Maersk-Containerschiff in Miami
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Boom vorbei

Reedereien kämpfen mit zu vielen Schiffen

In der Branche der Containerschifffahrt rumort es ordentlich. Zum einen sieht man sich mit niedrigen Frachtraten und einer mauen Nachfrage nach Containern konfrontiert. Zum anderen trüben vor allem erhebliche Überkapazitäten in Form von zu vielen Schiffen die Aussichten für das kommende Jahr. Zu spüren bekommt das auch die dänische Großreederei Maersk, die Tausende Arbeitsplätze abbauen will. Die Branche sehe sich mit einer „neuen Normalität“ konfrontiert, heißt es vom Konzernchef Vincent Clerc.

Von den weltweit 110.000 Stellen sollen insgesamt 10.000 wegfallen, wie das Unternehmen am Freitag in Kopenhagen im Zuge seiner Quartalszahlenvorlage mitteilte. Das betreffe jede elfte Stelle. Ein Teil des Stellenabbaus sei bereits vollzogen, 6.500 Jobs habe man bereits gestrichen. Der Rest soll in den kommenden Monaten bzw. nächstes Jahr folgen. Weitere Einzelheiten, beispielsweise in welchen von den 130 Ländern, in denen das Unternehmen tätig ist, der Stellenabbau erfolgen soll, wollte das Unternehmen nicht nennen.

Der Stellenabbau soll im nächsten Jahr zu Einsparungen in Höhe von 600 Millionen Dollar (565 Mio. Euro) führen. Die damit einhergehenden Restrukturierungskosten beziffert das Management der zweitgrößten Reederei der Welt nach der Schweizer MSC auf 350 Mio. Dollar (327 Mio. Euro), wovon der Großteil dieses Jahr zu Buche schlagen dürfte. Auch das für 2024 geplante Aktienrückkaufprogramm werde überprüft, heißt es. Die Aktie gab daraufhin um rund elf Prozent nach.

Rekordgewinne durch Pandemie

In den vergangenen Jahren hatte Maersk Rekordgewinne eingefahren, als – vor allem durch die Pandemie – eine hohe Konsumgüternachfrage auf global stockende Lieferketten traf. Die Frachtraten waren dadurch in die Höhe geschnellt. Allgemein stottert nun allerdings das Wirtschaftswachstum, und Unternehmen bauen Lagerbestände ab, anstatt neue Güter zu bestellen. Die nun von Clerc angesprochene „neue Normalität“ zeichne sich vor allem durch eine gedämpfte Nachfrage, gesunkene Preise und Inflationsdruck aus.

Zudem ist das Angebot an Schiffskapazitäten mittlerweile viel größer. „Seit dem Sommer haben wir in den meisten Regionen Überkapazitäten festgestellt, die zu einem Preisverfall geführt haben“, sagte Clerc. Inzwischen seien die Preise zum Verschiffen von Fracht über den Seeweg wieder nahe dem Niveau von 2019. Für die nächsten zwei bis drei Jahre erwartet man deshalb, dass der weltweite Containerhandel um 0,5 bis 2,0 Prozent zurückgehen werde.

Containerhafen in Lianyungang
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Durch die Pandemie traf hohe Nachfrage auf stockende Lieferketten, was zu Rekordgewinnen für u. a. Maersk führte

Den Gewinn erwartet Clerc nur noch am unteren Ende der avisierten Spanne von 3,5 bis fünf Mrd. Dollar (3,27 bis 4,67 Mrd. Euro). Im dritten Quartal brach der operative Gewinn auf gut eine halbe Mrd. Dollar (476 Mio. Euro) ein, nachdem im Vorjahreszeitraum fast 18-mal so viel verdient wurde.

Moody’s: „Überlasteter Containerschiffsektor“

Von einem überlasteten Containerschiffsektor spricht auch die US-Ratingagentur Moody’s und zeichnet ein pessimistisches Bild für das kommende Jahr, wie die Onlineplattform TradeWinds schrieb. In einer ersten Bewertung der globalen Aussichten für den Transport- und Logistiksektor sticht die Containerschifffahrt als negativ hervor.

