Khaliq Achakzai
Nach Afghanistan

Pakistan beginnt Massenabschiebungen

Pakistan hat mit der geplanten Massenabschiebung von Flüchtlingen aus dem Nachbarland Afghanistan begonnen. Am Mittwoch wurden Camps am Rand der Hauptstadt Islamabad mit Planierraupen zerstört. In den vergangenen Tagen hatten bereits Tausende Flüchtlinge Pakistan verlassen.

Die pakistanische Regierung hatte zuletzt allen ausländischen Staatsbürgern ohne gültige Aufenthaltspapiere eine Frist gesetzt, bis zum 1. November – Mittwoch – das Land zu verlassen. Andernfalls drohe ihnen die Zwangsausweisung. Die Frist war vor knapp einem Monat, am 3. Oktober, angekündigt worden. Damit hatten die Betroffenen knapp vier Wochen Zeit, das südasiatische Land zu verlassen.

Von der Drohung betroffen sind vor allem Staatsbürgerinnen und Staatsbürger des jahrzehntelang von Bürgerkriegen erschütterten Nachbarlandes Afghanistan. Bis zum frühen Abend (MEZ) am Mittwoch hieß es, es seien bereits mehr als 140.000 Menschen aus Pakistan ausgereist.

Tausende Afghanen verlassen Pakistan

Unter dem Druck einer angedrohten Massenabschiebung durch die pakistanische Regierung haben Tausende afghanische Flüchtlinge Pakistan in Richtung ihrer Heimat verlassen. 50 Lastwagen voller Menschen warteten etwa am Grenzübergang in Torkham auf ihre Ausreise.

Verweis auf Attentate

Grund für die Ausweisung ist nach Angaben der pakistanischen Regierung, dass 14 von 24 Selbstmordattentaten in den vergangenen Monaten auf afghanische Staatsangehörige zurückzuführen seien. Afghanen sollen auch an weiteren Anschlägen gegen die Regierung und die Armee beteiligt gewesen seien. Beweise dafür legte die Regierung in Islamabad allerdings nicht vor.

Afghanen an der pakistanisch-afghanischen Grenze
Reuters/Fayaz Aziz
Pakistan setzte Bürgern aus dem Nachbarland ohne Aufenthaltsdokumente eine Frist von vier Wochen

In Pakistan leben nach Schätzungen mehr als vier Millionen afghanische Migranten und Flüchtlinge. Nach Regierungsangaben aus Islamabad haben etwa 1,7 Millionen Menschen keine Papiere, obwohl viele von ihnen ihr ganzes Leben lang in Pakistan gelebt haben. Etwa 600.000 sind seit der Machtübernahme der radikalislamischen Taliban in Afghanistan im Jahr 2021 nach Pakistan geflohen.

„Wartezentren“ und Razzien

Laut den Taliban kehrten zwischen dem 23. September und dem 22. Oktober bereits mehr als 60.000 Afghanen aus Pakistan in ihre Heimat zurück. Die pakistanischen Behörden sprachen am Mittwoch von mehr als 100.000 Menschen.

Nach Ablauf der Frist wollen die pakistanischen Behörden Gebiete durchkämmen, in denen „Ausländer ohne Papiere“ vermutet werden. Außerdem wurden „Wartezentren“ für abzuschiebende Ausländer eingerichtet. Die Taliban haben bereits gegen Zwangsabschiebungen nach Afghanistan protestiert.

In der Grenzprovinz Baluchistan seien Razzien von „Tür zu Tür“ erfolgt, sagte der regionale Informationsminister Jan Achakzai. Auch in der Hafenmetropole Karachi und in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa erfolgten laut Behörden zahlreiche Festnahmen. Afghanische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger machen die deutliche Mehrheit von Flüchtlingen in Pakistan aus, die Regierung in Islamabad macht mit den Plänen Stimmung vor der für Jänner geplanten Parlamentswahl im Land.

Taliban fordern mehr Zeit

Jenseits der Grenze verlangen die Taliban mehr Zeit für die Ausreise ihrer Landsleute. „Wir fordern Sie erneut auf, Afghanen nicht ohne Vorbereitung zwangsweise abzuschieben, sondern ihnen genügend Zeit zu geben“, hieß es in einer von der autoritären Taliban-Regierung veröffentlichten Erklärung am Mittwoch. Taliban-Sprecher Zabihullah Mujahid versicherte Afghanen Sicherheit, die das Land „wegen politischer Streitigkeiten“ verlassen hatten.

Kritik am Umgang mit Flüchtlingen

Die Pläne der pakistanischen Regierung stießen auf breite Kritik. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) kritisierte den Umgang der Behörden mit afghanischen Flüchtlingen ohne Aufenthaltsstatus. Diese würden durch Drohungen, Missbrauch und Verhaftungen dazu gedrängt, nach Afghanistan zurückzukehren. UNO-Experten warnten davor, dass vielen Afghanen in ihrer Heimat Misshandlungen drohten.