Moody’s erwartet für eine Gruppe von 20 ausgewählten Schifffahrts-, Logistik-, Luft- und Straßenfrachtunternehmen im Jahr 2024 einen Gewinnrückgang von insgesamt 13 Prozent. „Der Rückgang wird jedoch hauptsächlich von einem erwarteten starken Rückgang bei den Containerschifffahrtsunternehmen angetrieben, da sich ihre hervorragende Leistung nach der Pandemie vollständig abschwächt“, so die Agentur.

Neue Schiffe als Hauptursache

Das Unternehmen geht zudem davon aus, dass sich die Bedingungen für die Branche weiter verschlechtern werden. Die Hauptursache dafür liegt auch für Moody’s in der beträchtlichen Anzahl neuer Schiffe in den nächsten eineinhalb Jahren, die dem Gesamtumfang der Auslieferungen der letzten fünf Jahre entspricht.

Das werde die Überkapazitäten auf dem Markt weiter erhöhen und die Frachtraten weiter belasten. Das Ausmaß sei zwar ungewiss, aber historische Trends deuteten auf einen klaren Abwärtstrend hin, meint man bei Moody’s. Zudem geht man bei der Agentur davon aus, dass die letzten drei Monate des Jahres 2023 eines der schwächsten Quartale für die Branche seit vielen Jahren sein werden.

ONE mit herben Verlusten

Neben Maersk hat auch die japanische Containerschifffahrtsallianz Ocean Network Express (ONE) herbe Verluste gemeldet, wie Riviera schreibt. Im zweiten Quartal gab es einen satten Rückgang des Nettogewinns um 97 Prozent. Der Gewinn für das Quartal belief sich auf 187 Mio. Dollar (174,5 Mio. Euro) verglichen mit 5,5 Mrd. Dollar (5,13 Mio. Dollar) im gleichen Zeitraum des Vorjahres.

Während sich der Handel in der Hochsaison vorübergehend belebte, verlief die Anpassung der Lagerbestände nur langsam, und der Absatz von allgemeinen Konsumgütern stagnierte, was zu einem schleppenden Wachstum führte. Obwohl sich die Nachfrage in der zweiten Hälfte des vorangegangenen Geschäftsjahres weiter entspannte, blieb die Erholung des Verbrauchs aufgrund der Inflation und der hohen Zinssätze schwach.

Containerhafen in Rotterdam
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Hauptursache für die schlechte wirtschaftliche Lage ist Moody’s zufolge vor allem die hohe Anzahl neuer Schiffe

Als einer der Hauptgründe für den Umsatzrückgang wurde mangelnde Nachfrage genannt. Im August wiesen Marktanalysten zudem darauf hin, dass Überkapazitäten unvermeidlich seien, selbst wenn die Aufträge unabhängig von der Nachfrage steigen sollten, da auch bei ONE in diesem Jahr eine Rekordzahl von Schiffen ausgeliefert werde.

Gesetzliche Änderungen

Neben den schlechten Wirtschaftsaussichten kommen auf die Containerschifffahrt ab 2024 aber auch noch gesetzliche Änderungen zu. Die Branche wird ihre jahrzehntelange Gruppenfreistellung von den Kartellvorschriften verlieren. Konsortien werden zwar nicht verboten, aber die Betreiber müssen die Rechtmäßigkeit ihrer Kooperationsvereinbarungen überprüfen, die fortan von den zuständigen Behörden aufgelöst und mit Geldstrafen belegt werden können.

Außerdem wird die Schifffahrt 2024 in das EU-Emissionshandelssystem (EU-EHS) aufgenommen und der Kohlenstoffintensitätsindikator (CII) der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) wird strenger angewandt, sodass die Seeschifffahrtsunternehmen für ihre Emissionen zahlen müssen.